Filzmaier analysiert

Die FPÖ: Abwärtsspirale oder Wiederaufschwung?

Politik
15.08.2020 13:27

In der „Krone“-Serie zur Lage aller Parlamentsparteien von Professor Peter Filzmaier geht es diesmal um die FPÖ. Was für einen Unterschied da ein Jahr macht: bis Mai 2019 noch Regierungspartei, 2020 stellt sich die Sinnfrage.

Die FPÖ hat nicht einmal ein Wahlziel. Andreas Mölzer - rechtes Urgestein und lange Zeit so etwas wie Chefideologe der Freiheitlichen - analysierte in Interviews, dass man an guten Tagen ein Drittel der Stimmen verliert. Ist der Tag für die FPÖ schlecht, wird es die Hälfte oder mehr.

Rechnerisch stimmt das für alle Wahlen im und nach dem Ibiza-Jahr. Laut Mölzer wird es da für eine Änderung viele Jahre dauern. Doch andauernde Verluste kann eine Partei nicht als Parole ausgeben, um nachher mit den verbliebenen Anhängern die Zielerreichung zu bejubeln.

Kaum eine Chance auf Mitgestaltung
Zugleich geht es um mehr als das bei allen Parteien übliche Verkünden von taktischen Wahlzielen, um nachher das Ergebnis schönzureden. Manche Politiker mögen bloß Posten und ein Mandat als ruhige Kugel zum Ziel haben. Genauso gibt es Wähler, die allein Proteststimmen abgeben. Die Zielsetzung einer Partei und derer, die sie ernst nehmen, muss es allerdings sein, politisch mitzugestalten. Die Chancen der FPÖ dafür tendieren mittelfristig gegen null.

Niemand will die FPÖ derzeit als Koalitionspartner. Weder im Bund noch in Wien. Zu groß waren die Turbulenzen des Vorjahres, und diese sind nicht abgeschlossen. Denn für eine Spesenaffäre des Ex-Parteichefs etwa braucht es ja eine Partei, die ihm das Geld zahlte.

Wer weiß, welche Schmutzwäsche Heinz-Christian Strache und die FPÖ noch gegeneinander waschen? Wie glaubwürdig ist man zudem „gegen die da oben“, wenn man es während der eigenen Regierungszeit bei Postenvergabe & Co. um nichts besser getrieben hat?

Ex-FPÖ- wurden zu Nichtwählern
Es ist freilich nicht so, dass enttäuschte Wähler andere Parteien automatisch besser finden. Bei der Nationalratswahl 2019 sind 235.000 ehemalige FPÖ-Wähler ins Nichtwählerlager gewandert. Kritiker der FPÖ machen es sich viel zu leicht, wenn sie die Partei abschreiben. Im Lauf ihrer Geschichte haben die Blauen viele Höhen und Tiefen erlebt. Das Ergebnis bei der Nationalratswahl von 2019 bedeutete den zweitgrößten Verlust nach 2002, liegt aber im Mittelfeld aller Ergebnisse der FPÖ.

Größte Gefahr wäre Parteigründung
Eine echte Gefahr für die FPÖ wäre bloß eine Parteigründung, die dasselbe Zielpublikum anspricht. Sonst steigen die Freiheitlichen irgendwann wieder in den Umfragen, ob nun mit Norbert Hofer als Chef oder nicht. Wann immer Bundesregierungen zunehmend unpopulär wurden, war die FPÖ zur Stelle und erholte sich durch Aufsammeln der Stimmen frustrierter Regierungswähler. Nur wenn man selbst regierte, ging die Sache furchtbar schief.

Auf lange Sicht stehen die Chancen der FPÖ für den Wiederaufschwung sogar ziemlich gut. Früher wurde gesagt, Blauwähler wären Modernisierungsverlierer. Das bezog sich auf Wählergruppen, die von der Entwicklung Österreichs nicht profitierten, sondern sich von den Jobchancen über Einkommen und Sozialleistungen bis zu Sicherheitsängsten benachteiligt sahen. So ein Wählertyp verschwindet nicht plötzlich.

Verschwörungstheoretiker als Zielgruppe
Warum sollte es der FPÖ nicht gelingen, viele „Coronaverlierer“ anzusprechen? Gemeint sind nicht Erkrankte und nicht, dass es bei einer Pandemie sowieso keine Gewinner gibt. Doch absurde Verschwörungstheoretiker, dass es das Coronavirus a) gar nicht gibt, b) von Bill Gates oder sonst wem erfunden wurde oder c) angeblich durch 5G-Strahlungen entsteht, die nimmt man als Stimmvieh nebenbei gerne mit.

Was wichtiger ist: Wir alle haben durch das Virus eine schwierigere Lebenssituation, doch auch sehr vernünftige Menschen sind oder fühlen sich schlimmer betroffen als der Rest. Die geben früher oder später den Regierungsparteien die Schuld. Das bringt Hunderttausende Stimmen. Anhänger der FPÖ sind laut der Studie „Demokratieradar“ der Universitäten Krems und Graz überdurchschnittlich oft - zu 56 Prozent - der Meinung, dass es „Menschen wie ich“ immer schwerer hätten in Österreich und sich ihr Geld besonders genau einteilen müssten.

In Wien ist Debakel zu erwarten
Das schlechteste Teilergebnis erzielte die FPÖ bei der vorjährigen Nationalratswahl in Wien mit weniger als 13 Prozent der Stimmen. Dumm gelaufen, dass im Oktober die nächste größere Wahl in der Bundeshauptstadt stattfindet. Im Prinzip haben Dominik Nepp & Co. sich mit einem Debakel abgefunden. Der Wahlkampf wird als Routineprogramm für hartgesottene Anhänger abgespult.

Die Mutter aller Schlachten für die FPÖ findet eher 2021 in Oberösterreich statt. Dort hat man mit rund 30 Prozent der Stimmen ein ähnlich gutes Ergebnis zu verteidigen und eine Regierungsbeteiligung zu verlieren. Es ist die letzte der FPÖ. Bis dahin also muss sich die Partei erholen, oder Andreas Mölzer hatte recht.

Peter Filzmaier, Kronen Zeitung

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