„Krone“-Interview

Fantasy: „Hatten nichts, aber haben es geschafft“

Musik
27.07.2020 06:00

Als Freddy und Martin von Fantasy in den 90ern beschlossen, das Schlagerbusiness aufzumischen, wurden sie noch milde belächelt. Mehr als 20 Jahre später sind sie eine nicht wegzudenkende Fixkonstante im Genre und feiern unablässig große Erfolge in den deutschsprachigen Ländern. Unlängst erschien das brandneue Album „10.000 bunte Luftballons“. Wir baten die zwei Westdeutschen zum entspannten Talk.

(Bild: kmm)

„Krone“: Freddy, Martin, 1993 habt ihr euch gefunden und 1997 wurdet ihr zu Fantasy. Es ist nicht selbstverständlich, dass sich zwei Menschen beruflich so lange die Treue halten.
Freddy Malinowski:
Wir kennen viele, die sich in den letzten Jahren getrennt haben, aber wir können auf Holz klopfen. Wir haben tatsächlich das Gefühl, dass wir wie Brüder geworden sind. Wir haben Respekt und volles Vertrauen voreinander, machen den Job zusammen und sind befreundet. Wir beide haben echte Brüder, aber wir sind uns näher als ihnen, weil wir uns auch so oft sehen. Wir sind manchmal auch wie ein altes Ehepaar. (lacht)
Martin Hein: Wir brauchen uns nur anzusehen, um direkt zu wissen, was der andere denkt.

Was ist denn das Geheimnis hinter so einer langlebigen Partner- und Freundschaft? Was braucht es dafür?
Martin:
Wir haben in einer ganz schwierigen Zeit angefangen, wo wir teilweise nichts zu essen hatten. Dass wir dieses Tal gemeinsam durchschritten haben, hat uns definitiv nähergebracht. Wir hatten nichts und haben es trotzdem geschafft. Viele haben uns belächelt und uns nichts vergönnt, aber wir sprachen uns Mut zu. Nach so vielen Jahren wissen wir zu schätzen, dass wir das machen können und wissen auch zu schätzen, dass wir uns beide haben.

Die Amigos haben mir in einem Interview gesagt, dass sie lange belächelt und ignoriert wurden, ihren Weg aber stets mit Beharrlichkeit weitergegangen sind. War das bei euch ähnlich?
Freddy:
Genau so war es. Ich wollte als Kind immer Sänger werden und habe diesen Wunschtraum auch gegenüber Lehrern und Mitschülern geäußert. Die haben mich immer ausgelacht und als ich 13 war, habe ich zu einer Vollplaybackshow gesungen. Auch da haben alle gelacht. Heute sind Mitschüler von damals wahnsinnig stolz und entschuldigen sich dafür, dass sie meinen Traum nicht für voll nahmen. Sie sind überrascht darüber, dass es funktionierte und wir so viel Erfolg haben. Das macht mich schon ein bisschen stolz. Das gebe ich gerne zu.

So richtig los ging es für euch 2007 als Support von Andrea Berg und 2009 mit der Unterschrift bei Ariola. Von da an habt ihr die Charts aufgemöbelt und die Erfolge wurden immer größer.
Martin:
Nicht vergessen darf man unseren Manager Andreas Ferber, der sehr großen Anteil an diesen Erfolgen hat. Er hat uns über Jahre toll begleitet.
Freddy: Am Allerwichtigsten ist, dass wir die besten Fans haben, die man sich vorstellen kann. Sie stehen schon so lange zu uns und das ist das größte Glück, das man in diesem Geschäft haben kann.

