Tirol: Helfer am Limit

Bergrettung kann sich vor Einsätzen kaum retten

Tirol
11.08.2020 11:55

Zwei Tage, 112 Einsätze im alpinen Gelände, so die Bilanz der Leitstelle Tirol vom vergangenen Wochenende - und es scheint kein Ende zu nehmen. Corona verstärkt, wie berichtet, den Bergsportboom. Die Helfer können sich vor Einsätzen kaum noch retten. In den Reihen der Ehrenamtlichen beginnt es zu brodeln.

Zwei Menschen sind am Wochenende in Tirols Bergen tödlich verunglückt, die „Krone“ berichtete über die Unglücke in den Stubaier Alpen und in Kappl. Hinzu kommen zahlreiche verletzte, müde und erschöpfte Bergsportler. Noch am Sonntagabend um 21.30 Uhr rückte die Bergrettung Axams aus, um eine Einheimische (39) zu retten, die auf dem Weg von der Schafalm in Richtung Axamer Lizum gestürzt war und das Bewusstsein verloren hatte.

Neben Notarzt, Sanitätern und Polizei machten sich 14 ehrenamtliche Bergretter auf den Weg, um die stark unterkühlte Frau zu bergen. Für viele Freiwillige beginnt und endet der Tag aktuell genau so - sie befinden sich im Dauereinsatz.

Im Juli kam es zu mehr als 500 Einsätzen
Alleine im Juli ist die Bergrettung heuer 508-mal ausgerückt - zum Vergleich: Im vergangenen Jahr gab es im selben Monat 389 Einsätze. Im August waren es heuer bereits 174. Dabei sind bei diesen Zahlen die Einsätze, bei denen Verletzte ohne Bergrettung - etwa mittels Notarzthubschrauber - geborgen werden, nicht mit eingerechnet.

„Zwei bis drei Einsätze einer Ortsstelle pro Tag sind häufig zu verzeichnen, nicht nur an Wochenenden, auch wochentags“, schildert Landesleiter Hermann Spiegl.

Man spüre den „Corona–Effekt“, viele Menschen seien in den Bergen, die es ansonsten nicht sind. Bei ihnen fehle „das Gespür für das Gebirge“, sagt Spiegl. Die Folge: Spitzentage mit 35 Einsätzen, wie etwa am 5. Juli oder am 1. August.

Es beginnt zu kochen
Für die Bergretter, die allesamt ehrenamtlich arbeiten, wird das zum Spießrutenlauf. „Wir setzen aktuell auf Nachbarschaftshilfe“, erklärt der Landesleiter. Das heißt, Einsätze werden von der einen zur anderen Ortsstelle weitergegeben - „wir sehen keine andere Möglichkeit mehr“, sagt der Retter. Doch es beginne in den eigenen Reihen zu brodeln.

Denn während es früher hauptsächlich „klassische Bergsteiger-Einsätze“ gab, ist heute „ein ganzes Sammelsurium an Erholungssuchenden im Gebirge unterwegs“ - Bergsteiger, Wanderer, Kletterer, E- und Mountainbiker, Downhiller, sie alle müssen gerettet werden, wenn sie sich verletzen. Oder noch häufiger: nicht mehr weiterkommen.

Alles auf Freiwilligkeit abzuwälzen gehe nicht
„Wir versuchen, das alles abzudecken“, sagt Spiegl, doch man müsse „die Touristiker dazu bringen, nicht mehr alles auf die Freiwilligkeit abzuwälzen, weil das wird nicht mehr gehen“.

In Sölden, wo es mit Abstand am meisten Einsätze gibt, gibt es vier hauptamtliche Retter, die im Bike-Park arbeiten. Solche „Mischkonzepte“ werde es in Zukunft mehr brauchen. Denn auch die Ortsstellen Lienz, Kufstein, Mayrhofen, Innsbruck stoßen an ihre Grenzen. Und wenn die Retter nicht mehr retten können - was dann?

Anna Haselwanter
Anna Haselwanter
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