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KW 26 – die wichtigsten Neuerscheinungen der Woche

Musik
27.06.2020 06:00

Musik als Lebenselixier - besonders für das Wochenende, wo man hoffentlich auch Zeit dafür hat. Wir haben für euch wieder die besten Alben und Veröffentlichungen der Woche zusammengesammelt. Quer durch alle Genres ist hier garantiert für jeden was dabei. Viel Spaß dabei!

(Bild: kmm)

The Academic - Acting My Age EP
Gemein ist den Bandmitgliedern von The Academic die Liebe zu den Strokes und Vampire Weekend, die Rolling Stones haben sie höchstpersönlich für einen Support-Slot ausgewählt und den Bandnahmen entliehen sie dem Klassiker „Der Fänger im Roggen“. Die Rockstarstory der jungen Iren, die mit ihrem 2018er Debüt „Tales From The Backseat“ die Fanherzen im Sturm eroberten, ist schnell erzählt. Massig Material hätte man zuletzt geschrieben, wodurch mit „Acting My Age“ nun eine flotte, knackige und bekömmliche 6-Track-EP auf den Markt geworfen wird, bevor auf dem Major Capitol Records wohl bald der Albumnachfolger nachgeschossen wird. Zu hören gibt es feine Indie-Hymnen, die mal an die Kaiser Chiefs, mal an sanfte Strokes erinnern. Wer eine der spannendsten irischen Bands live sehen will, kann das (hoffentlich!) am 21. Oktober in der Wiener Grellen Forelle tun. Ohne Bewertung

Acherontas - Psychic Death: The Shattering Of Perceptions
Mummenschanz-Black-Metal erfreut sich in den letzten Jahren höchster Beliebtheit. Darunter versteht man jene Subspezies im Genre, die sich gerne unter satanische Kutten stecken, sich gerne Strümpfe übers Gesicht ziehen, um möglichst anonym zu bleiben und live auf einer aufgebauten Kanzel Weihrauch schwingen. Die mittlerweile zweigeteilten Polen von Batushka wurden damit richtig berühmt, die in Deutschland ansässigen Griechen von Acherontas musizieren eine Liga darunter. Auf dem achten Album in nur 13 Jahren treffen einmal mehr klirrend-kalte Schwarzmetallpassagen auf entspannten 70er-Retro-Rock und fernöstliche Philosophien. „Psychic Death“ ist eine manische Reise in das Innere, das sich am besten mit Kopfhörern und bei Kerzenschein und Rotwein erfassen lässt. Eine Verbeugung vor dem 90er-Jahre-Black-Metal mit okkulter Note. Solide und gewohnt stark. 7/10 Kronen

AchtVier - Diddy
„Zwei Assis trumpfen auf“ heiß AchtViers Debüt 2007 mit Bonez MC. Der eine ist mittlerweile Top-Star und füllt mit RAF Camora die großen Hallen und Arenen im deutschsprachigen Raum, der andere war bis 2013 beim Hamburger Proletenkollektiv 187 Strassenbande aktiv und versucht seither als Solokünstler zu reüssieren. Mit den Homies von damals hat der 35-Jährige gebrochen, der Arbeitseifer ist trotzdem respektabel. „Diddy“ zeigt den Künstler in jungen Jahren mit seinem Vater, dem er das Album auch widmet. Doch auf seinem mittlerweile zehnten Album bleibt natürlich noch genug Zeit für fette Beats, tighte Reime und ordentlich dicke Hose, was Songtitel wie „Big Pimp“, „Motherfucker“ oder der Opener „Stück Scheiße“ schon erahnen lassen. Features gibt es u.a. von Marvin Game, Alex Diehl oder Reeperbahn Kareem. Stabiles Werk. 7/10 Kronen