Wie hat sich euer Leben und wie habt ihr euch selbst verändert, seit die großen Erfolge eingesetzt haben?
Freddy:
Wir sind einfach mehr unterwegs als früher, aber Typen sind wir immer noch dieselben. Wir sind entspannter und ruhiger, weil wir keine finanziellen Sorgen mehr haben. Wir sind einfach froh, wenn wir Zeit für die Familie haben, aber als Persönlichkeiten haben wir uns nicht verändert. Wir sind genauso verrückt wie früher und gehen nach wie vor nach Konzerten, wenn es sich anbietet, mit den Fans in die Kneipe. Das haben wir erst unlängst in Essen gemacht. Das war super. Sie freuen sich und wir haben Spaß. Das lassen wir uns auch nicht nehmen und es wäre befremdend für uns, hätten wir 100 Bodyguards um uns. Bei all dem Erfolg können wir so sein, wie wir immer waren. Wir müssen uns nicht verbiegen und das macht das Leben einfacher. Der Spruch „sei ein Star, mach dich rar“ trifft auf uns gar nicht zu.

Ihr seid in allen deutschsprachigen Ländern sehr erfolgreich. Obwohl wir hier in Österreich selbst sehr viele erfolgreiche Schlagerkünstler haben, lieben die Leute euch. Woran liegt das?
Martin:
Wenn der Andreas Gabalier zu uns kommt, dann kommen wir eben zu euch. (lacht) Wie Schüleraustausch.
Freddy: Der Österreicher an sich ist ein sehr gastfreundlicher und emotionaler Mensch. Martin hat polnische Wurzeln und ich kroatische - insofern ist uns Gastfreundlichkeit nicht fremd. Die Österreicher schätzen es, dass wir ehrlich sind und in unserem Buch Geschichten erzählten, die uns widerfuhren. Wir sind authentisch und nahbar und die Menschen merken schon, wer es ernst meint und wer nicht. Österreich ist unser zweites Zuhause. Wir lieben das Essen, die Menschen, den Schmäh und die Buschenschänke. (lacht)

Der Bandname Fantasy entstand von eurem ersten Manager aus einer flapsigen Bemerkung heraus. Doch was bedeutet euch Fantasy heute, nach einem so langen Stück des Weges?
Freddy:
Fantasy macht mich stolz. Wir haben uns nie überreden lassen, den Namen zu ändern. Viele Redakteure und Plattenfirmen meinten, damit könne man keinen Schlager machen. Wir sind dann zum Entschluss gekommen, ihn beizubehalten. Wenn die Musik gut ist und die Typen dahinter passen, können wir ja auch Lieschen-Müller-Band heißen. Ich bin dankbar und froh, dass wir das nie ändern. Fantasie passt auch zu uns, weil wir so sind. Wir sind Entertainer und ein bisschen durchgeknallt. Wir haben es gerne, wenn Menschen lachen und mit uns fröhlich sind.
Martin: Wir hätten uns auch 2Raumwohnung nennen können. (lacht) Die sind mit einem aus der Rolle fallenden Namen auch erfolgreich geworden.
Freddy: Oder 3Zimmerauto. (lacht)

