Saab-Nachfolger

Woche der Entscheidung: Heer gehen die Jets aus

Politik
06.07.2020 06:01

Nach jahrzehntelanger Verschleppung, desaströsen Eurofighter-Deals und wilden Drohungen Richtung Airbus wird ab Montag entschieden, wie es mit Österreichs Luftraumüberwachung weitergeht. Es zeichnet sich erneut eine Übergangslösung ab.

In sechs Monaten wird der Fliegerhorst Vogler in Linz zum Flugzeugfriedhof. Dann müssen nach jetzigem Stand die stählernen Saab 105OE, Baujahr 1970, aufgrund von Materialermüdung am Boden bleiben. Zu groß ist die Gefahr für Mensch und Maschine, seit einem halben Jahrhundert weiß man das im Ministerium. Rund 20 Prozent der Luftraumüberwachung werden dann fehlen.

Verteidigungsministerin Klaudia Tanner muss nun entscheiden, wie es weitergeht. Heute berät sie sich dazu mit dem Chef der Finanzprokuratur, Wolfgang Peschorn, danach mit allen Wehrsprechern. Peschorn deutete bereits an, dass es wohl wieder zu einer Übergangslösung kommen könnte. In deren Mittelpunkt wieder der Eurofighter stünde.

Mehr Eurofighter-Stunden statt weniger
So sieht ein derzeit zirkulierendes Szenario vor, dass die bestehenden Eurofighter nachgerüstet werden und für die nächsten Jahre die gesamte Luftraumüberwachung übernehmen, auch den bisherigen Saab-Anteil. Zumindest bis es Ersatz gibt. Eine praktikable Lösung - immerhin fliegen 15 dieser Hochleistungs-Jets bereits über Österreich, sind gut gewartet und abbezahlt.

  • Fehlt die Saab 105, muss die gesamte Jet-Ausbildung auf Jet-Trainern und auf (in Österreich nie angeschafften) Eurofighter-Zweisitzern ansteigend teuer im Ausland abgehalten werden. Zusätzlich zu hohen Kosten steigt die Abhängigkeit zu NATO-Staaten.
  • Tritt bei den Eurofightern ein Software-Upgrade- oder Materialfehler auf, ist die gesamte aktive Luftraumüberwachung des Landes außer Gefecht. Ein Manko aller Einflotten-Lösungen, egal mit welchem Typ.
  • Mehrere Bauteile wie das PIRATE-Infrarotsystem zur Identifikation in der Nacht müssten um rund 100 Millionen Euro nachgerüstet werden. Sie wurden 2007 im Zuge eines verheerenden Deals mit Airbus stolz abbestellt, eine Entscheidung, die Peschorn Sonntagabend in der „ZiB 2“ erneut kritisierte.
  • Von den derzeit 16 Flugzeugführern, die die Eurofighter bewegen dürfen, könnten demnächst vier aus Altersgründen ausfallen. Mit Krankenständen, Urlaub und Fortbildungen dünnt das System weiter aus. Verschärfend kommt hinzu, dass ein Teil der Jet-Ausbildung, die seit Jahren in Italien stattfindet, aufgrund von Corona gestoppt ist. Es kommen keine neuen Piloten nach. 

Auch radikalere Varianten auf dem Tisch
Seit 2017 werden zahlreiche weitere Lösungen durchdekliniert, eine davon sieht den Totalumstieg auf Saab Gripen C und D (Zweisitzer) vor, die über ein Leasing-Modell von der schwedischen Rüstungsbehörde kommen könnten. Erst am Mittwoch hatte Klaudia Tanner ein ominöses Facebook-Posting mit dem schwedischen Verteidigungsminister abgesetzt, das die Gerüchte über einen Deal mit den Schweden anheizte. Die tatsächliche Kostenersparnis ist dabei umstritten, Österreich hätte aber innerhalb von zwei Jahren nach Auftragserteilung die ersten Flieger, so Hersteller Saab auf Anfrage der „Kronen Zeitung“.

Neuer Trainer, altes System?
Traditionalisten, darunter viele Fliegeroffiziere, hingegen drängen darauf, die aktuelle Struktur beizubehalten. Und den Eurofighter-Einsitzer so wie bisher in Kombination mit einem modernen Trainer einzusetzen. Die M-346 aus Italien hätte hier die besten Karten. Doch auch hier würde es Jahre dauern, bis zwischen sechs und zehn Maschinen operationell und Piloten wie Bodenpersonal einsatzfähig wären. Teuer wird es in jedem Fall, ob ein aufgerüsteter Eurofighter viel mehr fliegt oder man ein zweites ,Back-up’-System beschafft. Die Verschleppung rächt sich.

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