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Das Unmögliche versuchen

Salzburg
09.08.2020 07:00

Musik-Weltstar und „Krone“-Kolumnist Martin Grubinger schreibt über ein vergessenes Thema.

Am 28. Februar 1966 landet ein israelischer Pilot mit dem Flugzeug „Shalom 1“ im ägyptischen Port Said. Er wird dort prompt festgenommen. Sein Wunsch, dem damaligen ägyptischen Präsidenten Gamal Abd el Nasser seine Botschaft des Friedens zu überreichen, wird von diesem brüsk abgelehnt. Der israelische „Abenteurer“ wird in seine Heimat zurückgeschickt und dort wegen illegalen Grenzübertritts festgenommen.

Willkommen war diese Friedensbotschaft in keinem der damals noch verfeindeten Staaten. Und doch hat Abie Nathan, der nach dieser spektakulären Aktion sein Leben der Botschaft des Friedens widmen sollte, ein Zeichen gesetzt. Ein Zeichen, das uns ein Beispiel sein könnte: das Undenkbare wagen, das Unmögliche versuchen.

Erfahren hatte ich von Abie Nathan durch die Dirigenten-Legende Zubin Mehta. Nach einem gemeinsamen Konzert in München hat er mir ausführlich von ihm erzählt. Ich werde den Abend nie vergessen. Es war die amerikanische Wahlnacht 2016 mit dem für viele überraschenden Sieger Donald Trump. Dessen Wahl hatte der Botschaft des Humanismus einen schweren Schlag versetzt.

Über das Wort Frieden hatte ich lange nicht mehr nachgedacht. Es schien eine Utopie zu sein, ein naiver Gedanke, der in aller Schnelligkeit zu keinem greifbaren Ergebnis führen würde. Uns wurden in den vergangenen Jahren von den Marketing-Gurus der Politik andere Begriffe eingehämmert: Grenzen dichtmachen, Rechtsstaatlichkeit in Frage stellen, Minderheiten entweder zu Feindbildern stilisieren oder diese gleich kriminalisieren. Die Botschaft des Friedens spielte keine Rolle mehr.

Dass mehr Frieden und die Lösung internationaler Konflikte mehr Sicherheit für uns bedeuten würde, wurde geflissentlich übersehen. Die Politik braucht Feindbilder - nur so kann man uns gegen die „anderen“ emotionalisieren.

Unlängst hörte ich auf Ö1 eine Sendung mit dem wunderbaren Theologen Paul Zulehner. Die Moderatorin Renata Schmidtkunz hatte eine entwaffnend einfache Frage: „Warum haben wir aufgehört, über das ,Thema Frieden’ nachzudenken, darüber zu diskutieren, an Lösungen zu arbeiten?“ Sie hat mich mit dieser Frage kalt erwischt.

Denn Thema war das tatsächlich seit Jahren keines mehr. Gewiss, Politiker im rechten, nationalistischen oder national-konservativen Spektrum hatten daran nie ein besonderes Interesse. Das widerspricht wohl der Grundhaltung dieser Parteien. Zuversicht hatte man selten zu bieten.

Aber auch die Sozialdemokratie hat dieses Thema aufgegeben. Initiativen zur Lösung globaler Konflikte, auch zum Wohle Österreichs wie bei Asylfragen und der Flüchtlingspolitik, sucht man vergebens. Stattdessen liest man das Interview eines Landeshauptmanns, der in seiner Partei so gerne so viel wichtiger sein möchte, aber seinen Wählern im östlichsten Bundesland Österreichs im Wort steht.

Auf die Frage, ob man nicht Kinder in den griechischen Flüchtlingslagern oder Asylwerbern, die eine Lehre in Österreich abgeschlossen haben, die Möglichkeit zur - zumindest vorübergehenden - Bleibe bieten solle, antwortete dieser mit einem klaren „Nein“. Sein Argument: Es gebe dafür keine rechtliche Basis. Na, Bravo! Wenn das die Position der Sozialdemokratie zu humanitären Notsituationen sein soll, dann kann man die sozialdemokratische Geschichte gleich einäschern. Haben Kinder in Flüchtlingslagern kein „Recht“ auf ein selbstbestimmtes, würdevolles Leben? Ist die Menschenrechtsdeklaration der Vereinten Nationen keine rechtliche Basis, weil es einem auf der Suche nach Wählern nicht passt?

Viele glauben, man müsse sich der scheinbaren Mehrheitsmeinung, für die Politik mundgerecht von der Presse aufbereitet, für Wahlerfolge unterordnen. Ich behaupte: Das Gegenteil ist der Fall. Menschen schätzen Mut, Rückgrat und ja, auch Herzenswärme. „Nissiti“ steht auf Abie Nathans Grabstein: „Ich habe es versucht.“

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