WK-Präsident Walser:

„Unehrlicher Umgang mit dem Thema Verkehr“

Tirol
06.07.2020 17:00

Der Unternehmer und Bürgermeister von Thaur, Christoph Walser, holte bei seiner ersten WK-Wahl fast 80 Prozent der Stimmen. Im Interview mit der „Tiroler Krone“ nimmt er sich kein Blatt vor den Mund und legt den Finger in offene Wunden - wie in die Verkehrspolitik.

„Krone“: Ihrer Wiederwahl folgte die größte Wirtschaftskrise seit dem 2. Weltkrieg. Konnten Sie ihren beachtlichen Wahlerfolg – fast 80 Prozent, 40 Prozent Wahlbeteiligung – überhaupt richtig feiern?
Walser:
Ums Feiern ist es uns nie gegangen, es war und ist nach wie vor wichtig, dass die Wirtschaftskammer Tirol und der Wirtschaftsbund es geschafft haben, mehr Wähler zu mobilisieren, als man uns zugetraut hätte und auch meine wahlwerbende Gruppe, der Wirtschaftsbund, zulegen konnte. Das stärkt uns als Interessenvertretung und natürlich auch uns Tiroler Wirtschaftsvertreter, wenn es um Verhandlungen in der Bundeshauptstadt geht.

Der Tiroler Tourismus ist weltweit führend

Wie haben Sie – jetzt mit etwas Distanz – diese Krise samt dem „Lockdown“ wahrgenommen?
Ich war fast jeden Tag als einer der wirklich Wenigen in der Kammer in Innsbruck und bin nach wie vor stolz darauf, dass unsere Mitarbeiter diese Phase professionell und nahezu fehlerlos abgewickelt haben. Ich habe auch erleben müssen, wie man versucht hat, ein paar Orte als die vermeintlich Schuldigen für Corona zu brandmarken. Das war und ist unfair – und wie man jetzt sieht, war das auch falsch. Der Tiroler Tourismus ist nach wie vor weltweit führend. In Qualität und Innovation.

Hat es in der WK Tirol – wie zum Beispiel im Stadtmagistrat Innsbruck – eine Coronaprämie gegeben?
Nein.

Es gab seitens der Wirtschaft Kritik am Härtefallfonds. Was sehen Sie das?
Die Kritikpunkte waren teilweise gerechtfertigt, daher wurde ja an diesem Instrument laufend gearbeitet und Schritt für Schritt wurden Fehler beseitigt. Mir war es wichtig, dass speziell in der zweiten Phase keine Mini-Summen ausgezahlt werden, sondern eine Mindestauszahlung von 500 und dann 1000 Euro fixiert werden konnte. Das hat dann übrigens die Wirtschaftskammer für die Bundesregierung abgewickelt.

Zwei dunkelblaue Augen für unsere Wirtschaft

Wie kommt Tirol Ihrer Einschätzung nach aus dieser Krise hervor?
Wir werden, vorausgesetzt eine zweite Welle bleibt uns erspart, mit zwei dunkelblauen Augen aus dieser Krise kommen. Einzelne Branchen trifft es da härter, andere haben bis dato wenig bis gar nichts gespürt. Das alles darf allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass speziell die Gastronomie und Hotellerie, aber auch der Modehandel diese Krise mit voller Härte zu spüren bekommen haben. Völlig unverschuldet hat es auch die Veranstaltungstechniker erwischt. Die Eventbranche war die erste, die eine Vollbremsung hinlegen musste und wird wohl auch zu den letzten zählen, wenn es bergauf geht. Hier gilt es noch einiges zu tun.

Volle Autobahnen bedeuten Wohlstand

Was für Lehren kann man aus dieser Krise und all den Auswirkungen ziehen?
Ich denke, dass in den letzten Wochen jeder sehen musste, dass Vollbeschäftigung und Wohlstand unmittelbar mit einem lebendigen Warenverkehr zusammenhängen. Leere Autobahnen freuen vielleicht den einen oder anderen Fundamentalisten, sind aber auch ein Zeichen für hohe Arbeitslosigkeit und Gefährdung des Wohlstandes im Land.

Das klingt, als wären Sie mit der Verkehrspolitik des Landes ganz und gar nicht zufrieden, oder?
Der Umgang der Politik mit dem Verkehrsthema ist ein unehrlicher – und das stört mich massiv. Wer ohne gesamthafte Lösung weiter an der Verhinderungsschraube dreht, der riskiert unser aller Zukunft. Was hier passiert, ist ein falsches Spiel und nicht im Interesse der Menschen und ihrer Lebensqualität.

