24.07.2020 18:55

Hysterie um Klima?

„Wird schwierig, überhaupt einen Wald zu halten“

Seit der vorindustriellen Zeit ist die globale Temperatur um etwa 1°C gestiegen. Die Klimakrise ist in aller Munde. Knapp drei Viertel der Österreicher sehen sie als ernstes Problem. Und doch gibt es immer noch eine hartnäckige Minderheit, die von Hysterie und Panikmache spricht. Warum ein kühler Sommer wie dieser nichts an der Klimakrise ändert, warum selbst ein Grad Erderwärmung massive Auswirkungen hat und was die Klimakrise mit jener Hälfte des österreichischen Gebiets macht, die bewaldet ist, erklären Forstwirtin Alexandra Wieshaider und Klimaforscher Marc Olefs bei „Moment Mal“ im Gespräch mit Damita Pressl.

„Ich persönlich kenne keine Klimaskeptiker“, sagt Forstwirtin Wieshaider. Denn die Kollegen müssten täglich mit dem Bild, das sich bietet, und mit den Klimaschäden leben, erklärt sie. „Es ist für uns sehr offensichtlich, dass hier längst ein Umdenken erforderlich gewesen wäre.“ Klimaforscher Olefs ergänzt: „Wenn wir nichts tun, nehmen wir wissentlich in Kauf, dass die nächsten Generationen in einer Welt aufwachsen, die nicht mit der Welt vergleichbar ist, die wir jetzt kennen.“

„Der Mensch hat eine wunderbare Sensorik dafür, was er in dem Moment empfindet, und das ist eben Wetter. Klima definiert sich aus dem langjährigen Mittel des Wetters. Dafür hat der Mensch keine gute Sensorik“, geht Olefs weiter ins Detail. An der Milchmädchenrechnung, die Klimakrise könne ja nicht so schlimm sein, weil der Sommer kühl und nass ausfällt, ist freilich nichts dran.

Fakt ist in der Klimaforschung: Die globale Mitteltemperatur ist seit 1900 weltweit um ein Grad Celsius gestiegen; in Österreich und im Alpenraum sind es sogar zwei Grad, denn Landmassen erwärmen sich schneller als der Ozean.

Auch das Argument, dass ein einziges Grad ja nicht so schlimm sein könne, ist fehlgeleitet. Ein halbes Grad mehr, erklärt Olefs, macht bereits in etwa einen Anstieg des Meeresspiegels um zehn Zentimeter aus. Das ist global gesehen das größte Problem, denn die Folge sind Ernährungssicherheitsprobleme für Millionen von Menschen.

Auch bei uns in Österreich machen sich die paar wenigen Grad zunehmend bemerkbar. Die Forstwirtschaft hat mit immer mehr Wetterextremen zu kämpfen, sagt Wieshaider: „Für uns im Wald war dieses Jahr der Frühling das Extreme.“ Im März und April habe die sehr lange Trockenperiode zu einem großen Trockenstress für die Bäume geführt, was sie weniger resistent für Schädlinge macht. Die Folgen: „In Gebieten, wo bestimmte Baumarten bisher keine Probleme hatten, sehen wir massive Schäden.“

Das Jahr ist kein Einzelfall; in der Forstwirtschaft ist die Realität der Klimakrise längst angekommen, so Wieshaider. „Früher gab es regelmäßige Niederschläge. Es gab auch einen regelmäßigen Winterniederschlag, der für eine dauerhafte Feuchtigkeit im Boden gesorgt hat. Das gibt es in vielen Gegenden nicht mehr. Wenn die Niederschläge kommen, kommen sie sehr punktuell und dann meistens zu heftig. Noch dazu müssen die Bäume im Wald sehr lange Hitzeperioden durchhalten. Viele Baumarten reagieren auf diese Trockenheit sehr empfindlich und werden in manchen Gegenden vermutlich zurückgehen bis verschwinden.“

Was die Klimakrise Österreich kostet, will man sich kaum vorstellen. Bereits jetzt zahlt der Bund rund zwei Milliarden Euro an Klimafolgekosten jährlich, rechnet Olefs vor. Tendenz steigend: Mitte des Jahrhunderts sollen es bereits fünf bis sechs Milliarden sein. Aber: „Diese Kosten sind wirklich abhängig von der Menge an Treibhausgasen, die wir in die Atmosphäre blasen.“

Wie genau solche Vorhersagen inzwischen getroffen werden können, zeigt sich an der bisherigen Bilanz: „Das wissen wir allein schon deswegen, weil wir Modelle aus der Vergangenheit mit Beobachtungen und Messdaten in der Gegenwart vergleichen“, so Olafs. Und da zeigt sich: Frühere Modelle bilden unsere jetzige Realität sehr gut ab.

Was also passiert, wenn wir weiter nichts tun? Die Folgen auf Gesundheit, Wirtschaft und Natur wollen sich Olefs und Wieshaider nicht vorstellen. „Viele Menschen meinen, dass man mit den Extremen, die wir jetzt erleben, noch ganz gut zurechtkommt“, sagt Olefs. „Das Problem ist aber, dass wir jetzt erst am Anfang stehen. Wenn wir nichts ändern, wird das heutige Wetterextrem zum zukünftigen Normal.“ Mehr Hitzetage, mehr Hitzetote, mehr gesundheitliche Probleme und geringere Produktivität wären die Folgen.

Und die Natur? Wieshaider ist sicher: „An manchen Standorten würde es schwierig werden, überhaupt einen Wald zu halten. Denn irgendwann gehen einem die Baumarten aus, die man anpflanzen kann.“

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