Ahab - Live Prey
Heidelberg, Ort der bleiernen Schwere. Das glaubt man zumindest, wenn man mit den Funeral-Doomstern Ahab vertraut ist. Seit 2004 sind die Moby-Dick-Fans federführend in ihrem Genre und haben sich eine erkleckliche Fanschar erarbeitet. Fünf Jahre nach dem letzten Studiorundling „The Boats Of The Glen Carrig“ hätte man sich gut und gerne einmal ein richtiges Album gewünscht, doch vorerst muss man mit einem Livedokument Vorlieb nehmen. „Live Prey“ wurde 2017 beim „Death Row Fest“ in Jena mitgeschnitten bläht fünf Songs auf fast eine Stunde Spielzeit auf. Gespielt wird ausschließlich Material ihres gefeierten 2006er Debüts „The Call Of The Wretched Sea“, das durch hinzugefügte Ambient-Parts und die Liveatmosphäre noch einmal einen ganz neuen Anstrich erzählt. Essenziell für Fans und durchaus Bekömmliche für jene, die mal schnuppern wollen. Ohne Bewertung

Ament - American Death Squad EP
In ziemlich genau einer Woche hätten Pearl Jam das erste triumphale Österreich-Konzert nach sechs Jahren Abstinenz geben sollen. Warum es nicht dazu kommt, ist hinlänglich bekannt, mit dem gutklassigen Studioalbum „Gigaton“ können sich Fans der Grunge-Legenden zumindest trösten. In der Quarantäne ist aber auch Bassist Jeff Ament fad geworden, der eine ganze besondere, noch nicht einmal sieben Minuten lange EP aus den Hüften schießt. Einen Song pro Tag wollte er schreiben, „egal wie beschissen er am Ende klingt“. Aufgrund der aktuellen Ereignisse in den USA geht Ament durchwegs politisch vor. Die ersten zwei Songs hat er am Piano geschrieben, die weiteren drei auf der Gitarre. Qualitativ natürlich Lichtjahre vom Hauptarbeitgeber entfernt, aber allemal ein netter Zeitvertreib. Ohne Bewertung

Arca - Kick-I
Zugänglichkeit ist nicht das große Ziel von Arca. Kanye West hat Arca 2013 als Produzentin für sein Opus Magnum „Yeezus“ verpflichtet, als sie ihm bewusst sperrige Musik schickte, auch mit Frank Ocean, Björk oder FKA Twigs hat sie schon des Öfteren gerne und fruchtbar zusammengearbeitet. Arca bezeichnet sich seit zwei Jahren als nichtbinär und spielt auch live gerne mit verschiedenen Genderästhetiken. „Kick-I“ ist der lang ersehnte Nachfolger des selbstbetitelten 2017er Albums und zeigt sie gewohnt schwer fassbar und allumfassend in der dargebotenen Popstruktur. Eine dekonstruierte Mischung aus Pop, Elektronik und Industrial im träumerisch-paralysierenden Korsett mit außerirdisch anmutender Stimmleistung. Das empathische, sinnliche und auch expressive Album wird mit Gastauftritten von Björk, Rosalia oder Sophie verstärkt. Ein genderfluides Art-Pop-Kunstwerk, das aber nicht jedem gleichermaßen gewahr werden wird. Aufmerksames Hören wird hier empfohlen. 7,5/10 Kronen

Baal & Mortimer - Deixis
Sich selbst zu bewerben ist Alexandra Grübler scheinbar nicht so wichtig. Unter dem Banner Baal & Mortimer entführt sie ihre Hörer schon seit einigen Jahren in krude Klangsphären, tut dies aber ohne Facebook-Seite, einem privaten Instagram-Profil und auch Spotify war bislang kein Thema. Wer ihren Art-Pop sehen und hören wollte, der war in kleineren Clubs, auf diversen Boutique-Festivals und bei Kunstausstellungen richtig. „Deixis“ ist das Debütalbum, das sie in diversen Schlafzimmern und Studios zwischen Düsseldorf und Berlin aufgenommen hat und das sich um keine Konventionen schert. Björk oder auch Arca kommen einem beim Hörgenuss in den Sinn, chorale Echos und oszillierende Soundstrukturen geben sich die Klinke in die Hand. „Deixis“ rauscht durch die Gehörgänge wie ein Gebirgsbach in der Sommersonne. 7/10 Kronen