Was ist aus Ihrer Sicht im Interesse der Menschen und der Lebensqualität?
Erstens müssen wir jenen, die uns seit Jahren erzählen, wie schlimm es in Tirol ist, Einhalt gebieten. Wenn man den Scharfmachern zuhört, könnte man ja fast meinen, in Tirol, in Innsbruck oder irgendwo im Inntal zu leben, sei eine Strafe. Ja, wir müssen an einer gesamthaften Reduktion der Umweltbelastung arbeiten und neue Energie- und Mobilitätsformen realisieren, aber wir müssen auch erkennen, dass Tirol eines der lebenswertesten und wohlhabendsten Länder weltweit ist. Zweitens sind unsere politischen Vertreter auf allen Ebenen gefordert, nicht uns in Tirol das Leben weiter schwer zu machen, indem laufend neue Beschränkungen kommen, die am meisten der Tiroler Wirtschaft schaden. Drittens gilt es seitens der Bundesminister, endlich in Brüssel Klartext zu reden. Ohne Verladeterminals in ganz Europa wird der Brenner Basistunnel wirklich zum ineffizienten Milliardengrab.

Österreich soll die Vetokeule schwingen

Was kann Tirol bzw. Österreich dagegen tun?
Ich könnte mir vorstellen, dass die Regierungen von Deutschland, den Niederlanden und Italien mit einer Vetodrohung Österreichs zu motivieren sein könnten - auch was die Billionensummen angeht, die jetzt aus dem EU-Füllhorn kommen sollen. Ohne Terminals keine Zustimmung Österreichs. Was auch nicht sein kann ist, dass eine Autobahngesellschaft, die dem Staat, also uns allen gehört, eine Uralt-Autobahnbrücke um dutzende Millionen neu baut, anstatt einen Tunnel zu bauen. Die Luegbrücke gehört weg. Da muss ein Tunnel gebaut werden. Wenn man schon Konjunkturförderung betreibt, dann bitte mit Weitblick.

Ihr Lösungsvorschlag für das Transit-Problem?
Tirol alleine ist augenscheinlich im Europäischen Kontext nicht in der Lage, die Zahl der Transitfahrten tatsächlich zu reduzieren. Daher gilt es kurzfristig den Verkehr gesamthaft zu entzerren. Das Nachtfahrverbot ist ja einer der Gründe für die nahezu täglichen Engpässe auf der Inntalautobahn. Da müssen die saubersten und leisteten Lkw, die der Markt hergibt, in der Nacht stehen und dürfen erst dann wieder weiterfahren, wenn auch der Berufsverkehr und die Tiroler Pendler unterwegs sind. Damit schafft man Verhältnisse, die Ärger und Verunsicherung herbei führen. Aber man ist, wie langjährige Erfahrungen zeigen, nicht in der Lage, eine tatsächliche Reduktion der Transitfahrten zu schaffen. Das ist ein Dilemma, das leider Gottes niemandem hilft.

Ohne Felipe ist die Koalition zu Ende

In den vergangenen Wochen gab es heftige Auseinandersetzungen um den Fortbestand der Tiroler Regierungskoalition. Wie lange kann Schwarz-Grün in Tirol noch funktionieren?
Ich hoffe, noch bis zum Ende der aktuellen Legislaturperiode! Ingrid Felipe hat sich, bei allen ideologischen Unterschieden, die uns logischerweise trennen, als verlässliche Koalitionspartnerin herausgestellt. Mir gefällt bei weitem nicht alles, was die Landeshauptmannstellvertreterin vorhat oder umsetzt, aber dennoch bleibt Frau Felipe ein Stabilitätsfaktor. Anders als bei den Grünen in Innsbruck, bei deren Chaospolitik man leider oft den Kopf schütteln muss.

Was meinen Sie konkret?
Herr Willi soll, wenn er schon grüne Politik machen will, endlich den innerstädtischen Zustell- und Lieferverkehr elektrifizieren und gescheite Förderungen umsetzen. Und er soll die IVB anweisen, ihre Dieselbusse abzuschaffen und auf E-Antrieb bzw. Wasserstoff umstellen. Was in Bozen, Salzburg und Graz funktioniert, das muss auch in Innsbruck umsetzbar sein. Aber statt echter Lösungen baut man lieber sinnlose Gehsteige und unterstützt sonst allerlei Schabernack. Die Innsbrucker Verkehrspolitik ist ein Murks. Da sind einige Hardliner am Werk, die alles tun, um jede Art von Individualverkehr zu behindern.

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