„Wolf aus Sofia“

„Alles nur Lüge“: Prozess um Cybertrading-Betrug

Web
09.07.2020 06:00

Am Wiener Landesgericht ist am Mittwoch der Prozess gegen den - wie er in Trading-Kreisen genannt wurde - „Wolf aus Sofia“ eröffnet worden. Zusammen mit einem abgesondert verfolgten mutmaßlichen Haupttäter soll er von Bulgarien aus Anleger mit Cyber-Geschäften um Millionen betrogen haben.

Laut Anklage war Gal B. (33) Mitbetreiber von Online-Plattformen, über die Finanzinstrumente gehandelt wurden. Vor allem binäre Optionen, Forex und Kryptowährungen wurden zur Verfügung gestellt, wobei die Anleger auf der Website des jeweiligen Anbieters ein Handelskonto eröffnen und Geldbeträge einzahlen konnten. Sie wurden von Mitarbeitern in eigens eingerichteten Call-Centern betreut und von diesen - angeblich zielgerichtet - zum Investieren höherer Summen verleitet. Die Zahlungen wurden über Kreditkartenabbuchung oder Banküberweisung abgewickelt.

Die Gelder sollen - so zumindest der Vorwurf der Wiener Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) - sogleich in einem Netzwerk aus Tarn- und Scheinfirmen verschwunden sein, weshalb neben schwerem gewerbsmäßigem Betrug auch Geldwäscherei inkriminiert ist. Gewinne bzw. Guthaben wurden laut Anklage nicht ausbezahlt, sondern als Verluste ausgewiesen.

„Alles nur Täuschung, Lüge und Manipulation“
„Allen getätigten ,Investitionen‘ war gemein, dass eine tatsächliche Investition oder eine Platzierung von Optionen sowie ein Vorhalten von Anlegergeldern zur Rückzahlung und zur allfälligen Gewinnausschüttung in Wahrheit nie geplant waren und auch nicht stattfanden. Die eingezahlten Gelder wurden zu keinem Zeitpunkt einer Kapitalanlage zugeführt, die für den Kunden sichtbare ,Handelsplattform‘ war genauso wie ihr angebliches - elektronisch zugängliches - Kundenkonto mit einem fiktiven ,Guthaben‘ reine Täuschung“, so die WKStA in ihrer Anklageschrift. „Es war alles nur Täuschung, Lüge und Manipulation. Also Betrug“, fasste der zuständige Anklagevertreter vor einem Schöffensenat die Beweislage zusammen.

Europaweit sollen Tausende Anleger mit dieser Masche um mehr als 100 Millionen Euro erleichtert worden sein. Gal B. - ein israelischer Staatsbürger - war im Frühjahr 2019 nach länderübergreifenden Ermittlungen auf Basis eines von der österreichischen Justiz ausgestellten europäischen Haftbefehls in Sofia festgenommen worden. Deren Zuständigkeit ergab sich, weil es in Österreich etliche Geschädigte gab. Zunächst wurde zumindest von knapp 1900 Opfern und einem Schaden von mehr als 2,7 Millionen Euro ausgegangen.

Verteidigung: „Kunden wollten nun einmal den Thrill“
Ungewöhnlicherweise korrigierte der Staatsanwalt am ersten Verhandlungstag die Anzahl der Geschädigten um fast ein Drittel auf 1330 nach unten und begründete dies mit einer „Neuauswertung der Kriminalpolizei“. Für Verteidiger Peter Lewisch gibt es dagegen überhaupt keine Geschädigten. Die Personen, die Geld verloren hätten, hätten gar keine Investments, sondern Wetten getätigt. Ihnen allen sei klar gewesen, dass es nicht um reale Geschäfte, sondern um die Entwicklung von Kursen ging: „Das war hochriskant. Die Verlustwahrscheinlichkeit lag bei 78 Prozent. Aber die Kunden wollten nun einmal den Thrill.“

Der Angeklagte - laut Lewisch „ein weitverbundener Mensch mit einer guten Hand für Geschäfte“ - habe eine lizenzierte Tätigkeit und ein legitimes Geschäftsmodell mitbetrieben, wobei er nur Miteigentümer und nicht Geschäftsführer gewesen sei. Jeder Kunde habe eine Gewinnchance erhalten, „nicht anders, wie wenn ich ein Brieflos kaufe“, bemerkte Lewisch. Das Verlustrisiko sei nicht verheimlicht worden, sondern in den Geschäftsbedingungen offen zutage gelegen. Gewinne habe man „nach Kundenwunsch“ ausbezahlt.

Angeklagter „nicht schuldig“
Gal B. bekräftigte im Anschluss, weder ins operative noch ins Alltagsgeschäft eingebunden gewesen zu sein: „Ich war nur Miteigentümer.“ Er habe auch die Leute in den Call-Centern nicht geschult. Er fühle sich „nicht schuldig“. Die Verhandlung ist vorerst bis Ende Juli anberaumt.

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