Bad Moves - Untenable
Krise? Welche Krise? Manchmal schwappt Musik aus den Lautsprechern, die so gar nicht in eine prekäre Zeit wie die gegenwärtige passen will, weil sie einfach nur gute Laune versprüht und sämtliche Probleme und Verfehlungen von Corona über Rassismus bis hin zum Klimawandel einfach vergessen lässt. Die Washingtoner Truppe Bad Moves zelebriert auf dem zweiten Album „Untenable“ Pop-Punk auf die sympathische Art und Weise. Der Sound ist jetzt keinesfalls mit Blink-182 oder Sum 41 zu vergleichen, sondern hat seine Wurzeln stärker im Indie-Rock- und Grunge-Bereich geschlagen. „Party With The Kids Who Wanna Party With You“ nennt sich ein Track und könnte nicht programmatischer für den lebensbejahenden Zugang der Band sein. Das man es auch mal ernster meint und von Albträumen („Night Terrors“) und schlechter Gesellschaft („Same Bad Friends“) bis hin zur prekären Arbeitslage („Working For Free“) singt, zeigt nur, wie reif die vier Jungspunde innerlich schon sind. Macht Spaß! 7/10 Kronen

Bananagun - The True Story Of Bananagun
Dass das Grundwasser in Australien manchmal von eigenartigen Substanzen durchsetzt zu sein scheint, das weiß man von so einigen Combos, die vom fernsten Kontinent zu uns herübergeschwappt sind. Bananagun lassen die Fantasie auf ihrem obskuren Debütalbum „The True Story Of Bananagun“ aber besonders wild galoppieren. Schon im Opener „Bang Go The Bongos“ hören wir Bongotrommeln, zusammenknackende Kokosnüsse und Affenlaute. Welcome To The Jungle. Eine Mischung aus „Banana Joe“ und einem imaginären neuen „Indiana Jones“-Film. Spaß und Leichtigkeit durchziehen die Kompositionen, die sich mal funking („Freak Machine“), mal Afrobeat-mäßig („Out Of Reach“) und mal 60s-psychedelisch („Perfect Stranger“) geben. Ein Album, wie ein bunter LSD-Trip, der zeitlos vergänglich klingt. Tröstlich und gemütlich zugleich. 7/10 Kronen

Bell Witch And Aerial Ruin - Stygian Bough Volume 1
Die Kooperation an sich ist nichts Neues. Das Seattle-Doom-Gespann Bell Witch hat auf seinen bisherigen Alben immer gerne mit Erik Moggridge zusammengearbeitet, der selbst Mastermind seines Dark-Folk-Projekts Aerial Ruin ist. „Stygian Bough“ ist nun das erste gemeinsame Lebenszeichen, das auch wirklich in gleichberechtigter Kreativität ausgeführt wurde. Im Prinzip wurde Bell Witch hier zu einem Trio, denn über die wuchtigen, direkt in den Magen stoßenden Wuchtkompositionen legt Moggridge seine sakrale Stimme. Ist „The Bastard Wind“ noch ein Brachialstück, sorgt das zweiteilige „Heaven Torn Low“ für mehr Atmosphäre. Zimmer abdunkeln, Rotwein eingießen und Kerze anzünden - so lässt es sich am besten in diesen Mahlstrom der Zerstörung ziehen. Das „Volume 1“ im Titel lässt auf eine dauerhafte Kooperation hoffen. 8/10 Kronen