Ihr arbeitet mit einem guten Kern aus Songwritern zusammen, schreibt aber sehr viel selbst. Ist euch das nach wie vor ein wichtiges Anliegen und wie schwer wird es nach so vielen Jahren, immer neue Facetten über Liebe, Beziehungen und Zwischenmenschlichkeit zu finden?
Freddy:
Wir hatten drei Jahre Pause und in der Zeit ist in unser beider Leben sehr viel geschehen. Wir brauchten die Pause auch für Geschichten. Viele bekommen wir von unseren Fans erzählt, die wir dann in unseren Texten umsetzen. Vor drei Jahren gab es einen Punkt, da fiel mir nichts mehr ein, aber es sprudelt jetzt wieder und wir haben Lust, durchzustarten. Das Album war sehr emotional. Der Song „Du hast ihre Augen“ auf unserem vorletzten Album „Casanova“ ging uns beiden wahnsinnig nah, weil wir beide auch Familienväter sind und betroffen sein könnten. Wir haben den 40-50 Mal angefangen zu singen, weil wir immer weinten. Der Song ist heute unser Frühchen und ich werde schon wieder emotional, wenn ich nur darüber rede. Wir würden auch nie Titel nehmen, die uns persönlich nicht gefallen. Es ist wichtig, dass man Sachen singt, die einen auch selbst interessieren und berühren. Alles andere würden wir nicht tun und das würden die Fans auch merken.
Martin: Unsere Fans haben ein extremes Feingespür für unsere Songs. Siehe unser Dieter-Bohlen-Album. Die Songs waren okay, alles schön und gut, aber die Fans haben sofort gesagt, wir sollen wieder selber schreiben, weil das tausendmal schöner wäre.
Freddy: Bohlen wollte unbedingt ein zweites Album mit uns schreiben, aber wir wussten nicht ganz, wie wir ihm sagen sollen, dass das nicht der Fall sein wird. Wir haben dann einfach nein gesagt und es ist auch eins der Alben, von dem wir kaum Lieder singen. Wir spielen „Wenn du mir in die Augen schaust“ und „Blinder Passagier“ - die Nummer ist auch noch von uns. Dieter wollte das Lied gar nicht auf dem Album haben und am Ende war es das erfolgreichste. Dieses Album war im Endeffekt ein großer Reinfall und eine große Enttäuschung, aus der wir aber viel gelernt haben.

Wie wichtig ist euch in der Musik die Mischung aus Tradition und Moderne? Aus den klassischen Fantasy, wie man euch kennt, und der Hinzufügung neuer, zeitgemäßer Elemente?
Martin:
Wir achten schon darauf, dass Fantasy Fantasy bleibt, aber man muss sich weiterentwickeln. Die Sounds vom ersten Album können wir heute nicht machen, weil die Kollegen uns sonst überrennen. Wir sind schon moderner geworden. Bei unseren Kindern kommen manche Nummern sehr gut an, aber wir haben deshalb trotzdem nicht unsere Linie verlassen. Soundtechnisch schwimmen wir definitiv vorne mit.

Kann man für die eigenen Kinder überhaupt cool sein? Ist das denn nicht ein Widerspruch in sich?
Freddy:
Als wir erfahren haben, dass wir in Deutschland Platz eins sind, bin ich von der Carmen-Nebel-Show nach Hause gefahren. Ich war um 1 Uhr in Essen und meine Kinder haben mit ihren Freunden eine Riesen-Gartenparty gemacht und das Album lief in Dauerschleife. Das war wirklich eine schöne Überraschung.

Habt ihr nach mehr als zehn Alben wirklich die Fantasy-Identität gefunden, oder ist das eine immerwährende Suche?
Freddy:
Dass das Album auf die Eins ging, spricht für uns. Wenn wir das glauben, was wir singen, glauben das auch die Leute und es erfüllt die Musik mit Leben. Mehr Beweis von den Fans kann man nicht kriegen und es ist einfach wichtig, alles selbst zu machen. Das haben wir gut erkannt in den letzten Jahren.

Habt ihr rein textlich heute andere Zugänge als vor zehn, zwölf Jahren? Interessieren euch andere Themen oder Facetten des Lebens?
Freddy:
Ich glaube, dass wir in den ganzen Jahren offener geworden. Wir hatten noch nie das Wort „Scheiße“ in einem Text, aber wir gehen auch mit Themen wie der Sexualität offener um. Bei einem Song geht es um Blind-Dates und One-Night-Stands. Das ist ja fast schon Animation zum Fremdgehen und solche Texte hätten wir früher nie gemacht, aber wir werden reifer und offener. Da kann man sowas schon mal schreiben. Wir werden offener und auch progressiver mit den Texten.

In der Liebe ist es nicht immer leicht, das ist jedem sehr gut bekannt. Da ihr auch schon beide geschieden seid, sind manche Nummern dazu aus dem Privaten gegriffen?
Freddy:
Als ich mit meiner Frau zusammen war und wir uns nach drei Kindern trennten, war das nicht schön. Am liebsten würde man sich dann gar nicht mehr verlieben, aber es kommt immer anders als man denkt. Es ist eher symbolisch gemeint, dass man sich schützt, wenn man verletzt aus einer Beziehung geht. Der Song soll jedenfalls keine Anregung dafür sein, nicht mehr lieben zu können.

