EU tief zerrüttet

Gipfel des Spotts: Macron gegen „Bad Cop“ Kurz

Ausland
20.07.2020 09:05

Der ursprünglich auf zwei Tage angesetzte Gipfel zum 1,8 Billionen Euro schweren EU-Budget samt Corona-Wiederaufbaufonds geht in seinen vierten Tag. Montagfrüh gab es eine erste Einigung: 390 Milliarden Euro soll der Anteil an Zuschüssen aus den Corona-Hilfen umfassen, um die zuletzt besonders heftig gerungen worden war. Angesichts einiger Wortmeldungen der vergangenen Stunden ist es erstaunlich, dass in Brüssel überhaupt noch eine Gesprächsbasis vorhanden ist - so lästerten etwa Frankreich und Italien unverhohlen gegen die „sparsamen“ EU-Länder rund um Österreich.

Der Riss zwischen der Mehrzahl der EU-Länder und der Nettozahler-Allianz der „Sparsamen Vier“ (Österreich, Niederlande, Schweden, Dänemark), der sich am Sonntag Finnland anschloss, ist unübersehbar. Besonders im Fokus: Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und sein niederländischer Amtskollege Mark Rutte, von der italienischen Nachrichtenagentur ANSA als „böser Cop und noch böserer Cop“ tituliert.

„Er kümmert sich um seine Presse und basta“
Der französische Präsident Emmanuel Macron äußerte sich in der Nacht auf Montag, inmitten der dritten Marathon-Verhandlung, frustriert über Kurz. Als dieser zum Telefonieren den Sitzungssaal verließ, sagte er laut einem Bericht der US-Zeitung „Politico“: „Seht ihr? Es ist ihm egal. Er hört den anderen nicht zu, hat eine schlechte Haltung. Er kümmert sich um seine Presse und basta.“

„Sparsame“ erinnern Macron an Cameron
Macron habe einen Vergleich mit dem britischen Ex-Premier David Cameron bei früheren EU-Budgetverhandlungen gezogen. Dieses Verhalten habe ein böses Ende, sagte er in Anspielung auf das von Cameron angezettelte und verlorene Brexit-Referendum. Sich selbst bezeichnete Macron als „Spinner“, was die Höhe der Zuschüsse beim EU-Coronafonds betrifft. „Okay, aber sogar Angela hält zu mir“, sagte er zur Erheiterung einiger Gipfelteilnehmer.

Conte zu Rutte: „Du bist vielleicht ein Held für ein paar Tage“
Auch Italiens Ministerpräsident Giuseppe Conte war im Zuge der Marathon-Verhandlungen der Kragen geplatzt: Bei einem Treffen mit den „Sparsamen“ habe Conte zu seinem niederländischen Kollegen Rutte gesagt: „Du bist vielleicht ein Held in deiner Heimat für ein paar Tage, aber nach ein paar Wochen wirst du vor allen europäischen Bürgern dafür verantwortlich gemacht werden, dass du eine angemessene europäische Antwort blockiert hast.“ Wenn die EU nicht umgehend handle, müsste der Wiederaufbaufonds bis zu dreimal größer sein - der jetzige Betrag sei nur das Minimum, so Conte.

Erste Einigung: 390 Milliarden Euro Zuschüsse bei Corona-Fonds
In den Stunden darauf wurde das Minimum offenbar weiter ausgelotet und auf 390 Milliarden Euro an Zuschüssen beziffert. Dieser Kompromiss drang aus EU-Ratskreisen in den Morgenstunden durch. Der Rest des nun wieder auf 750 Milliarden angewachsenen Gesamtvolumens soll als Kredite vergeben werden. Um 16 Uhr wird weiterverhandelt, teilte der Sprecher von Ratspräsident Charles Michel über Twitter mit.

Rutte: „Manchmal sah es gestern Abend nicht gut aus“
Kurz und Rutte gaben sich in ersten Reaktionen positiv: „Harte Verhandlungen sind gerade zu Ende gegangen, wir können mit dem heutigen Ergebnis sehr zufrieden sein. Am Nachmittag geht es weiter“, twitterte Kurz. Rutte sprach von Fortschritten, warnte aber auch vor einem Scheitern, das er weiterhin für möglich hielt. „Manchmal sah es gestern Abend nicht gut aus, aber ich habe das Gefühl, dass wir im Großen und Ganzen Fortschritte machen“, so Rutte.

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