Hassposting-Gesetz:

Wenn nicht gelöscht wird, drohen 10 Mio. € Strafe

Digital
03.09.2020 10:13

Hass und Hetze im Internet will die Regierung mit einem neuen Gesetz den Kampf ansagen. Am Donnerstag stellten Justizministerin Alma Zadic (Grüne), Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP), Frauenministerin Susanne Raab (ÖVP) und die grüne Klubobfrau Sigrid Maurer das lang ausgehandelte Gesetz endlich vor. In vielen Belangen gleicht es dem deutschen Netzdurchsetzungsgesetz (NetzDG), das Plattformen wie Facebook zu zuverlässiger Moderation seiner Inhalte zwingen soll. Für viele Plattformen gibt es Ausnahmen - die Bürgerrechtlern allerdings nicht weit genug gehen.

Das neue Gesetz - der Gesetzestext liegt bereits am Internetportal der EU-Kommission vor - soll für alle Internetseiten gelten, deren Hauptzweck der Austausch von Nachrichten, Videos, Bildern oder Audio-Files ist und die in Österreich mindestens 100.000 Nutzer und mehr als eine halbe Million Euro Umsatz haben. Ausnahmen gibt es für nicht gewinnorientierte Plattformen wie Wikipedia, für Zeitungsforen und Preisvergleichs- sowie Auktionsportale.

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Das vergiftet die Gesellschaft, wenn rechtswidrige Inhalte auf den Plattformen stehen bleiben, und ist für die Betroffenen enorm belastend.

Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP)

Zadic war zuletzt selbst Opfer von Hass im Netz geworden: Die werdende Mutter erhielt Morddrohungen. Raab und Maurer - Maurer bekanntlich ebenfalls selbst Opfer von Online-Belästigung - erklärten, mit dem Gesetz wolle man in besonderer Art und Weise junge Frauen schützen, die online besonders häufig Opfer von Hass werden. Sie sollen sich künftig mit geringen Kosten gegen Online-Hetze und sexuelle Belästigung im Internet zur Wehr setzen können. Edtstadler über Hass im Web: „Das vergiftet die Gesellschaft, wenn rechtswidrige Inhalte auf den Plattformen stehen bleiben, und ist für die Betroffenen enorm belastend.“

Plattformen per Strafandrohung zu schneller Löschung verpflichtet
Das Gesetz enthält einen Katalog von 15 Straftaten - etwa Stalking, Hetze, Nötigung oder Herabwürdigung religiöser Lehren. Social-Media-Nutzer, die Opfer werden, sollen nach dem Willen der Ministerinnen über eine verpflichtende Meldestelle beim sozialen Netzwerk Inhalte beanstanden können. Sind diese offenkundig illegal, muss das soziale Netzwerk sie binnen 24 Stunden löschen, bei juristisch komplizierteren Fällen haben die Plattformbetreiber eine Woche Zeit. Kommen die Plattformen dem nicht nach, drohen zehn Millionen Euro Strafe.

Bis zu ein Jahr Haft für „Upskirting“
Unter Strafe - bis zu ein Jahr Haft - gestellt wird zudem das sogenannte Upskirting, berichtete Frauenministerin Raab (ÖVP).

RTR und KommAustria sollen Streitfälle schlichten
Bei Streitfällen, ob ein Inhalt rechtswidrig ist, sind die Rundfunk- und Telekomregulierungsbehörde RTR und die Kommunikationsbehörde KommAustria als schlichtende Stellen vorgesehen. Die Behörden sollen von den Social-Media-Plattformen im Rahmen einer Berichtspflicht auch laufend über ihre Bemühungen gegen Hass im Netz informiert werden.

Damit internationale Plattformen wie Facebook und Twitter für die Justiz tatsächlich greifbar werden, brauchen sie künftig - wie beim deutschen NetzDG - einen Zustellungsbevollmächtigten in Österreich. Hier sieht das neue Gesetz strikte Sanktionen vor, wenn dieser Bevollmächtigte nicht „jederzeit“ für die Justiz verfügbar ist. Ist dies nicht der Fall, sind 10.000 Euro Strafe für den Plattformbetreiber oder - wenn der nicht greifbar ist - 50.000 Euro für den Bevollmächtigten vorgesehen.

Bürgerrechtler fürchten Probleme für Start-ups
Von Datenschützern und Bürgerrechtlern wird kritisiert, dass das Gesetz zwar große internationale Player wie Facebook oder Google im Visier habe, aber auch kleinere Websites Probleme bekommen könnten. Der administrative Mehraufwand könnte gerade bei kleinen Start-ups zum Problem werden und dafür sorgen, dass diese lieber auf nutzergenerierte Inhalte verzichten, kritisiert die Datenschützer-NGO epicenter.works.

Unklarheiten bei Rezept-Seiten oder Online-Rollenspielen
Sie bemängelt außerdem, dass die von dem Gesetz abgedeckten Plattformen zu breit definiert sind und die Ausnahmen viele Online-Dienste nicht abdecken - etwa Rezept-Plattformen, Open-Source-Entwicklerforen oder Online-Rollenspiele wie „World of Warcraft“, die streng nach Definition ja auch Austausch von Nachrichten, Videos, Bildern oder Audio-Files erlauben.

Telekom-Provider: „Schadet der europäischen Wirtschaft“
Das neue Gesetz soll in den kommenden Wochen in Begutachtung gehen und wird auch noch bis zu drei Monate auf EU-Ebene begutachtet. Brüssel arbeitet indes an einer EU-weiten Lösung. Die wäre auch dem Verband der heimischen Telekom-Provider lieber: Man unterstütze natürlich den Kampf gegen Hass im Netz, erklärte ISPA-Generalsekretär Maximilian Schubert nach Vorlage des Gesetzes. Er kritisiert aber: „Eine national betriebene Fragmentierung zeugt von einem schockierenden Mangel an Vertrauen in die Arbeit der EU-Institutionen, läuft somit dem europäischen Gedanken zuwider und schadet der europäischen Wirtschaft.“

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