Bruckner - Hier
Die Sehnsucht nach einem Roadtrip fließt Bruckners Debütalbum „Hier“ aus allen Poren. Die beiden Indiepop-Brüder Jakob und Matti Bruckner haben die letzten Jahre eben hauptsächlich damit verbracht, mit ihrem Bus von Hamburg nach München und über Umwege wieder zurück zu tingeln, um Bühnen zu bespielen und Erlebnisse zu sammeln. Vielleicht klingt das Album auch deshalb so träumerisch und in gewisser Weise auch tröstlich. „Never Change“ erzählt von der besonderen Bande zwischen Brüdern, „Nichts tun“ ist ein unerfüllter Wunsch und manchmal wünschen sie sich in die Rolle des „Regenmachers“ gleiten zu können. Das alles mit zarten Gitarren, bekömmlichen Melodien und einer warmen Atmosphäre. Am 11. November live im Wiener B72 und am 12. November in der Salzburger Rockhouse Bar. 6,5/10 Kronen

Carach Angren - Franckensteina Strataemontanus
Erst vor wenigen Monaten haben die Holländer von Carach Angren ihren Drummer Namtar verloren, den die ausbleibenden Erfolge mit der Zeit ermüdeten. Mit gehöriger Corona-Verspätung erscheint das sechste Studioalbum „Franckensteiner Strataemontanus“ nun von einem Duett geführt. Fans der Limburger werden wieder frohlocken, denn Seregor und Ardek liefern ihren vampirischen Symphonic Black Metal mit einer gehörigen Gothic-Kante und erinnern zurück an die seligen 90er-Jahre, als Cradle Of Filth noch relevante Alben fertigten. Wo Giftzwerg Dani Filth aber oft zu sehr ins theatralische abdriften, sind Carach Angren in Songs wie „Der Vampir von Nürnberg“ oder „The Necromancer“ meist doch basischer unterwegs. Wer keine Angst vor Streichern und viel Horrortheater hat, der wird hier garantiert glücklich. 7/10 Kronen

Céu - Apká!
Céu ist portugiesisch und bedeutet übersetzt Himmel. Dieses Pseudonym hat sich Maria do Céu Whitaker Poças zugelegt, um seit 2005 Musik zu veröffentlichen. In ihrer Heimat Brasilien ist sie ein absoluter Superstar und Stammgast in den oberen Chartregionen. In unseren Breitengraden noch relativ unbekannt, überzeugt die Künstlerin aber mit einer feinen Mischung aus Pop, Samba, Soul, Hip-Hop, Rhythm & Blues, Afrobeat und elektronischen Versatzstücken. Zeitgeistig und zeitlos gleichermaßen sind Songs wie „Coreto“, „Make Sure Your Head Is Above“ oder „Eye Contact“, die auf ihrem fünften Album „Apká!“ nun auch hierzulande für Aufregung sorgen sollen. Der Albumtitel hat übrigens keinen besonderen Hintergrund, sondern spricht auf ein Wort an, dass ihr jüngster Sohn Antonino gerne herausschreit. Ein sehr gemütliches Pop-Werk. 6/10 Kronen

Clairvoyance - Demo
Na bumm. In nur elf Minuten stellen sich vier junge Polen aus der dortigen Landeshauptstadt Warschau vor und walzen dabei alles nieder, was sich nicht rechtzeitig in Sicherheit bringen kann. Auf ihrem schlicht „Demo“ betitelten Einstand huldigen Maciej Cesarczyk und Co. dem Old-School-Death-Metal der frühen 90er-Jahre und verknüpfen dabei die stumpfe Aggression der finnischen Schule mit der Infamität der amerikanischen. „Pointless Rebirth“, „Broken Shackles“ und „Abyss“ setzen in der Grundausrichtung auf Mid-Tempo, können das Gaspedal aber auch durchtreten. Ein akustischer Morast für Liebhaber der derben Ausrichtung. Ohne Bewertung

