Weiterverkauft

Neuer Rüffel für Post in Datensammelskandal

Web
30.09.2020 12:12

Weil sie Bürger nicht nur Parteien zugeordnet, sondern auch Daten weiterverkauft hat, die aussagten, ob jemand etwa ein „neuer Konservativer“, ein „digitaler Individualist“ oder ein „Hedonist“ ist, hat die Post im Datensammelskandal einen neuen Rüffel von der Datenschutzbehörde (DSB) erhalten. Diese von der Post als Sinus-Geo-Milieus bezeichneten Daten dürfen laut einem - nicht rechtskräftigen - Behördenbescheid im Allgemeinen nicht verarbeitet werden.

„Egal, ob diese Daten auch eine politische Affinität durchblicken lassen oder einfach nur Bürger in Schubladen stecken, die DSB hat diese Datensammlungspraxis der Post als unzulässig erachtet“, berichtete die Sammelklagsplattform Cobin Claims, die zu den Parteiaffinitäten bereits eine Sammelaktion gestartet hat. Die Daten dürfen demnach nicht ohne explizite Einwilligung der Betroffenen weiterverarbeitet werden.

Von der Post hieß es, dass man den Spruch natürlich prüfe. Allerdings handle es sich hier sowie bei der Causa Parteiaffinität um laufende Verfahren bzw. nicht rechtskräftige Bescheide, „und diese möchten wir nicht vorab kommentieren“, so ein Sprecher am Mittwoch. Laut Datenschutz-Grundverordnung steht den Betroffenen nicht nur die Löschung der Daten, sondern auch sogenannter ideeller Schadenersatz zu. Cobin Claims spricht von einem Anspruch von bis zu 3000 Euro.

Aus dem Bescheid ergibt sich laut Cobin-Claims-Anwalt Severin Hammer zudem, dass die Post auch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) wegen der Verarbeitung von Daten zur Parteiaffinität im Rechtsmittelverfahren eine Niederlage erlitten hat. Konkret zitiert die Datenschutzbehörde in ihrem jüngsten Bescheid zu den Sinus-Geo-Milieus ein Teilerkenntnis des BVwG vom 20. August 2020 zum Thema „Parteiaffinitäten“, laut dem die gegenständliche Datenverarbeitung nicht erlaubt gewesen sei. Das Gericht sei zum selben Ergebnis gelangt wie die Datenschutzbehörde, heißt es in dem am 24. September ergangenen Spruch zu den Sinus-Geo-Milieus.

Post spricht von „adressbezogenen Daten“
Die Post hat in dem aktuellen Verfahren bei der Datenschutzbehörde vorgebracht, dass sie die Daten „im Rahmen ihrer Tätigkeit als Adressverlag“ verwende und diese „Geschäftskunden für Marketingzwecke“ anbiete, wie aus dem Spruch weiter hervorgeht. „Die Post hat gemeint, das sind adressbezogene Daten. Das würde bedeuteten, dass das Haus ein ‘neuer Konservativer‘ ist und nicht der, der drin wohnt“, so Oliver Jaindl, Obmann von Cobin Claims, am Mittwoch.

Die „weltanschaulichen Überzeugungen“, die die Post Leuten zugeordnet hat, sind laut Spruch der Datenschutzbehörde folgende: Konservative, Traditionelle, Postmaterielle, digitale Individualisten, bürgerliche Mitte und Hedonisten.

Ans Licht gekommen sind diese Milieus übrigens wegen der seit Längerem bekannten Parteienzuordnung, die die Post gemacht hat. Aufgrund letzterer hätten etwa 30.000 Menschen ein Auskunftsbegehren bei der Post gestellt und seien dann draufkommen, was die Post noch alles über sie gespeichert hat, sagte Anwalt Hammer. Die Parteiaffinitäten habe die Post mittlerweile gelöscht, so der Anwalt, der den jüngsten Bescheid der Datenschutzbehörde erwirkt hat. „Den Nachweis dafür haben wir aber nicht bekommen.“

Käufer der Daten nicht bekannt
Problematischer sei es bei den Milieus: „Wir können das Recht auf Löschung der Daten nicht durchsetzen, weil wir nicht wissen, an wen sie die Daten verkauft haben“, so Hammer. Man wisse, dass die Post die Daten an einzelne Parteiorganisationen verkauft habe, aber im Winter 2019 habe das Unternehmen die Praxis, den konkreten Empfänger zu nennen, eingestellt. Die Post stehe auf dem Standpunkt, dass es reiche, die Empfängerkategorie - etwa NGO oder politische Partei - preiszugeben. Anwalt Hammer sieht das freilich anders. „Das Recht auf Löschung ist laut Datenschutz-Grundverordnung zentral. Wenn ich etwas nicht verarbeiten darf, muss ich es löschen und den Betroffenen darüber informieren.“

Hammer will nun das Recht auf Auskunft in etwa 80 Verfahren sowohl behördlich als auch gerichtlich geltend machen. Cobin Claims hofft indes auf eine Vergleichslösung. „Alles andere würde ewig dauern“, so Jaindl. An der Sammelaktion von Cobin Claims zur Causa Parteiaffinitäten haben sich rund 2000 Menschen angeschlossen. Weiters hat die Plattform ein Muster-Schadenersatzverfahren für einen politisch aktiven Steirer sowie Dutzende Verfahren bei der Datenschutzbehörde und beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien initiiert.

Die Anwälte von Cobin Claims berichten darüber hinaus, dass die von der Post zusammengestellten und weiterverkauften Daten nicht immer von guter Qualität gewesen seien. Der Musterkläger sei ein ehemaliger SPÖ-Gemeinderat gewesen, der als FPÖ-affin identifiziert worden sei. Er habe mehrere Jahre darum kämpfen müssen, dass ihm die FPÖ keine Werbung mehr schicke. Auch andere Betroffene hätten sich über die von der Post vorgenommene Zuordnung zu Sinus-Geo-Milieus sehr geärgert.

Daten für den „Mistkübel“
Sinus-Geo-Milieus sind in der Markt- und Sozialforschung ein akzeptierter Standard; für das Gewerbe „Adressverlag und Direktmarketingunternehmen“ der Post sind sie essenziell. „Ich verstehe aber nicht, warum man für die Direktwerbung wissen muss, ob jemand ‘stark mit christlichen Werten verbunden‘ ist oder nicht“, sagte Hammer. „Was hat das mit der Kaufentscheidung zu tun?“ Nach Meinung von Cobin Claims kann die Post nach dem nicht rechtskräftigen Bescheid der Datenschutzbehörde ihre Marketingdaten von Bürgern mit weltanschaulichen Überzeugungen und politischen Meinungen „in den Mistkübel werfen“, wie es Jaindl ausdrückte.

Die Post kann gegen den Spruch der Datenschutzbehörde innerhalb von vier Wochen nach Zustellung eine Beschwerde einlegen.

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