SPÖ-Kritiker sinnieren

„Er ist für jedes Amt in der Republik geeignet“

Politik
26.07.2020 06:00

Die wahrscheinlich prominentesten internen Kritiker der SPÖ-Spitze tun sich zusammen: Hans Peter Doskozil und Max Lercher sinnieren über Ärgernisse und notwendige Änderungen in ihrer gebeutelten Partei.

„Krone“: Doskozil und Lercher, Seite an Seite, das gab’s bisher nicht. Eine neue SPÖ-Allianz?
Hans Peter Doskozil: Wir verstehen uns persönlich sehr gut und sind uns grundsätzlich über die Ziele der Sozialdemokratie einig. Außerdem habe ich die Art und Weise, wie er die Funktion des Bundesgeschäftsführers damals angelegt hat, sehr positiv empfunden. Mit Christian Kern habe ich in dessen Zeit als Kanzler vielleicht drei- oder viermal geredet, wenn überhaupt. In dieser Situation war Max Lercher ein wichtiger Ansprechpartner. Er hat den Job im Vergleich zu anderen gut gemacht.

„Krone“: War es ein Fehler der Parteispitze, ihn abzuberufen?
Doskozil: Jeder trifft seine Personalentscheidungen. Aber wäre ich dort verantwortlich, hätte Max Lercher sicher eine wesentlich wichtigere Rolle als jetzt.

Wäre Doskozil denn ein guter SPÖ-Chef, Herr Lercher?
Max Lercher: Darüber brauchen wir gar nicht zu diskutieren! Er hat im Burgenland die absolute Mehrheit gewonnen und verfügt über unglaublich starke Vertrauenswerte in der Bevölkerung. Er ist für jedes Amt in unserer Republik geeignet. Die SPÖ braucht vertrauenswürdige Personen. Wir haben zuletzt viele Menschen verloren, weil wir nicht glaubwürdig sind.

Wollen Sie denn Kanzlerkandidat der SPÖ sein?
Doskozil: Wenn man politisch denkt und die Sozialdemokratie weiterbringen will, kann es ja nur das Ziel sein, die eigenen Ideen und Inhalte durchzubringen. Beispiel Mindestlohn: Es stört mich, dass wir darüber in Österreich nur diskutieren, im Burgenland haben wir ihn auf Landesebene umgesetzt.

Das war jetzt nicht gerade eine Absage. Das Umsetzen eigener Ideen geht als Bundesparteichef leichter, oder?
Doskozil: Ja, aber ich bin jetzt dem Burgenland verpflichtet. Die Funktion, die ich innehabe, erfülle ich. Da geht es um Glaubwürdigkeit. Mittelfristig stellt sich die Frage für mich also nicht.

Die Wahl im Burgenland stilisierten Sie zur Richtungswahl in der SPÖ hoch. Das ist ein halbes Jahr her. Doch selbst in den Ländern, die die SPÖ regiert - etwa Kärnten -, wurden Ihre Prestigeprojekte à la Mindestlohn bisher nicht eingeführt. Ärgert Sie das?
Doskozil: Natürlich ärgert mich das. Nehmen wir den Portier mit 1200 Euro im Monat: Wenn der im Fernsehen hört, dass wir Sozialdemokraten dafürstehen, dass man sich von seinem Gehalt was leisten können muss, dann wird sich der denken: Was reden die da eigentlich für einen Blödsinn?

Sie wollen also 1700 Euro netto als Mindestlohn - per Gesetz und nicht über Kollektivverträge verhandelt?
Doskozil: Erreicht man’s über Kollektivverträge nicht, dann eben gesetzlich. Man darf zudem eines nicht vergessen: Wenn jemand - rein hypothetisch - sein Leben lang zu einem Lohn von 1700 Euro arbeitet, kriegt der später 1600 Euro Pension. Darunter kann man sich etwas vorstellen. Ich sag’s ganz ehrlich: Wären wir, wie die Bundespartei, hin- und hergesprungen zwischen Forderungen nach einer 35-Stunden-Woche, einer 30-Stunden-Woche, zwischen 1700 Euro steuerfrei und dann doch lieber 1700-Euro-Mindestlohn, hätten uns die Menschen nicht gewählt. Das Ergebnis: Im Bund liegen wir in Umfragen bei 18 oder 19 Prozent, damit kann man nicht zufrieden sein.

Lercher: Stimmt, diese Beliebigkeit, die wir oft ausdrücken, die gibt den Leuten keine Sicherheit. Wenn du zehn Rote fragst, wofür die Sozialdemokratie steht, bekommst du elf Antworten. Doch zurück zum Mindestlohn: Für den bin ich, aber in einem zweiten Schritt müssen wir dann auch eine Arbeitszeitverkürzung diskutieren. Dieses Thema kommt auf uns zu.

Ich fasse zusammen: Weniger hackeln, mehr verdienen.
Lercher: Es geht ja um die Produktivität, die steigt teilweise gewaltig -davon müssen die Leute etwas haben. Wir sind die Partei der Arbeit, nicht des Burn-outs.

Herr Doskozil, Sie finden die SPÖ-Kampagne für eine 30-Stunden-Woche „lächerlich“. Erklären Sie dem Genossen Lercher einmal, wieso.
Doskozil: Wenn ich einer Frau mit 1200 Euro im Monat sage: „Schau her, wir sind die besten Sozialdemokraten aller Zeiten, wir ermöglichen dir jetzt die 30-Stunden-Woche“, dann wird die antworten: „Super, jetzt hab ich Zeit für einen zweiten Job, danke.“ Wir müssen ja nur nach Deutschland schauen: Dort ist jeder dritte Job prekär, da brauchen Pensionisten Zusatzverdienste, weil sie nicht von der Pension leben können. Worüber wir aber reden können, ist eine faire Verteilung der Lebensarbeitszeit, sodass man beispielsweise im Alter weniger arbeitet.

Lercher: Da können wir uns sicher einigen.

Herr Lercher, Sie bekamen im Nationalrat bisher nur wenig Redezeit. Zufrieden?
Doskozil: Ich glaube, heute hat er schon mehr geredet als im Parlament (lacht).

Lercher: Ich selbst kann mich ja nicht melden, Redezeit wird vergeben. Und aufgrund meiner Funktion als Regionalsprecher …

… die Sie erst selbst erfinden mussten, um eine zu haben …
Lercher: Das haben jetzt Sie gesagt. Aufgrund dieser Rolle bin ich jedenfalls nicht so oft dran wie beispielsweise ein Finanzsprecher. Aber ich sage es ganz ehrlich: Natürlich würde ich gerne mehr reden, das ist jedoch eine demokratische Entscheidung des Parlamentsklubs.

Herr Doskozil, die ÖVP scheint Sie - etwa durch die Ladung vor den Ibiza-U-Ausschuss - verstärkt ins Visier zu nehmen. Überrascht Sie das?
Doskozil: Nein. Und ich gehe gerne in den U-Ausschuss. Etwas anderes ist hingegen die Sache mit dem Nationalen Sicherheitsrat am Dienstag: Da wird ein wichtiges sicherheitspolitisches Instrument für parteipolitische Zwecke missbraucht. Die Geschichte, dass Österreich unter mir angeblich eine 15.000 Mann starke Miliz in Libyen aufbauen wollte, jetzt dort zu diskutieren und mich als Anlass für die Einberufung zu nennen, ist skurril. Aber die ÖVP wird das nicht zufällig machen.

Klaus Knittelfelder, Kronen Zeitung

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