Constipation/Necrotomb - Fucking Morbid Splitting
Die ganz grobe Kelle packen zwei befreundete Bands aus der Slowakei aus. Während Constipation eher dem stampfenden Grindcore frönen und dabei an Blood, Abscess und - ja - auch ein wenig an die Wiener Legenden Pungent Stench erinnern, ist Necrotomb eine reine Verbeugung vor den legendären Gore-Grindern von Mortician. Zahlreiche Film-, Hust- und Würgesamples tragen das Ihre zur unwohlen Grundstimmung bei und die Songs übertreten nur in den seltensten Fällen die Zwei-Minuten-Grenze. Strenge Empfehlung für Genre-Liebhaber, alle anderen werden angeekelt die Nase rümpfen. Ohne Bewertung

Dauþuz - Grubenfall 1727 EP
Was es nicht alles gibt. Mit Dauþuz (heißt so viel wie „Tod“) hat sich vor vier Jahren eine atmosphärische Black-Metal-Band gegründet, die sich thematisch ganz und gar der Minenarbeit in Deutschland und Europa verschrieben hat. Die Arbeitstiere schießen mit „Grubenfall 1727“ die zweite EP nach drei Alben in dieser kurzen Zeit aus der Hüfte und überzeugen einmal mehr mit einer wundervollen Mischung aus folkloristischen Elementen, knarzenden Riffsalven, einer kreischend-leidenden Stimme und einer bedrohlichen, weil bedrückenden Atmosphäre. „Grubenfall 1727“ ist gleichermaßen Musikkunst wie Geschichtsstunde und überzeugt auf allen Ebenen. Ohne Bewertung

Dead Carnage - From Hell For Hate
Wenn man die Großen kopiert, fällt man damit meistens auf die Schnauze. So geschieht es auch den Tschechen von Dead Carnage, die vom Bandnamen über den Albumtitel bis hin zu den einzelnen Songs kein Death-Metal-Klischee auslassen und sich wie der junge Bruder der legendären Master gebärden. Nur dass deren Mastermind Paul Speckmann, Amerikaner, der schon ewig in Tschechien lebt, wesentlich bessere Songs schreibt und auch den Spannungsbogen leichter aufrechterhalten kann. „From Hell For Hate“ kocht seine Suppe mit den Grundzutaten, doch schon nach wenigen Songs fällt auf, dass die Gewürze fast gänzlich fehlen. Death Metal, der einfach dahinplätschert und auf Dauer fadisiert. 4,5/10 Kronen

Dirty Projectors - Flight Tower EP
Unstete Zeiten erfordern kreative Ansätze. So haben sich die Dirty Projectors dazu entschieden, anstatt eines Albums im gesamten Jahr 2020 insgesamt fünf EPs zu veröffentlichen. „Flight Tower“ ist nun Nummer zwei und setzt Schlagzeugerin/Keyboarderin Felicia Douglass den Kapitänshut auf. Das Konzept besagt nämlich, dass auf den ersten vier EPs alle unterschiedlichen Bandmitglieder den Leadgesang übernehmen und auf dem Abschlusswerk dann alles geteilt wird. Felicias Version ist eine besonders warme, die in den vier Songs besonders viel Soul und Gefühl zeigt und den elektronischen Korpus mit sehr viel Basischem ausschmückt. Das gelingt gut und macht nach den nur zehn Minuten natürlich Lust auf mehr. Ohne Bewertung

Emmure - Hindsight
Es ist schon beeindruckend wie es manche Bands schaffen, allen Zeichen der Zeit und Trends zu trotzen. Als Frankie Palmiere die Band 2003 gründete war man mitten in der Deathcore-Welle, knapp 20 Jahre später hat sich das Subgenre quasi totgelaufen, Emmure aber machen immer noch weiter. Nachdem er 2015 aufgrund fragwürdiger Ansagen und zweifelhafter Ansichten die komplette Mannschaft ausgetauscht hat, hat verstärkt der Nu-Metal bei Emmure Einzug gehalten. Das macht „Hindsight“ zu einem interessanten Gebräu aus Korn, All Shall Perish und Code Orange und gibt dem Ganzen eine gewisse Zeitlosigkeit. Freilich lockt man mit dem stumpfen Geballer anno 2020 niemanden mehr hinterm Ofen hervor, Genre-Puristen werden aber Freudensalti schlagen. 5,5/10 Kronen

