11.07.2020 18:55

Seit 31 Jahren

Dieser Mann bewohnt und betreut ein Kraftwerk

Er wohnt seit 31 Jahren praktisch im Kraftwerk, 365 Tage im Jahr ist er mitverantwortlich für den reibungslosen Stromzufluss von 4500 Haushalten. Mitten in den Bergen am Stierwaschboden liegt das Speicherkraftwerk Wienerbruck - vom Wasser des Lassingbachs und der Erlauf betrieben. Mit viel Liebe wird diese hektargroße Naturanlage von ihm, Andreas Digruber, gewartet, kontrolliert und inspiziert. Ein Multitalent im Einklang mit der Natur: der Einsiedler von Wienerbruck.

Sein Postkasten ist eine Liftfahrt und dann nach einigen Minuten mit dem Auto zu erreichen. Mit einem Materialaufzug geht es steil in das Tal mit Kraftwerk und Stausee. Die Arbeit fängt bereits bei den Schienen an: „Manchmal muss ich etwas nachschweißen.“

Sein Arbeitgeber, die EVN, schenkt ihm volles Vertrauen und schätzt seine Leistung und seine Treue. „Ich bin für die Erhaltung, Kontrolle und Überwachung zuständig. Ich schau, dass hier alles läuft.“ Führungen für Reisegruppen oder Wanderer, selbst Schneeräumen und kleine und große Reparaturen führt er lieber selbst durch. „Ob man jetzt eine Firma beauftragt oder ich das schnell mache, es kochen ja alle nur mit Wasser.“

„Wir treffen nicht jeden Tag 100 Leute“
Viel Verantwortung hier inmitten von Steinwänden und viel Grün, ein Leben in der Stadt ist für Digruber jedoch undenkbar. Den Lockdown und die Ausgangsbeschränkungen der vergangenen Monate hat er kaum bemerkt: „Wir sind hier schon ziemlich abgeschieden von der ganzen Infrastruktur. Wir haben das schon immer so gemacht. Wir treffen nicht jeden Tag 100 Leute, vor allem nicht 100 verschiedene.“

Digruber wohnt direkt neben dem Kraftwerk in einem Haus, in einer „Arbeiterwohnung“. Vor 25 Jahren hat er hier seine Ehefrau kennengelernt - ihre Wandertour und sein Beruf haben beide zueinander geführt und sie heirateten.

Wartung mit den Sinnen
Trotz so viel Erfahrung und automatischer Überwachung kann bei einem etwas älteren Kraftwerk immer etwas passieren. „Es kann zu Lagerschäden kommen, der Generator abbrennen oder dass die Isolierung brüchig wird und dann beginnt es zu qualmen.“ Mit all seinen Sinnen überprüft er täglich das Werksinnere. „Wenn man weiß, wie die Maschinen normalerweise klingen, weiß man auch, wenn etwas nicht stimmt. Wenn sich ein Fremdkörper in dem Turbinenlaufrad verfängt, dann pfeift oder klopft es. Das hört man. Wenn man Glück hat, rutscht es wieder durch, wenn man Pech hat, muss man die Turbine zerlegen.“

Er führt uns weiter in seinem Werkraum - an der Tür klebt ein Sticker mit seinem Namen als Kennzeichen - und in die Schmiede. „Man hat eigentlich alles bei der Hand: Schweißapparat, Säge, Drehbank und die Werkzeuge.“ Material, das vom Kraftwerk ausgebaut wurde, sammelt er. „Ich trenne mich aber ungern davon.“

Bröckelnde Felswände, hie und da Hochwasser
Hinzu kommt die Instandhaltung des Stausees und der Fläche rundherum. Das Holz, das er aus dem See fischt oder auf den Gehwegen landet, sammelt er und bereitet es auf, um es im Winter zu verheizen. Der tägliche Spaziergang ist auch ein Kontrollgang. Ob das Gestein von den Felswänden bröckelt oder das Grünzeug zu überwachsen ist, penibel geht Digruber zu seiner nächsten Station. Auch die Ufereinbauten werden wegen Hochwassergefahr gründlich inspiziert: „Wenn man einen Verdacht hat, gibt es Kollegen, die dann nachschauen, die sich mit der Geologie besser auskennen.“

Beim Wassereinlauf fischt Digruber mit einer Maschine Holz und Algen aus dem Wasser. „So wird man zum Tierpfleger auch noch“, sagt er und zeigt eine kleine „streng geschützte“ Groppe, die er blitzschnell wieder ins Wasser fallen lässt. Mit seiner Heugabel entfernt er alles. Holzstämme werden auf ihre Kamin-Tauglichkeit getestet, indem damit gegen das Gitter der Maschine geklopft wird. „Wenn sie nicht durchbrechen, kann man es verheizen.“

Ihn treibt das gute Gewissen voran: „Ich bin gern auf Erden und will für meinen Arbeitgeber die Arbeit gewissenhaft erledigen. Wenn das Kraftwerk das ganze Jahr über arbeitet und nichts kaputt wird und dann auch noch mit der Familie alles passt, dann bin ich zufrieden.“

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