Rendi-Wagner bei ATB

360 Jobs weg: „Verhalten der Regierung arrogant“

Steiermark
07.10.2020 20:29

Weil die Produktion vom chinesischen Eigentümer geschlossen und ins Ausland verlagert wird, fallen bei ATB in Spielberg 360 Jobs weg. SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner hat Mittwochmittag eine Betriebsversammlung besucht und dabei - wie schon bei einer Protestkundgebung in Wien - die Bundesregierung für ihre Untätigkeit kritisiert. Eine positive Nachricht: Mit 1. Dezember soll eine Arbeitsstiftung stehen, die bis zu vier Jahre für die von Kündigung betroffenen Mitarbeiter zur Verfügung steht.

Rendi-Wagner sagte am Mittwoch zu Mittag bei einer Pressekonferenz vor den Werkstoren, dass man künftig verhindern müsse, dass unter „Ausnutzung des Insolvenzrechtes Flaggschiffe der heimischen Industrie in die Pleite geschickt werden“ - wie es bei der ATB der Fall gewesen sei. Mit Gesetzesänderungen - die SPÖ bringe entsprechende Anträge im Parlament ein - müsse Sorge getragen werden, dass das nicht mehr vorkomme, dass etwa Schlupflöcher im Insolvenzrecht ausgenützt werden.

Im Fall ATB wurde die Spielberger Gesellschaft ja in Insolvenz geschickt, dann haben andere Firmen der Gruppe den Maschinenpark gekauft und wollen ihn bis Jahresende in Werke in Polen und Serbien transferieren. In Spielberg sollen nur noch Logistik, Forschung und Entwicklung bleiben, in Summe etwa 50 Arbeitsplätze.

Rendi-Wagner übernahm die Sichtweise von Betriebsrat und Gewerkschaft: Die Coronavirus-Krise sei oft ein Vorwand, um Arbeitsplätze in Billiglohnländer wie Polen oder Serbien zu verlagern, wie bei der ATB. Zudem müssten Förderungen und Staatshilfen künftig an Standortgarantien geknüpft werden, wiederholte sie eine Forderung.

Verhalten der Regierung „respektlos und arrogant“
„Es ist schön, wenn ÖVP-Bundeskanzler Sebastian Kurz Arbeitsplätze als wichtiges Ziel bezeichnet, das ist aber ein bisschen spät, zudem hätte man unter Schwarz-Blau nicht die Aktion 20.000 kippen bzw. AMS-Mittel reduzieren dürfen“, sagte Rendi-Wagner. Sie empfindet außerdem die Haltung, seit acht Wochen nicht auf Gesprächsbitten der ATB-Betriebsräte zu reagieren, für „respektlos und arrogant“.

Mitarbeiter erhielten bis zu 800 Euro weniger
Betriebsratschef Michael Leitner berichtete, dass viele Mitarbeiter von der Geschäftsführung weniger Geld für den September erhalten hätten. Dabei sei es um drei Tage im Juli gegangen, die nicht vom Insolvenzfonds übernommen würden. „Dabei sind manchen Mitarbeitern bis zu 800 Euro weniger gezahlt worden, ohne vorherige Benachrichtigung durch die Chefetage.“ Nachträglich sei erklärt worden, dass Mitarbeiter zuvor zu viel Geld erhalten hätten - was von den zahlreichen umstehenden Beschäftigten mit lautem Gelächter quittiert wurde.

Auf „Krone“-Anfrage heißt es von ATB am Mittwochabend: „Bei der Auszahlung der Gehälter kam es aus insolvenzrechtlichen Gründen zu Verschiebungen in der Abrechnung. Der Eigentümer hat in diesem Zusammenhang auch den Mitarbeitern freiwillig Liquiditätsengpässe finanziert. Die Mitarbeiter werden jedenfalls korrekt und den rechtlichen Ansprüchen entsprechend bezahlt.“

Weiter Hoffnung auf Investor
Die ersten Kündigungen würden mit Ende Oktober wirksam, die letzten mit Februar 2021. Man habe noch die Hoffnung, dass ein Investor mit einem Alternativprogramm auf den Plan treten könnte. Auf diesen Job-Bedarf hin könnte auch in der Stiftung qualifiziert werden, hieß es vonseiten der Gewerkschaft. Ein deutscher Investor hatte ja Interesse am ganzen Standort bekundet - der stand laut ATB aber nie zur Disposition.

Kurz vor Pensionierung gekündigt
Beschäftigte der ATB selbst zeigten sich angetan vom Besuch von Rendi-Wagner, äußerten sich aber enttäuscht über Bundes- und Landespolitik. Eine Angestellte, in der Fertigung tätig, sagte: „Ich habe 27 Jahre hier gearbeitet, bin 15 Monate vor der Pension. Unter dem früheren Eigentümer Mirko Kovats haben wir fünf Jahre lang auf Lohnerhöhungen verzichtet, zur Sicherung der Jobs. Hätte ich dieses Geld, würde ich pensionsmäßig ganz woanders stehen.“

Gläubiger meldeten bereits 18 Millionen Euro an Forderungen an
Im Landesgericht Leoben fand indessen zeitgleich eine Prüfungstagsatzung im Zusammenhang mit der Insolvenz der ATB Spielberg GmbH statt. Wie die Kreditschützer von AKV, KSV1870 und Creditreform mitteilten, haben bisher 814 Gläubiger Insolvenzforderungen in der Höhe von rund 18,2 Millionen Euro angemeldet, wovon vorerst 13,3 Millionen Euro anerkannt wurden. Noch nicht inkludiert seien allerdings die Endigungsansprüche der Dienstnehmer. Da dürften weitere rund sieben Millionen Euro dazukommen.

Einschließlich dieser Dienstnehmerforderungen und möglicher Schadenersatzansprüche geht die ATB Spielberg GmbH von Gesamtverbindlichkeiten in der Höhe von 30 bis 35 Millionen. Euro aus. Über einen Sanierungsplan wird am 21. Oktober abgestimmt werden.

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