Evening Hymns - Heavy Nights
Fünf Jahre sind seit dem letzten Album von Evening Hymns ins Land gezogen. Mastermind Jonas Bonnetta lag derweil natürlich nicht auf der faulen Haut, für „Heavy Nights“ wurde es nun aber wirklich Zeit. Wie kein Zweiter versteht es der kanadische Folk-Troubadour, melancholische Momente mit Emotionen und fein gesponnener Musik zu verweben. Schon im Opener „I Can Only Be Good“ wird man vom tränendrüsendrückenden Momentum erfasst, dazu ertönt das Saxofon von Destroyer-Musiker Joseph Shabason. Herzschmerz, Liebe, Freiheit und Fernweh prägen das Werk, das sich vor allem in den längeren Songs wie der Single „Pyrenees“ besonders eindringlich durch die Gehörgänge wickelt. Auf „Heavy Nights“ entführt uns Bonnetta in seine ganz persönliche Katharsis und teilt sein Leid mit beeindruckender Offenheit. 8/10 Kronen

Falconer - From A Dying Ember
An der Spitze abtreten, das fällt vielen sehr schwer. Marcel Hirscher hat es geschafft, Gregor Schlierenzauer nicht. Abtreten werden auch die Schweden Falconer, das hat Bandboss und Gitarrist Stefan Weinerhall via Facebook angekündigt. Die Geschichte der Band sei auserzählt, doch bevor wirklich Schluss ist, verabschiedet sich die beliebte Folk/Power-Metal-Truppe noch mit dem ersten Album seit sechs Jahren. „From A Dying Ember“ lebt einerseits von den galoppierenden Heavy-Metal-Rhythmen und vom Gesang des Theaterdarstellers Mathias Blad, andererseits hat sich Weinerhall endlich einen langgehegten Wunsch erfüllt, indem er Flöten- und Dudelsackklänge eingewoben. Für Falconer-Fans ein mehr als würdiger und qualitativ hochwertiger Abschluss, wer seinen Metal aber lieber mit Härte und Würze hört, wird hier nicht lange glücklich sein. 7/10 Kronen

F.E.I.D.L. - F.E.I.D.L. EP
„New Punk from Vienna“ oder auch die Eigendefinition „wir können gar nicht so viel fladern wie wir kotzen wollen“ schwappen herüber, wenn man sich über das Wiener Trio F.E.I.D.L. informiert. Die erst im Vorjahr gegründete Band versucht erst gar nicht den Konsens zu finden und legt auf dem selbstbetitelten EP-Einstand vier Songs vor, die einen untrüglichen Gossencharme versprühen. „Glaub da nix“, „Im Grob“, „5 Finger Rabatt“ und „Zündschnur“ erinnern in ihrem musikalischen Nihilismus ein bisschen an die britische Fuck-Off-Welle mit den Idles oder Shame und würzt diese Vergleiche mit Wiener Lokalkolorit und anarchistischer Ausrichtung. Ohne Bewertung

Feuerschwanz - Das elfte Gebot
Über manche Austriebe im Musikbusiness kann man sich nur wundern. Etwa wie es die Mittelalterrock/Comedy-Band Feuerschwanz über die Jahre geschafft hat, regelmäßig in den vorderen Plätzen der Charts aufzutauchen. Platte Musik, witzlose Texte und peinliche Kostüme durchziehen das Dasein der Erlanger, die man in letzter Zeit auch (passenderweise) im ZDF-Fernsehgarten sieht und die neben einem vor Klischees und platten Witzen durchzogenen Platte auch noch eine Cover-Bonus-CD beistellt, auf der Songs von Rammstein, den Toten Hosen oder Ed Sheeran vergewaltigt werden. Bei Songtiteln wie „Metfest“, „Schildmaid“ oder „Lords Of Powermet“ weiß man zudem ohnehin schon, wohin die Reise geht. Nein danke, weitergehen. 1,5/10 Kronen

