Jet-Ende

Adieu, Saab 105: „Wurde notorisch unterschätzt“

Österreich
12.07.2020 06:00

Ministerin Klaudia Tanner (ÖVP) hat den Saab-105OE-Jet des Bundesheeres nach 50 Jahren in Pension geschickt - ohne einen Nachfolger auszuwählen. Ein „Krone“-Rückblick mit aktiven Piloten offenbart Planungsschwächen.

Entsetzen herrschte vergangene Woche gleich zweimal am Fliegerhorst Vogler in Linz-Hörsching, der traditionsbewussten Heimatbasis der „105er“. Das erste Mal am Montag, als Verteidigungsministerin Tanner das definitive Aus des Heeres-Jets mit Jahresende verkündete, ohne eine Nachfolgeentscheidung zu treffen. Ein zweites Mal zwei Tage später, als die Ministerin plötzlich persönlich bei der Staffel auftauchte und vorsprach. „Da hat viel Basiswissen gefehlt“, zeigten sich zwei Saab-Piloten im „Krone“-Gespräch nach dem Besuch der Ministerin betroffen. „Entweder wird sie falsch beraten, oder sie ist beratungsresistent.“

Video: Im Cockpit der Saab 105OE

In einer Minute knapp fünf Kilometer höher
Es schwingen auch Frust und Nostalgie mit: Dass die Jets, die gemeinsam mit dem Eurofighter die Luftraumüberwachung Österreichs gewährleisten, mit 2021 am Ende ihrer Einsatzfähigkeit stehen, wusste man. Trainingsflüge hätte man auch noch danach abhalten können. „Das Flugzeug wurde stets notorisch unterschätzt, auch bei internationalen Übungen“, so Pilot L., er will nicht namentlich genannt werden. „Gutmütig zu fliegen, leicht, dafür hohe Leistung. Eine Minute Steigflug, und man ist knapp fünf Kilometer höher als zuvor.“ Die Elektronik hingegen: Altbestand. Viele private Kleinflugzeuge haben heutzutage eine modernere Instrumentierung als die Saab. „Das Flugzeug war immer das Stiefkind der Politik und der Militärs“, erklärt L. „Nie wurde investiert. Nur mit viel Engagement der Piloten und vor allem der Techniker blieb der Jet so lange in der Luft.“

Zahlreiche Aufgaben übernommen
Und war dabei bis zuletzt integraler Bestandteil der Luftraumüberwachung. Lange Zeit übernahmen die Saab 105 die Hälfte aller Bereitschaften, in den vergangenen Jahren sank dieser Anteil auf rund 20 Prozent. Doch darüber hinaus wurden Hunderte Jet-Piloten ausgebildet (siehe unten), gemeinsam mit dem Jagdkommando wurde die Zielzuweisung vom Boden aus geübt. Und auch als Feinddarsteller für die Luftabwehr wurde man dringend benötigt. All das fällt nun weg, wenn nur noch 15 Eurofighter verfügbar sind. Werden bei denen künftig Mängel festgestellt - wie zuletzt 2010 bei den Schleudersitzen -, wird kein anderer Jet einspringen können.

Was nach der Stilllegung der Saab-Flotte mit den Maschinen geschieht, ist indes noch ungewiss. Die Flieger gehören der Republik. Ein mögliches Schicksal: Mittelpunkt eines Kreisverkehrs.

„Heimatschützer oder NATO-Kämpfer?“
Dass es in sechs Monaten im österreichischen Bundesheer kein Flugzeug mehr gibt, auf dem angehende Eurofighter-Piloten im eigenen Land ausgebildet werden können, hat auch konkrete Folgen: Junge Piloten müssen künftig noch länger als bisher ins Ausland. zuerst nach Lecce in Italien zum Umstieg auf Jet-Flugzeuge, danach nach Laage in Deutschland auf den Eurofighter-Zweisitzer (den Österreich nicht angeschafft hat).

Adria statt Alpenmassiv
„Das Bundesheer gibt seine Piloten in einer kritischen Phase der fliegerischen und charakterlichen Weiterentwicklung für mehr als zwei Jahre aus der Hand“, so ein Fluglehrer des Heeres zur „Krone“. „Wir wissen nicht, in welcher Verfassung wir sie wieder zurückbekommen.“ Die jungen Piloten werden dort von NATO-Fliegern unterrichtet, die im Irak IS-Verbände bombardiert haben. „Da bekommen sie vermutlich wenig von unserem Heimatschutzgedanken mit.“ Auch topografisch ähnelt weder Adria noch Nordsee den österreichischen Alpen und ihrer Umgebung.

Aktuell wird in Lecce übrigens aufgrund von Corona nicht ausgebildet. Italien hat somit das Pilotentraining des österreichischen Heeres unterbrochen.

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