Monatelang geschlossen

„Das Sterben der Clubs wird nur verlangsamt“

Österreich
26.07.2020 12:25

Sie sind seit Monaten geschlossen - und ohne Hilfe vielleicht für immer. Österreichs Discos liegen im Sterben. Doch das Feiern kann man den Menschen nicht einfach austreiben.

Der Geruch durchgetanzter Nächte liegt noch in der Luft, als sich die Türen zum A-Dance-Club in der Wiener Millenium City öffnen. Doch statt Bässen schlägt einem Stille entgegen - laut, fast aufdringlich klatscht sie einem ins Gesicht. Seit 8. März ist die Disco geschlossen - und das wird wohl noch lange so bleiben. Denn mit steigenden Infektionszahlen und verschärften Maßnahmen rückt eine Verlängerung der erlaubten Öffnungszeiten in die Ferne.

Ein ganzes System steht am Rande des Ruins
„Am Ende des Jahres gehen die Lichter für immer aus“, sagen Holger und Roger Pfister, die Inhaber der zwei größten Clubs der Hauptstadt. Sie betreiben den Prater Dome und ihre heiligen Hallen in der Millenium City. 152 Mitarbeiter würden in beiden Discos normalerweise dafür sorgen, dass Tausende Menschen feiern können. „Hinzu kommen DJs, Securitys, Reinigungskräfte“, sagen die Pfisters. Sie alle hängen an einem System, das alleine in Wien jährlich eine Milliarde Euro erwirtschaftet - und nun vor dem Aus steht. 60 Mitarbeiter sind in Kurzarbeit, „sie sitzen zu Hause, wissen nicht mehr, was sie mit ihrer Zeit anfangen sollen“. Zudem fehlen Trinkgeld und Nachtzuschläge - für viele ein Balanceakt am Rande des finanziellen Ruins.

Den A-Dance-Club gibt es seit 17 Jahren. Man habe Rücklagen - doch langsam werde es eng.„ 25 Prozent Differenz bei den Fixkosten jeden Monat“, sagt Holger Pfister, „bei null Prozent Umsatz.“ Die Disco-Brüder haben mit weiteren 150 Leidensgenossen den VÖNG gegründet - den Verein Österreichischer Nachtgastronomen, der auch mit der Regierung verhandelt.

„Wir brauchen die 100 Prozent Fixkostenzuschuss“
Die zentrale Forderung: ein 100-prozentiger Fixkostenzuschuss, auch rückwirkend. Ansonsten drohe ein Kahlschlag für die heimische Club-Szene. Länger als bis zum Jahresende würden sie keinesfalls durchhalten - dabei seien sie noch in einer guten Position. „Es wird zu zahlreichen verschleppten Insolvenzen kommen“, sagen die Gastronomen.

Denn viele kleine Clubs straucheln jetzt schon massiv. Konrad Wolfgang vom Dachsbau in Innsbruck beantragte gerade den zweiten Kredit, „bis dieser genehmigt ist, sind wir wahrscheinlich sieben Monate geschlossen und können den dritten beantragen“, schildert er. Wie all das zurückbezahlt werden soll - er weiß es nicht: „Jeden Monat verbrennen wir Geld.“

Zitat Icon

Wir versuchen, so lange zu überleben, wie es geht. Aber mit den Fixkosten verbrennen wir jeden Monat Geld – und haben keine Ahnung, wann wir wieder etwas einnehmen werden.

Konrad Wolfgang, Club Dachsbau in Innsbruck

Der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter machte den Gastronomen indes kaum Mut. Er zeigte sich skeptisch gegenüber der Wiederöffnung von Diskotheken und Après-Ski-Bars im Herbst oder Winter: „Ich bin der Meinung: Das wird sich die Bundesregierung genau überlegen müssen.“

„Wir sind uns unserer Verantwortung bewusst“
Das scheint sie auch zu tun. Am 1. August ist eine Evaluierung der Situation geplant. Doch die Gastronomen selbst glauben nicht mehr daran, dass das heuer noch etwas wird. Dabei liegen die Konzepte bereit. „Wir sind uns der Verantwortung bewusst, Menschen sicher durch die Nacht zu bringen“, sagt Gregor Imhof vom Wiener Club Sass.

Die gewerblichen Auflagen in Österreich seien extrem hoch - das komme den Clubs nun zugute. Die Lüftung im Sass tauscht die Raumluft alle zehn Minuten aus, jene im A-Dance-Club alle vier. „Am Eingang Maskenpflicht, Einlass von nur 60 Prozent der Kapazitäten, der Geschirrspüler läuft auf über 80 Grad, und wir würden die Kontaktdaten der Gäste einsammeln“, erklärt Imhof das Konzept. So bringe man die Menschen aus den Kellern und von den Straßen, wo Contact Tracing unmöglich sei.

Die illegalen Partys stoßen den Gastronomen sauer auf. Niemand wolle um jeden Preis öffnen, jeder habe Verständnis für die Gesundheitsmaßnahmen. Aber die Bilder vom Donaukanal, die Nachrichten von einer Party mit tausend Menschen in der Innsbrucker Sillschlucht - die lassen sie schlucken.

Bei expliziten Regeln für die Nachtgastro brauche es auch explizite Hilfen, sind sich alle einig. Aktuell werde „das Sterben verzögert, nicht verhindert“, sagt Imhof. „Aber die Menschen brauchen ein Ventil, man kann ihnen das Feiern nicht austreiben.“

Anna Haselwanter, Kronen Zeitung

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