Art Feynman - Half Price At 3:30
Der Kalifornier hat schon auf seinem Debüt „Blast Off Through The Wicker“ bewiesen, dass er sein Verständnis von digital klingenden Sounds gerne per analogem Vierspur-Tape-Recorder umsetzt. Luke Temple, so der richtige Name des Künstlers, setzt bei „Half Price At 3:30“ auf Drum-Maschinen, eine deutlich glattere Produktion und schreckt auch vor dem so populären Autotune nicht zurück. Arthur Russell oder Sinkane als Grobvergleiche heranzuziehen, ist ob Songs wie „Ideal Drama“ oder „Night Flower“ gar nicht mal so verkehrt. Sanfter Electro-Pop im Indie-Korsett, der sich träumerisch durch die Gehörgänge schlängelt und dabei entspannt und beruhigt ertönt. 7/10 Kronen

Flock Of Dimes - Like So Much Desire EP
Es ist kein Geheimnis, dass die einen besser mit der Quarantäne umgehen können als andere. Für manche war es ein willkommener Moment, um das System runterzufahren und entspannen zu können, für andere ein Grund, die Nerven zu schmeißen. Die von den göttlichen Wye Oak bekannte Indie-Ikone Jenn Wasner muss zu den instabileren gezählt werden und hat die Erfahrungen im Lockdown auf der verletzlichen EP „Like So Much Desire“ verarbeitet. Die fünf Songs pendeln sanft zwischen Trauer und Verzweiflung, zwischen der Suche und Hoffnung und zwischen persönlicher Friedensfindung in einer aufgeregten Umgebung des Chaos. Die Streicherpassagen wurden von Freunden in deren Heimstudios eingespielt, so konnte dieses sanfte, vornehmlich akustische Kleinod entstehen, das die Künstlerin einmal von ihrer besten musikalischen Seite zeigt. Ohne Bewertung

Förgjord - Laulu Kuolemasta
Es ist kein Geheimnis, dass die wildesten Schergen des Black Metal in Finnland beheimatet sind. Die hier vorliegenden Förgjord gibt es angeblich seit 1995. Ob der Lebenslauf zur Kultgewinnung optimiert wurde, bleibt offen, denn Veröffentlichungen gibt es erst seit 2001 und so richtig in Fahrt kam die Band auch erst die letzten Jahre. „Laulu Kuolemasta“ ist dafür das dritte Album in drei Jahren und gibt die Richtung klar vor: man ist laut, man ist roh, man ist aber auch melodiös unterwegs. Förgjord bedeutet übrigens „zerstört“ und der Albumtitel übersetzt „Lieder über den Tod“. Wer kein Problem mit einer Eierschalenproduktion hat und seinen Black Metal gerne rau genießt, der könnte hier durchaus sein Seelenheil finden. 6,5/10 Kronen

G-Eazy - Everything’s Strange Here
Die Corona-Zeit haben viele Künstler gut dazu genützt, um erfolgreich zu experimentieren. Charli XCX hat vor einigen Wochen ein komplett in der Quarantäne geschriebenes Album aufgenommen, Rapper Machine Gun Kelly versucht sich auch als Rocksänger und Schmusebarde und selbst Hip-Hopper G-Eazy hat sich für seine 10-Track-Compilation „Everything’s Strange Here“ verstärkt auf das normale Singen konzentriert. Schon der eröffnende 80er-Pop-Smashhit „Everybody’s Got To Learn Sometime“ von The Korgis wird mit viel Herz und Melancholie interpretiert, die eigene Single „Free Porn, Cheap Drugs“ zeigt G-Eazy nachdenklich. Besonders eindrucksvoll ist das atmosphärische David-Bowier-Cover „Lazarus“ gelungen, das geschickt an einer drohenden Peinlichkeit vorbeischrammt. „Everything’s Strange Here“ ist mehr als bloße Lockdown-Beschallung, das Album zeigt den Kaliforner so versatil wie nie zuvor. 8/10 Kronen

