K(n)ackpunkt Emission

Garten wurde für Zwergschafe zum Sperrgebiet

Tirol
27.08.2020 12:00

„Karl“ und „Peppi“ hätten die beiden Zwergschafe heißen sollen, die jüngst in Helmut Sonnwebers Garten im Tiroler Pettnau zogen. Doch bevor die beiden Mini-Schäfchen richtig ankamen, waren sie schon wieder weg. Denn auf einem Baugrund darf kein Schaf wohnen - auch wenn es noch so klein ist. Der Grund: die Häufchen der Tiere.

März 2020, Corona beherrscht die Welt, über ganz Tirol wird ein Lockdown verhängt. Regale in Supermärkten sind leer geräumt, Politik und Landwirtschaft appellieren, regional zu kaufen. Helmut Sonnweber ist Ingenieur, arbeitet zu dieser Zeit im Home-Office. Der 47-Jährige hat ein Haus in der Oberländer Gemeinde Pettnau. Zu seinem Grundstück zählt ein großer Garten, leicht abschüssig in einem Hang. Sonnweber mäht die Fläche mit der Sense, in Schubkarren bringt er das Gras zu benachbarten Bauern.

„Ich wollte schon immer Tiere haben“, erzählt er. Ein Wunsch, der während der Quarantäne wuchs. „Man macht sich Gedanken über die Versorgung in Krisenzeiten“, sagt der 47-Jährige, „will sich besinnen auf Natur und Tier.“ Der Ingenieur fasst schließlich einen Entschluss: Zwergschafe sollen in seinen abschüssigen Garten ziehen.

„Die Tiere sind effiziente Bio-Rasenmäher“, schmunzelt Sonnweber. Seine Sense hätte ausgedient - die Seele gewonnen. „Denn Zwergschafe sind wirklich ,liab’“, sagt der Tiroler. Tatsächlich werden sie unter anderem auch als Therapieschafe eingesetzt.

Zwergschafe brauchen relativ wenig Platz
Auch die Nutzung als ökologischer Rasenmäher ist weitverbreitet. „Wegen ihrer geringen Größe von maximal einem halben Meter Höhe bietet sich die Rasse zudem für relativ kleine Flächen an, weshalb sie sich immer größerer Beliebtheit erfreut“, lässt sich im Internet nachlesen.

„Perfekt“, denkt sich der Mann und erkundigt sich bei befreundeten Bauern, ob er bei ihnen Gras erwerben könnte, sollte den Bio-Rasenmähern der Rasen ausgehen - und ob er Mist entsorgen dürfte. Er baut einen kleinen Stall, erkundigt sich über die Haltungsbedingungen - und kauft dann zwei „liabe“ Zwergschafe.

Auf Baugrund sind keine Nutztiere erlaubt
Doch das Glück sollte nicht lange währen: Der Garten, in dem die beiden wohnen sollen, ist kein Mischgebiet, sondern Baugrund - Nutztierhaltung ist untersagt. Die Tiere müssen wieder weg. Es beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit: „Ich habe alle benachbarten Bauern gefragt, ob sie sie nehmen können. Aber auf die Schnelle war das schwierig. Die letzte Instanz wäre der Metzger gewesen“, erzählt er.

Zum Glück stellte eine Nachbarin Sonnwebers den rettenden Kontakt zum Wiesenhof in Innsbruck her, Landwirt Marco Hopfgartner nimmt die Tiere auf. Die Kinder am Hof taufen sie um: „Wolli“ und „Filzi“ gliedern sich in eine kleine Ziegenherde ein.

Happy End für Schafe - nicht für Sonnweber
Doch während es für die Schafe ein Happy End gab, leidet Sonnweber unter seinem leeren Garten: „Ich kann nicht nachvollziehen, dass ich auf meinem eigenen Grund nicht machen darf, was ich will“, sagt er - und fragt: „Warum darf ich einen Hund halten, aber kein Zwergschaf?“

„Wo hört Nutztier auf und Haustier beginnt?“
Tatsächlich gibt es einen Trend hin zu Mini-Versionen von Nutztieren: Zwergschafe, Zwergponys, Mini-Schweine. „Sind das noch Nutz- und keine Haustiere?“, fragt Sonnweber. Die Antwort findet sich nicht (nur) im landwirtschaftlichen Schulwesen, sondern in der Raumordnung. Und den Unterschied - den macht das Häufchen.

Denn für Zwergschafe - sind sie noch so klein - brauche man einen Misthaufen, heißt es aus der Fachabteilung Raumordnung des Landes Tirol. Den brauche man für Hund, Katz und Co. nicht. Der Knackpunkt sei die Emission. „Das Ziel der Raumordnung ist es, Nutzungskonflikte zu vermeiden. Deshalb gibt es für verschiedene Widmungen verschiedene Regeln“, erklärt eine Expertin.

„Am Baugrund darf man wohnen und Haustiere, die zur Wohnnutzung passen, halten.“ Am Mischgrund seien mehr Emissionen erlaubt, am landwirtschaftlichen sowieso. Für Sonnweber stinken nicht die Tiere, sondern die Regeln zum Himmel: „Alle wollen Regionalität, aber riechen und sehen darf man sie nicht.“

Letzte Hoffnung: Grund umwidmen lassen
Ganz verloren ist die Hoffnung dennoch nicht: Will Sonnweber seine Schafe zurück, muss er seinen Grund umwidmen lassen - „das ist prinzipiell möglich“, heißt es dazu vom Land. „Er kann mit diesem Wunsch zum Gemeinderat gehen, dann wird ein Gutachten erstellt, ob sich die Fläche als Mischgebiet eignen würde“, erklärt die Expertin. Gibt der Gemeinderat seinen Segen, können die Zwergschafe in den Garten zurück.

Anna Haselwanter
Anna Haselwanter
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