Vorfall in Tirol

Demenzkranker Häftling bei Uniklinik „ausgesetzt“

Tirol
03.07.2020 11:00

Wegen seiner Demenzerkrankung hat das Gericht einen Häftling der Justizanstalt Innsbruck für haftunfähig erklärt. Am Dienstag wurde der Mann entlassen. Da der Insasse kein Zuhause haben dürfte, wurde er in die Ambulanz der Klinik gefahren - und zwar samt seinem gesamten Hab und Gut. Das hat für Irritationen gesorgt!

Der Inhaftierte saß seit mehreren Monaten hinter schwedischen Gardinen. Im Zuge seiner Haftstrafe ist er an Demenz erkrankt. Und zwar derart schwer, dass das Gericht entschieden hat, den Mann für haftunfähig zu erklären und zu entlassen.

Doch der Häftling dürfte keine Familienangehörigen haben, die ihn bei sich aufnehmen können. Und er dürfte auch über kein adäquates Zuhause verfügen. Wohin also soll der Erkrankte gebracht werden?

Mit sechs Umzugskartons und einer Tasche in Klinik eingeliefert
Das dürfte sich auch die Anstaltsleitung gefragt haben. Schlussendlich wurde der Mann von Rettungskräften in die Ambulanz der Klinik Innsbruck gebracht - mitsamt sechs Umzugskartons sowie einer Tasche!

„So etwas ist nicht alltäglich“
„Das war für das Ärzte- und Pflegepersonal irritierend, so etwas ist nicht alltäglich“, betont Klinik-Sprecher Johannes Schwamberger. Eine Rückfrage beim zuständigen Arzt in der Justizanstalt Innsbruck habe ergeben, dass die Klinik den Mann aufnehmen solle. „Doch diese Entscheidung liegt bei unserem diensthabenden Arzt. Eine stationäre Aufnahme war nicht notwendig“, so Schwamberger.

Platz auf Gerontopsychiatrie in Hall gefunden
Trotzdem habe sich das Personal um den Mann, der augenscheinlich nicht aus medizinischen Gründen in der Klinik war, gekümmert. „Das war nicht einfach, weil alles so Knall auf Fall gegangen ist. Es gibt ein mehrseitiges Protokoll, in dem nachzulesen ist, was die Belegschaft alles versucht hat. Schließlich wurde für ihn ein Platz auf der Gerontopsychiatrie im Landeskrankenhaus Hall gefunden“, gibt der Pressesprecher preis. Dort sei man unter anderem auf Altersdemenz spezialisiert.

Personal in Hall klärt nun weitere Details ab
Das Personal in Hall nehme sich nun weiteren Agenden an. Es kläre etwa ab, ob ein Pflegegeld beantragt werden kann, und suche nach einem dauerhaften Platz für den Mann. „Sollte es keine Alternative gegeben haben, war diese Vorgehensweise von Seiten der Anstaltsleitung humaner als jene, den Mann einfach auf die Straße zu setzen“, verdeutlicht Schwamberger.

Doch hat es tatsächlich keine andere Lösung gegeben? Hätte die Anstaltsleitung nicht in Ruhe nach einem Platz für den zu entlassenen Häftling suchen können? Immerhin vergehen mehrere Tage, bis eine Entscheidung über Haftunfähigkeit gefällt wird.

„Bemühungen sind aufgrund der kurzen Zeitspanne nicht gelungen“
Die „Krone“ hat das Justizministerium mit der Causa konfrontiert. Sprecherin Christine Ratz bestätigt den Vorfall und argumentiert: „Bemühungen der Justizanstalt Innsbruck im Vorfeld, eine geeignete Unterkunft - inklusive Kontaktaufnahme bei den sozialen Diensten - beziehungsweise Angehörige ausfindig zu machen, sind leider aufgrund der kurzen Zeitspanne nicht gelungen.“

„Krankheit ist kürzlich rasch vorangeschritten“
Bleibt zu klären, worauf sich die „kurze Zeitspanne“ bezieht. Ab dem Zeitpunkt, als die Haftunfähigkeit beantragt oder beschlossen wurde? Ab dem Moment, als die Leitung wusste, dass der Inhaftierte erkrankt ist? „Im vorliegenden Fall war die Krankheit zwar schon länger bekannt, ist aber erst vor Kurzem unerwartet schnell vorangeschritten. Daher auch die besonders zügige Entscheidung des Gerichts, die die Handlungsmöglichkeiten der Justizanstalt eingeschränkt hat“, schildert Ratz.

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