Corona-Gelassenheit

Infektiologe Weiss: Mehr Normalität, weniger Tests

Tirol
29.09.2020 12:42

Trotz zwar stabiler, aber weiterhin hoher Infektionszahlen wünschen sich viele Menschen ein bisschen mehr „alte Normalität“ zurück. Das kann der Innsbrucker Infektiologe und Direktor der Universitätsklinik für Innere Medizin, Günter Weiss, nur unterschreiben - er plädiert für mehr Gelassenheit im Umgang mit dem Coronavirus, warnt vor Alarmismus und mahnt Verhältnismäßigkeit ein: Es gelte, von „überschießenden Ängsten“ wegzukommen. Zudem spricht Weiss, der dem Beraterstab der Corona-Taskforce im Gesundheitsministerium angehört, sich für ein Aus der derzeitigen Teststrategie aus und wünscht sich ein Hin zu einer „symptombasierten Diagnostik“.

Die Devise „Testen, testen, testen“ halte er nicht für zielführend, so Weiss. „Das ist vielleicht fehlinterpretiert worden. Es sollte nicht so sein, dass man die Bevölkerung quer durchtestet oder Gesunde, die nie Kontakt zu einem Infizierten hatten, testet. Die Testung sollte auf einer Verdachtsdiagnose beruhen.“ Zusätzlich sollten noch „Hochrisikokontakte“ und vulnerable Personen in Altersheimen oder auch Krankenhäusern getestet werden. Überdies gelte es, weiter das Augenmerk auf Bereiche zu legen, in denen die medizinische Versorgung nicht so optimal sei bzw. die Menschen nicht diesen optimalen Zugang zur Medizin haben - wie etwa in Flüchtlings- oder Arbeiterwohnheimen.

„Auch andere Patienten gut behandeln“
Die Situation in den Krankenhäusern stellt sich für den renommierten Mediziner nicht alarmierend dar: „Wir sind noch weit entfernt von einer drohenden Überlastung. Es ist wichtig, dass man das Augenmaß behält. Corona-Patienten machen einen nur ganz geringen Prozentsatz unserer Patienten aus.“ Es gehe darum, auch alle anderen Patienten gut zu behandeln, „damit sie die Therapie bekommen, die sie brauchen“, stimmte Weiss mit jüngsten Aussagen des Grazer Allgemeinmediziners und Public-Health-Experten Martin Sprenger überein, wonach man das Virus zwar ernst nehmen, aber „den Scheinwerfer wegnehmen und alle Krankheiten wieder gleich beleuchten“ solle.

„Wenn es so bleibt, kommen wir wahrscheinlich gut durch den Winter“
Dass trotz zuletzt signifikant gestiegener Infektionszahlen die Lage in den Spitälern stabil blieb, erklärte sich Weiss mit „relativ weniger schweren Fällen“, einem Corona-Durchschnittsalter von etwa 37 Jahren und den Erfahrungen, die man gewonnen habe. Das klinische Management habe sich verbessert, es müssten weniger Patienten auf die Intensivstation gebracht werden und falls sie dort landen, sei der Aufenthalt eher von kürzerer Dauer. „Momentan ist das im überschaubaren Bereich“, bilanzierte der Infektiologe. Er rechne zwar damit, dass der Anteil der älteren Patienten wieder anstiegen werde, aber: „Wenn es auf diesem Niveau bleibt, kommen wir wahrscheinlich gut durch den Winter.“

Auch im Hinblick auf die kommende kalte Jahreszeit plädierte Weiss für Rationalität. „Nicht jeder normale Schnupfen sollte sofort einen Alarm auslösen“, betonte er. Wichtig sei daher, die Diagnostik wieder in die Hand der Mediziner zu geben und „endlich wieder zurückzugehen zu den normalen Prinzipien der Medizin“. Dies bedeute, Symptome gehörten bereits - wie bei allen anderen Krankheiten - im niederschwelligen, niedergelassenen Bereich abgeklärt. Das Setzen von diagnostischen Schritten sei eine ärztliche Aufgabe. Wir müssten lernen, „mit dieser Krankheit zu leben“.

Wichtig sei, „dass das soziale und wirtschaftliche Leben erhalten bleibt. Es ist ganz schwierig, wenn ich zwar alles tue, eine Infektion hintanzuhalten, aber den Staat mehr oder weniger an die Wand fahre“, meinte Weiss. Dies sei ein ganz schmaler Grat. Man müsse auch Abstand nehmen von „skurrilen Dingen“ wie etwa dem Ausspritzen von Seilbahnen oder dem Reinigen von Gehsteigen.

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