Minarett-Debatte

3.000 Menschen bei Gebet in Wiener Moschee

Österreich
04.09.2010 11:07
Er ist einer von jenen Türmen, die in den Köpfen mancher Österreicher derzeit so hoch wie nie in den Himmel ragen. Das Minarett der Moschee beim Hubertusdamm in Wien-Floridsdorf steht seit 30 Jahren, konfliktfrei war die Geschichte des islamischen Gotteshauses auch hier nicht. Rund 3.000 Menschen trafen sich zum Freitagsgebet, es ist das letzte im Fastenmonat Ramadan. Unberührt von der aktuellen Debatte über Minarette zeigt sich keiner der Besucher.

Zwischen Kleingarten-Idylle und Hauptverkehrsverbindung wurde 1979 das Bauwerk errichtet. Nicht still und heimlich, sondern hochoffiziell: Zur Eröffnung waren der damalige Bundespräsident Rudolf Kirchschläger, Bundeskanzler Bruno Kreisky und Kardinal Franz König gekommen. Der Bau stammt von Promi-Baumeister Richard Lugner, der daraufhin mit dem Spruch "Wir bauen nicht nur Moscheen" für sich geworben hatte. Verwaltet wird die Moschee von der Liga der islamischen Welt. Und nur ein paar hunder Meter entfernt überragt der Donauturm die 16 Meter hohe Kuppel und das doppelt so hohe Minarett. Ursprünglich waren vier Türme geplant.

Dresscode gibt es an diesem Freitag keinen: Die Schar der Muslime, die gegen die Mittagszeit nach und nach anwächst, trägt orientalische Tracht, Anzug und Krawatte, Jeans und etwa ein T-Shirt der Hardrock-Gruppe "Kiss". Gegessen und getrunken wird zwar während des Ramadan unter tags nicht, für das Fastenbrechen am Abend haben sich aber Stände vor der Moschee günstig platziert. Muslime und Wespen umschwärmen die angebotenen Feigen.

Auf drei Ebenen wird den Worten des Imams gefolgt
Es ist überall auf der Welt dasselbe. Bevor man die von außen schlicht gehaltene weiße Moschee betritt, werden im Vorraum die Schuhe ausgezogen. Manche sind schon länger im mit Teppichen ausstaffierten Gebetsraum, richten sich gegen Mekka und verrichten ihr persönliches Gebet. Auf drei Ebenen wird in Floridsdorf den Worten des Imams gefolgt: Eine Empore und ein Kellergeschoß mit Video-Übertragung machen es möglich. Die Stimmung ist friedlich und feierlich. Araber, Türken und Bosnier beten gemeinsam.

Heftige Proteste der Anrainer gegen Muezzin-Rufe
2003 entspann sich eine Kontroverse um den täglichen Ruf des Muezzins am Ufer des Entlastungsgerinnes. Hatte dieser Jahre lang nur zum Freitagsgebet gerufen, erschallt der Ruf seit Mitte des Jahres dreimal täglich. Dies rief heftige Proteste der Anrainer hervor. Mittlerweile hat man sich auf einen Kompromiss geeinigt: Seither ruft der Muezzin leiser. Fast trotzig stehen Plastikhirsche und Gartenzwerge in den angrenzenden Kleingärten. Das Bild einer historischen Schlacht prangt auf der Wand eines Nachbarn. Menschen selbst lassen sich kaum blicken.

Spendensammlung für "Geschwister in Palästina"
Drinnen ruft der Muezzin zum Gebet. Zuvor wurde auf türkisch gepredigt, den offiziellen Teil bestreitet der Imam auf arabisch. Die Stimme wird emotional, wer der Sprache nicht kundig ist, versteht zumindest "Ramadan". Schließlich wird auch in Deutsch gepredigt: "Lasst uns diese Nächte nutzen", verweist der Imam auf das nahende Ende des Fastenmonats. Nicht nur jetzt solle man spenden, sondern die gewonnene spirituelle Energie über den Ramadan hinaus mitnehmen. In weißen Plastiksäcken werden Spenden für die "Geschwister in Palästina" gesammelt. Und wie in christlichen Kirchen können auch hier die Kinder kaum stillhalten. Jene mit besonders viel überschüssiger Energie toben draußen am Trampolin.

Mit seinem Wunsch nach mehr erkennbaren Moscheen in Österreich hat der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ), Anas Schakfeh, vielen Muslimen hier aus der Seele gesprochen. "In Österreich gibt es Glaubensfreiheit und der Islam ist anerkannt", meint der 24-jährige Amir. Der Kriegsflüchtling aus Bosnien besteht selbst zwar nicht auf Minarette, "es ist aber eine Meinung". Dass Rechtsparteien nun mit dem Islam im Wahlkampf Stimmung machen, verletzt Amir, der sich ganz als Österreicher fühlt - zumal es nun seine Landsleute seien, die ihm so etwas "antun". Aber auch ein Gewöhnungseffekt hat sich eingeschlichen: "Es ist jedes Jahr die gleiche Leier.

Inzwischen ist man beim rituellen Teil des Freitagsgebets angelangt. Was zuvor wie geordnetes Chaos aussah, bekommt nun endgültig Struktur: Die Muslime stehen und verbeugen sich in einer Reihe. Nach einer Dreiviertelstunde ist das Gebet aus. Die Schuhe werden angezogen, draußen auf dem Vorplatz macht sich Jahrmarktstimmung breit. Auch der Wiener SPÖ-Gemeinderat und IGGiÖ-Integrationsbeauftragte Omar Al-Rawi ist hier, wird von den meisten begrüßt und in politische Diskussionen verwickelt.

Erst seit einem knappen halben Jahr ist Hashim Mahrougi neuer Direktor des Islamischen Zentrums. Dieser sei drauf und dran, die Moschee auszubauen, einen "Relaunch" durchzuführen, erzählt man hier. Nicht weitere Minarette sind geplant - er hat das Areal begrünt und ein Zelt aufgestellt.

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