„Juristische Bedenken“

Verfahrensrichter zweifelt an Sobotka-Vorsitz

Politik
18.07.2020 14:47

Der Verfahrensrichter im Ibiza-Untersuchungsausschuss, Wolfgang Pöschl, hat Zweifel, dass Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) nach seiner Zeugenaussage auch weiterhin den Vorsitz in dem Gremium führen kann. Bislang sei zwar noch keine Ladungsliste für Herbst vorhanden, wenn Sobotka aber aussagen müsste und trotzdem Vorsitzender bliebe, verstoße das für Pöschl fundamental gegen den Grundsatz der Rechtsordnung. Auch der Verfahrensrichter sprach sich für eine öffentliche Übertragung der Befragungen aus.

In der Verfahrensordnung sei nicht genau geregelt, wie damit umgegangen werden muss, sollte der Vorsitzende auch als Auskunftsperson geladen werden, erklärte Pöschl am Samstag im Ö1-„Journal zu Gast“. Er habe aber „juristische Bedenken“, dass Sobotka nach seiner Aussage als Auskunftsperson noch Vorsitzender sein könne, sagte der Verfahrensrichter.

Er begründete dies damit, dass der Vorsitzende einen Abschlussbericht erstellt, der für gewöhnlich auch eine Beurteilung enthalte, ob getroffene Aussagen auch glaubwürdig seien - dabei müsste Sobotka über sich selbst urteilen. „Es wäre gegen einen fundamentalen Grundsatz der Rechtsordnung, sich selbst zu beschreiben“, so Pöschl.

Keine Empfehlung zu Rücktritt
Dennoch empfiehlt der Verfahrensrichter nicht dezidiert einen Rückzug vom Vorsitz - er würde dem Nationalratspräsidenten aber raten, genau nach der Verfahrensordnung vorzugehen. Die Opposition verlangt hingegen schon seit einiger Zeit den Rückzug Sobotkas. Der FPÖ-Fraktionsführer im Ausschuss, Christian Hafenecker, meinte am Samstag, das Maß der Befangenheit Soboktas sei bereits „übervoll“. Dabei bezog er sich auf einen Bericht der „Süddeutschen Zeitung“, wonach Sobotka als damaliger Innenminister im Jahr 2017 mit dem derzeit flüchtigen Wirecard-Vorstand Jan Marsalek zusammengetroffen sei.

Dem Bericht zufolge stand Marsalek auf der Gästeliste eines Folklore-Abends, den die Österreichisch-Russische Freundschaftsgesellschaft anlässlich eines Moskau-Besuchs Sobotkas organisierte. Das Büro Sobotkas bestätigte, dass Marsalek einer von etwa zwei Dutzend erwarteten Gästen gewesen sei.

Indizien zu Zahlungen an parteinahe Vereine
Der U-Ausschuss hat nach Ansicht Pöschls inhaltlich durchaus schon einiges zutage gefördert. Für eine Beurteilung, ob es wirklich eine Käuflichkeit der türkis-blauen Regierung gegeben habe, sei es zwar noch zu früh, es gebe aber bereits Indizien für Zahlungen an parteinahe Vereine, eine etwaige Gegenleistung sei allerdings „noch unklar“. Konkret sprach Pöschl dabei ein Gesetz für den Privatkrankenanstaltenfonds (Prikraf) an, durch dessen Beschluss sowohl FPÖ- als auch ÖVP-nahe Vereine profitiert hätten.

Wohl nicht das ganze Ibiza-Video zu sehen
Zuversichtlich zeigte sich Pöschl, dass das Ibiza-Video schon in den nächsten Tagen, jedenfalls aber vor der Fortsetzung des Ausschusses am 9. September dem Ausschuss zur Verfügung stehen könnte. Da jedoch diverse Persönlichkeitsrechte zu wahren sind, glaubt er nicht, dass das ganze Video gezeigt werde, sondern nur jene Teile, die von der Justiz in den Strafakt aufgenommen werden. „Man muss sich dabei auf die Aussagen der Staatsanwaltschaft verlassen“, so Pöschl.

„Keine Werbung für den Finanzminister“
Den Umgangston in diesem Ausschuss empfindet der Verfahrensrichter „lauter, deftiger, kontroversieller und manchmal sogar aggressiver“ als in früheren U-Ausschüssen. Den Grund dafür sieht er vor allem in den Entschlagungen von Auskunftspersonen, gegen die in dem Zusammenhang auch rechtliche Verfahren laufen. Das sei besonders in diesem Ausschuss auffällig, da dies für mehr als 50 Prozent der Befragten zutreffe. Dass sich aber etwa Gernot Blümel (ÖVP) mehr als 80 Mal nicht erinnern konnte, hält Pöschl für „keine Werbung für den Finanzminister“.

Um derartigen „Erinnerungslücken“ vorzubeugen, würde auch für Pöschl eine Live-Übertragung Sinn ergeben. Er empfehle dabei aber eher eine Art „Zusammenfassung“ der Befragungen - außerdem müssten auch hier wieder Vorkehrungen zur Wahrung der Persönlichkeitsrechte von Auskunftspersonen getroffen werden.

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