Inwiefern spielen Reisen bei eurer Kreativität eine wichtige Rolle?
Freddy:
Ich bin kein Mensch, der gerne reist und „Eine Nacht im Paradies“ vom Album „Casanova“ haben wir in Rio aufgenommen. Paris war nicht so ein langer Flug, aber ich muss mich dort wieder neu orientieren und Paris hat mich wirklich genervt. Ich wollte immer mal dahin, am liebsten mit meinem Partner, aber als ich dort war, fand ich es wirklich grauenvoll.
Martin: Diese Reisen und Ziele wie Rio de Janeiro oder San Francisco klingen so schön, aber eigentlich haben wir nichts davon. Wir waren aber sieben Tage in Rio, haben jeden Tag um 6 Uhr begonnen und um 23 Uhr war Drehschluss. Du bist zwar bei den Sehenswürdigkeiten physisch anwesend, hast aber keine Zeit, dich frei zu bewegen und das zu genießen. Das läuft dann auch noch sehr komprimiert ab, weil das ja auch jemand bezahlen muss.
Freddy: In Paris war das nicht anders. Natürlich haben wir uns ein bisschen darauf gefreut, aber die Enttäuschung war am Ende einfach so groß, weil ich Paris von außen immer als so genial wahrnahm. Es sind mir aber zu viele Menschen, zu viele Autos und Roller und alle fahren kreuz und quer. Für mich ist das einfach nichts, auch nicht mehr privat. Mir ist es dort einfach zu laut.

Neben all den großen Chart-Erfolgen, ECHO-Nominierungen und ausverkauften Hallen - was sind denn so die größten Highlights eurer langen Karriere?
Freddy:
Etwas Besonders, was in Zukunft noch ansteht, ist die nächste Tour, die uns durch alle deutschsprachigen Länder führt. Von jedem verkauften Ticket geht ein Teil an die deutsche Krebshilfe. So etwas haben wir noch nie gemacht und ich finde es toll, dass wir auch mal etwas zurückgeben können von all dem, was uns vergönnt war bislang. Die Zuseher werden also nicht nur eine tolle neue Show erleben, sondern tun zusätzlich noch etwas wirklich Gutes.
Martin: Wir haben uns der Krebshilfe verschrieben und haben unlängst eine Aktion gemacht, wo wir für die Einnahmen bei einer Tankstelle Autos geputzt haben. Jeder von uns beiden hat dann auch noch privat 10.000 Euro dafür gespendet. Wir möchten etwas zurückgeben dafür, was wir durch den lieben Gott und unsere Fans selbst erleben dürfen.

Ist das österreichische Publikum für euch eigentlich anders als das deutsche in eurer Heimat?
Freddy:
Wir haben in Österreich genauso viel Spaß wie in Deutschland, aber es ist schon so, dass die Menschen uns hier einfach etwas näher sind. Sie sind dankbar, freuen sich offener und verbreiten mehr Emotionen als bei uns daheim.
Martin: Auch diese Dialekte in dem Land, das ist großartig und so warmherzig. (lacht) Schon allein der Klang der Sprachmusik ist uns unheimlich ans Herz gewachsen. Wir waren immer viel in Österreich unterwegs. Unser erster österreichischer Fanclub kommt aus dem steirischen Hartberg und mittlerweile waren wir fast überall bei euch. Das wird auf jeden Fall wieder richtig schön.

Live in Österreich
Die große „Casanova“-Arena-Tour führt Fantasy am 16. September 2021 in die Wiener Stadthalle F. Alle weiteren Österreich-Termine, Infos und Karten finden Sie unter www.fantasymusik.de

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