Krise in Weißrussland

Tichanowskaja an Merkel: „Brauchen eure Hilfe“

Ausland
06.10.2020 20:56

Die außer Landes geflohene weißrussische Oppositionspolitikerin Swetlana Tichanowskaja hat während ihres Besuchs in Berlin vom Westen mehr Unterstützung im Kampf gegen Machthaber Alexander Lukaschenko gefordert. Das Volk in ihrem Land erwarte etwa Unterstützung für unabhängige Medien und zivile Organisationen, um die Folgen der Krise zu überwinden, teilte sie am Dienstag im Anschluss an das Treffen mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel in Berlin über den Nachrichtenkanal Telegram mit. Merkel selbst äußerte sich nicht.

Tichanowskaja betonte nach dem 45-minütigen Gespräch mit Merkel, von dem auch nur sehr wenige Bilder veröffentlicht wurden, abermals, dass die seit Wochen andauernden Proteste in Weißrussland kein „Kampf gegen Russland oder Europa“ seien, sondern eine Folge der Krise in der Ex-Sowjetrepublik selbst. Vor dem Treffen sagte sie, sie sei dankbar, dass die EU Sanktionen gegen Personen aus dem Umfeld von Lukaschenko verhängt habe. „Das ist ein Sieg, aber es ist ein kleiner Sieg. Die Liste muss erweitert werden.“ Sie wolle, „dass Deutschland als eines der mächtigsten Länder der Welt bei Verhandlungen hilft“. „Jeder, der als Vermittler eintreten will, kann uns helfen.“

Tote, Verletzte und 10.000 Festnahmen
Seit der Präsidentenwahl Anfang August gehen Hunderttausende Menschen landesweit auf die Straße, um gegen Lukaschenkos Wiederwahl zu protestieren. Auch die EU erkennt das Wahlergebnis nicht an. Vom litauischen Vilnius aus steuert Tichanowskaja nun die Proteste. Die Demokratiebewegung fordert den Rücktritt des Staatschefs sowie die Freilassung aller politischen Gefangenen und Neuwahlen. Menschenrechtler werfen dem Machtapparat Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor. Es gab bereits mehrere Tote, Hunderte Verletzte und mehr als 10.000 Festnahmen.

Bei ihrem Besuch in Berlin zog Tichanowskaja auch eine Parallele zur Lage in der DDR 1989. „Ich habe Fotos von Menschen gesehen, wie sie auf der Mauer saßen und sie einrissen“, erzählte die 38-Jährige vor Journalisten und Vertretern verschiedener Organisationen. „In ihren Augen war die Freude zu sehen.“ Diese Freude wünscht sich die Bürgerrechtlerin auch für Weißrussland. Die Menschen dort seien gerade dabei, ihre Mauer einzureißen.

Merkel gab sich nach Treffen zugeknöpft
Merkel selbst äußerte sich nach dem Treffen mit der Oppositionsführerin nicht. Auch in der Sitzung der Unionsfraktion sagte die Kanzlerin nach Teilnehmerangaben nichts zu den Ergebnissen der Unterredung.

Tichanowskaja war bis zur Wahl politisch nicht in Erscheinung getreten. Die Mutter von zwei Kindern arbeitete früher als Englischlehrerin. Nach der Wahl musste sie auf Druck der Behörden das Land verlassen. Seitdem lebt sie im EU-Land Litauen. Zu ihrer politischen Rolle kam sie, weil ihr Mann Sergej, der in seinem Videoblog regelmäßig Korruption anprangerte, festgenommen wurde. Daraufhin ließ sie sich an seiner Stelle als Kandidatin registrieren und mobilisierte mit Unterstützung anderer Oppositioneller Tausende Menschen. „Ich bin ein einfacher Mensch“, sagte Tichanowskaja bei einem Treffen mit Belarussen in Berlin. „Ich bin eine von euch.“

Gespräche mit Regime bisher nicht möglich
Kontakt zu ihrem Mann habe sie nur über ihren Rechtsbeistand. Immer wieder appellierte sie, weiter friedlich zu demonstrieren. Ihr Ziel sei immer gewesen, einen Dialog mit dem Regime zu suchen, doch das habe bisher keine Signale zu Gesprächen gezeigt. "Wir sehen uns jetzt gezwungen, unsere Nachbarländer darum zu bitten, dass sie als Vermittler in dem Dialog zwischen den Einwohnern von Belarus und dem Staat auftreten“, begründete die Oppositionspolitikerin ihren Besuch in Deutschland.

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