Journalisten enthüllen

So schwach ist die weltweite Geldwäsche-Bekämpfung

Wirtschaft
20.09.2020 22:18

Nach den Panama und Paradise Papers sind es jetzt die FinCEN Files: Im Kampf gegen internationale Geldwäsche gibt es nach Recherchen eines internationalen Journalisten-Netzwerks nach wie vor erhebliche Defizite. Die am Sonntagabend bekannt gemachten Informationen aus einem Datenleck des US-Finanzministeriums offenbaren, dass Banken aus aller Welt über Jahre hinweg Geschäfte mit hochriskanten Kunden abwickelten.

Trotz strenger Regularien akzeptierten sie mutmaßliche Kriminelle als Kunden und führten für diese Überweisungen in Milliardenhöhe aus. Gemeldet haben sie diese Vorgänge den Angaben zufolge mitunter nur sehr zögerlich und zum Teil mit jahrelanger Verspätung. Dies sei das Ergebnis einer gemeinsamen Recherche mehrerer Medien-Partner, die unter dem Namen FinCEN-Files veröffentlicht wurde. Auch österreichische Institute sind demnach betroffen.

Das US-Online-Medium Buzzfeed News habe die Unterlagen mit dem Journalisten-Netzwerk ICIJ (International Consortium of Investigative Journalists) geteilt und so eine Recherche von 110 Medien aus 88 Ländern ermöglicht, darunter in Österreich das Nachrichtenmagazin „profil“ und der ORF. Insgesamt handelt es sich nach Angaben der beteiligten Medien bei den FinCEN-Files um mehr als 2100 Geldwäsche-Verdachtsmeldungen aus den Jahren 2000 bis 2017. Die Gesamtsumme der Transaktionen liege bei etwa zwei Billionen US-Dollar (aktuell 1,69 Billionen Euro).

„Erschütternder Einblick in globale Geldwäsche“
Das deutsche Netzwerk Steuergerechtigkeit, das seit Jahren Missstände im Kampf gegen internationale Geldwäsche aufzeigt, zeigte sich wenig überrascht über die offengelegten Defizite. Das Datenleck gebe aber „einen erschütternden Einblick in die zentrale Rolle des US-Finanzsystems als Maschinenraum globaler Geldwäsche“, sagte Markus Meinzer von dem Netzwerk der Deutschen Presse-Agentur. Aber auch in Deutschland liege noch vieles im Argen.

Deutschland kommt aktuell im internationalen Kampf gegen Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung eine maßgebliche Rolle zu. Denn im Juli hat Deutschland über das Finanzministerium für zwei Jahre die Präsidentschaft der Financial Action Task Force (FATF) übernommen. Das ist laut Finanzministerium eine internationale Institution, in der Regierungen von 37 Mitgliedsstaaten sowie die Europäische Kommission und der Golf-Kooperationsrat zusammenarbeiten.

Weltgrößte Banken involviert
Einige der weltgrößten Geldhäuser, darunter die Deutsche Bank, JP Morgan und die HSBC, hatten laut den Recherchen sogar dann noch Geschäfte mit zweifelhaften Kunden gemacht, nachdem sie in den USA bereits mangelhafte Präventionsmaßnahmen eingeräumt hatten oder wegen Geldwäsche-Verstößen sanktioniert worden waren. In zahlreichen Fällen unterliefen Banken dem Bericht zufolge dabei offenbar ihre eigenen Standards zur Bekämpfung von Geldwäsche, etwa bei der Überprüfung von Neukunden.

́Das Datenleck bringe auch die Deutsche Bank in Erklärungsnot, hieß es weiter. Nach Einschätzung von US-Ermittlern sollen demnach russische Kriminelle und ein für Terrorgruppen tätiger Geldwäscher unter anderem über die Moskauer Filiale der Deutschen Bank Geld gewaschen haben. Das Finanzinstitut erklärte auf Anfrage von AFP am Sonntagabend, die in Deutschland an den Recherchen beteiligte „Süddeutsche Zeitung“ und ihre Partner hätten „über eine Reihe historischer Themen“ berichtet, die, soweit sie die Deutsche Bank beträfen, den Aufsichtsbehörden bereits bekannt seien. Die Deutsche Bank und andere Bankhäuser hätten anerkanntermaßen bereits mit „Mängelbeseitigung“ reagiert. „Wo nötig und angemessen, haben wir Konsequenzen gezogen“, hieß es in der Stellungnahme weiter.

804 verdächtige Transaktionen in Österreich
Auch österreichische Institute werden laut „profil“ und ORF in den FinCEN-Files genannt. Zwischen 2007 und 2017 registrierten US-Banken mindestens 804 verdächtige Transaktionen in einer Höhe von mehr als einer Milliarde US-Dollar - die entweder bei österreichischen Banken landeten oder von diesen auf die Reise geschickt wurden. Die von den US-Banken als verdächtig eingestuften Transaktionen involvierten unter anderem UniCredit Bank Austria, Erste Group, Bawag, Raiffeisen Bank International, Meinl und den Österreich-Ableger der russischen VTB, so ORF und „profil“.

Die mittlerweile insolvente Meinl Bank und deren frühere Antigua-Operation spielen eine besondere Rolle. Das hat mit deren Verwicklung in den Schmiergeldskandal rund um den brasilianischen Baukonzern Odebrecht zu tun. Die US-Reports dokumentieren verdächtige Transaktionen der Meinl Bank Antigua von insgesamt 188 Millionen US-Dollar (knapp 160 Millionen Euro), ein Teil davon lief auch über die Raiffeisen Bank International. Dass die Meinl Bank Antigua in den Odebrecht-Skandal verwickelt ist, steht schon seit einigen Jahren fest. Doch Vertreter der Meinl Bank in Wien bestritten immer, Bestechungsgelder wissentlich weitergeleitet zu haben. 2016 hatte die Bank selbst, nachdem der Skandal medial bekannt geworden war, eine Geldwäscheverdachtsmeldung erstattet, auch wenn sie inhaltlich nicht besonders umfangreich ausgefallen ist.

Auch Raiffeisen Bank unter Verdacht
Ebenfalls involviert war laut den Dokumenten die Raiffeisen Bank International. Zwischen Ende 2013 und 2015 sollen es hier mindestens 54 Millionen Dollar (rund 45 Millionen Euro) in 102 Zahlungen gewesen sein. Ob auch Raiffeisen eine Geldwäschemeldung erstattet hat, ließ die Bank auf Anfrage von ORF und „profil“ offen: Aufgrund des Bankgeheimnisses sei man nicht dazu berechtigt, „Angaben zum Bestand oder Nicht-Bestand einer Geschäftsbeziehung oder zu einzelnen Transaktionen zu machen“, hieß es zunächst von einer Sprecherin. Selbstverständlich würde die Bank „alle gesetzlichen Verpflichtungen einhalten“. Und weiter: „Wir melden Verdachtsfälle und wir beenden auch Beziehungen, wenn entsprechende Verdachtsmomente bestehen.“

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