Kritik an Asylreform

Experte: „Warum sollten EU-Staaten das umsetzen?“

Politik
23.09.2020 16:47

Die neue Asylreform der EU setzt auf rigorose Abschiebungen und weiterhin keine Verpflichtung zur Aufnahme von Flüchtlingen - und wirft für den österreichischen Migrationsforscher Gerald Knaus „mehr Fragen als Antworten“ auf. „Es ist mir nicht klar, was die Interessen der EU-Mitgliedsländer sind, die dazu führen, dass er erstens angenommen und zweitens umgesetzt wird“, sagte Knaus am Mittwoch. „Vieles erscheint mir nicht realistisch.“ Indes begrüßt Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) die Vorlage (Video oben) und sieht einen Schritt in die richtige Richtung.

Knaus sieht die Schlüsselfragen „nicht beantwortet“, etwa was der Plan „konkret“ für das Mittelmeer, Moria oder für die Seenotrettung bedeute. „Eine der Schlüsselfragen einer glaubwürdigen Grenz- und Asylpolitik sind Abschiebungen“, sagte der Migrationsexperte im Gespräch mit der APA. Die Vorstellung, dass Abschiebungen in außereuropäische Länder „jetzt auf einmal besser werden sollen“, erschließe sich ihm nicht. Auch die Idee von den sogenannten Abschiebe-Patenschaften erscheint Knaus „sehr unklar“: weil das Problem nicht in den EU-Ländern liege, sondern meistens bei der Kooperation mit den Herkunftsländern der Asylwerber.

Positiv merkte Knaus die Bedeutung an, die der Pakt den Herkunftsländern zuweise. Dass erkannt wurde, dass Beziehungen zu anderen Ländern der Schlüssel für eine humane Kontrolle der Grenzen seien, sei „sehr wichtig“, sagte der Experte. Er fordert Partnerschaften mit der Türkei und Tunesien - „wir müssen den Ländern etwas anbieten“. Auch „wäre es eine gute Sache“, wenn sich die EU mehr um humanere Aufnahmezentren sowie eine Beschleunigung der Verfahren auf europäischem Boden kümmere.

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Der Teufel steckt immer im Detail und wenn es schiefgeht, führt es zu enormen Problemen wie in Moria derzeit.

Migrationsforscher Gerald Knaus über den neuen Asylpakt der EU

Als Achillesferse des EU-Plans sieht Knaus den Willen der Nationalstaaten, ihn umzusetzen. Ohne Interesse aller beteiligten Staaten - EU-Staaten, Herkunftsländer und Transitländer - werde es nicht gehen, „das haben wir die letzten Jahre gelernt“. Die Interessen stehen sich seiner Meinung nach innerhalb der EU „zum Teil diametral entgegen“. In dem Pakt sei etwa nicht klar, „was gewinnt Österreich oder Deutschland“ dadurch.

Asyl-Grenzverfahren, schnellere Abschiebungen
Der neue EU-Migrationsplan sieht Asylverfahren an den Außengrenzen, schnellere Abschiebungen und die Ernennung eines „Rückführungskoordinators“ vor, wie die Behörde am Mittwoch mitteilte. Bei hohen Flüchtlingszahlen sollen alle Mitgliedsstaaten zu „Solidarität“ mit den Ankunftsländern verpflichtet werden - sei es über die Flüchtlingsaufnahme oder über Hilfe bei Abschiebungen.

ÖVP begrüßt Vorschlag
Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) sowie seine Parteikollegin, Europaministerin Karoline Edtstadler, begrüßten den Vorschlag der EU-Kommission. Es sei „gut, dass es nun endlich einen Vorschlag der Kommission gibt in der schwierigen Frage der Migrationsstrategie“, denn dies sei ein wichtiges Thema, das nur „gesamteuropäisch“ gelöst werden könne. Nun werde die Regierung den Vorschlag der Kommission genau prüfen, kündigte Nehammer an.

Edtstadler betonte zudem, Österreich werde keine weiteren Flüchtlinge aufnehmen. „Jeder Mitgliedsstaat soll seinen Beitrag leisten, aber nur dort, wo er kann, und auf eine Weise, die zumutbar ist. Im Fall von Österreich kann das nicht die Aufnahme weiterer Flüchtlinge bedeuten, sondern beispielsweise Hilfe vor Ort.“

„Mit Abschreckung alleine kann man Flüchtlingsfrage nicht lösen“
Die EU-Parlamentarier reagierten geteilter Meinung auf den Vorschlag. Verfahren zu beschleunigen und neue gemeinsame Hilfsmechanismen zu installieren, sei begrüßenswert. Aber „mit Abschreckung und Abschiebung alleine kann man die Flüchtlingsfrage nicht lösen“, twitterte der Vizepräsident des EU-Parlaments, Othmar Karas, am Mittwoch.

Die grüne Delegationsleiterin Monika Vana warnte, die Situation an den EU-Außengrenzen dürfe sich durch den neuen Migrationspakt nicht weiter verschlechtern. SPÖ-Europaabgeordnete Bettina Vollath meinte: „Wir brauchen ein europaweit einheitliches Asylsystem, das auf Solidarität basiert und von allen Mitgliedsstaaten eingehalten wird.“ NEOS-Abgeordnete Claudia Gamon kritisierte das Fehlen eines echten Verteilmechanismus.

Für die FPÖ forderte Klubobmann Herbert Kickl von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) eine Garantieerklärung, „dass er gegen den Asyl- und Migrationswahnsinn der EU zulasten der eigenen Bürger ein Veto einlegt“. Der EU-Asylpakt werde in einer „Umverteilung von illegalen Migranten quer über Europa“ münden. Das sei der Kern der verpflichtenden Solidarität, die die EU-Kommission einfordere.

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