Pflege

„Es gab nur noch die Arbeit“

Vorarlberg
13.07.2020 13:30

Die Corona-Krise hat dem Pflegepersonal in den Landeskrankenhäusern viel abverlangt. Eine Pflegerin erzählt, wie erschöpfend die Zeit war und welches Hauptproblem einmal mehr sichtbar wurde: der Pflegekräftemangel.

„Es kam alles völlig überraschend“, erinnert sich Kathrin (Name von der Redaktion geändert) an die Zeit um Mitte März, als Covid-19 auch in Vorarlberg mit voller Wucht zuschlug. In den Spitälern wurden Abteilungen geschlossen und Mitarbeiter nach Hause geschickt, um bei möglichen Erkrankungen unter den Kollegen ausreichend „Backup-Personal“ zu haben. Dadurch waren jedoch gewisse Abteilungen und Pflegekräfte deutlich stärker gefordert, wie etwa Kathrin, die in der Ambulanz arbeitet: „12-Stunden-Tage wurden zur Regel. Allein im Mai habe ich 43 Überstunden zusammenbekommen." Für Kathrin und ihre Kollegen war das angesichts der besonderen Umstände aber selbstverständlich, es gab kein Murren.

Selbstverständlich war für Karin auch, dass sie sich zum Schutz der Patienten in den eigenen vier Wänden isoliert und jeglichen sozialen Kontakt vermeidet. „Zwischenzeitlich fällt man aber in ein Loch, weil man fix und fertig ist. Man arbeitet 12 Stunden, geht heim, um zu schlafen und arbeitet am nächsten Tag wieder 12 Stunden. Wenn man rechtzeitig rauskommt, kann man dazwischen vielleicht noch einen Einkauf erledigen.“

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Zwischenzeitlich fällt man aber in ein Loch, weil man fix und fertig ist. Man arbeitet 12 Stunden, geht heim, um zu schlafen und arbeitet am nächsten Tag wieder 12 Stunden. Wenn man rechtzeitig rauskommt, kann man dazwischen vielleicht noch einen Einkauf erledigen

Kathrin

Am schlimmsten seien aber die Beschimpfungen von Angehörigen der Patienten gewesen, die das Spital wegen der Infektionsgefahr nicht betreten durften. „Wir waren wirklich froh, dass rund um die Uhr ein Security im Haus war.“ Ansonsten fühlten sich Kathrin und ihre Kollegen aber etwas allein gelassen. „Wir hätten uns schon gewünscht, dass man mehr darauf schaut, wie es uns mit der Situation geht und nicht nur darauf, dass der Laden läuft.“ Die Corona-Krise hat zweifellos die Grenzen des an sich gut ausgebauten Spitalssystems in Österreich aufgezeigt. Besonders deutlich wurde, wie eng der Personalschlüssel eigentlich bemessen ist - speziell in den Ambulanzen gab es kaum Erholungsphasen für die Mitarbeiter. „Viele Kollegen wurden nach Hause geschickt - und uns ließ man in der Ambulanz buckeln.“

Dabei ist es für Kathrin nur ein geringer Trost, dass der Betriebsrat vergangene Woche mit der Krankenhausbetriebsgesellschaft eine „Corona-Prämie“ in Höhe von 200 Euro ausverhandelt hat. Die Prämie bekommen alle Mitarbeiter, die während des Lockdowns zwischen minus und plus 24 Stunden gearbeitet haben. Für jede weitere Überstunde gibt es 10 Euro obendrauf.

Besonders hart waren die Verhandlungen darüber, was mit den Minusstunden jener Mitarbeiter passiert, die auf Abruf zu Hause waren. Für den Betriebsrat war klar, dass diese Stunden auf Null gestellt werden müssen. Die Krankenhausbetriebsgesellschaft sah das jedoch anders. Schließlich wurde erreicht, dass zumindest 75 Prozent der Minusstunden ausgeglichen werden. „Es ist gut, dass wir zumindest eine kleine Anerkennung bekommen“, sagt Kathrin.

Dennoch ist sie sich nicht sicher, ob das Krankenhaus-Personal auch im Falle einer zweiten Welle die Belastungen wieder so selbstverständlich schlucken würde: „Nur vom Applaus haben wir wenig. Wir wünschen uns mehr Wertschätzung.“

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Nur vom Applaus haben wir wenig. Wir wünschen uns mehr Wertschätzung

Kathrin

Sollten die Infektionszahlen nochmals drastisch steigen, müsse vor allem die Personaleinteilung besser organisiert werden - „damit wir mehr Luft zum Durchatmen haben.“

Das könnte allerdings schwierig werden, zumal der Personalstand sogar für den Normalbetrieb am unteren Limit angesiedelt ist: „Über 100 Überstunden hat jeder von uns, teils sogar deutlich mehr. Doch wir können sie seit Jahren nicht abbauen.“

Vor den Kopf gestoßen fühlt sich Kathrin angesichts der jüngsten Sparpläne des Landes, die auch den Gesundheitsbereich betreffen sollen. „Der gesamte Pflegebereich kommt zu kurz. Die Menschen werden immer älter und brauchen immer mehr Hilfe. Uns kann man nicht einfach durch Maschinen ersetzen.“

Um mehr Personal zu bekommen, müsse der Beruf zudem generell attraktiver werden. Auch die Patienten könnten mithelfen, das Personal zu entlasten: „Es wäre schon ein großer Fortschritt, würden die Menschen nicht bei jeder Kleinigkeit ins Spital rennen, sondern erstmal zum Hausarzt gehen!"

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