Gloom - Rider Of The Last Light
Und gleich noch einmal Black Metal und was für einer! Klirrend-kalt, die Luft schneidend und zutiefst hasserfüllt tönen die insgesamt acht Kompositionen auf dem Debütalbum von Gloom durch die Boxen. Das nordische Duo hat sich schon in anderen Projekten verdingt, könnte mit dem etwas holprig benannten „Rider Of The Last Light“ aber nun auch für größere Aufmerksamkeit sorgen. Abwechslungsreichtum sind hier ebenso wenig ein Kriterium wie Ausruhphasen. Wie verrückt bolzt sich das Duo durch Songs wie „Iron Claws Of Black Metal“, „No Mercy After Sunset“ oder „Murder Yourself“ und macht gar keine Anstalten, irgendwie variieren zu wollen. In den besten Phasen klingt das Dargebotene nach alten Gorgoroth, als Schwäche kann ihn maximal die Gleichförmigkeit ausgelegt werden. Ein zorniges Manifest der akustischen Verachtung. 8/10 Kronen

Grand Pax - PWR EP
Die Britin Grand Pax fiel letztes Jahr mit ihrer Single „Bunk“ das erste Mal auf, nun gibt es den nächsten Appetizer, mit dem sich mit einer Top-Musikerin der Zukunft warm machen kann. „PWR“ bietet zwar nur drei Songs an, diese sind aber dermaßen ohrwurmträchtig und schön gelungen, dass man unmittelbar mehr will. Schon der Opener „PWR“ überzeugt mit feinem Indie-Pop, „Blur“ und „One Of Us“ schlagen in eine ähnliche Kerbe und leben vor allem von den warmen Synthesizer-Klängen. Liebe, Freundschaft, Gefühle und Zwischenmenschliches verarbeitet die 25-Jährige auf dieser hervorragenden Vorstellungs-EP. Bitte bald mehr davon! Ohne Bewertung

Grey Daze - Amends
Drei Jahre ist es mittlerweile schon wieder her, dass Linkin-Park-Legende Chester Bennington den Freitod wählte. Damals hätte es auch die Reunion von Grey Daze geben sollen, die Band, in der er groß wurde und aus der schon Ende der 90er-Jahre im Unfrieden ausschied. „Amends“ ist nun eine neu eingespielte Resteverwertung der zwei in den 90ern veröffentlichten Alben mit den alten Gesangsspuren von Chester, beglaubigt und genehmigt von Witwe Talinda. Natürlich trägt Bennington die Songs mit seiner eindrucksvollen Stimme, der eher holprige US-Rock hat aber schon aus guten Gründen schon damals nicht den Weg in den Mainstream geschafft. Gäste von Korn, Helmet oder Orgy können aus Wasser eben auch keinen Wein machen. Für Bennington-Fans, Nostalgiker und Neugierige ein schönes Album, Besonderheit ist es aber keines. 6/10 Kronen

Will Hoge - Tiny Little Movies
In der Nashville- und Alternative-Country-Szene ist Will Hoge seit mittlerweile gut zwei Dekaden eine feste Größe. Scheinbar mühelos schafft er es, das Gefühl unendlicher Landschaftsweiten und das gemütliche Sitzen am Lagerfeuer in Klänge zu gießen. Dass er sich dabei Anleihen von den ganz Großen wie Tom Petty oder den Rolling Stones genommen hat, steht ihm gut zu Gesicht. „Tiny Little Movies“ mag etwas unpolitischer als der Vorgänger „My American Dream“ (2018), doch gerade in sanften Nummern wie „Even The River Runs Out Of This Town“ oder „My Worst“ hat man das untrügliche Gefühl, dass der 47-Jährige angekommen zu scheint - wo auch immer. „Tiny Little Movies“ ist Americana im besten Sinn und begeistert mit ehrlicher Hemdsärmeligkeit. 7,5/10 Kronen

Ice Nine Kills - Undead & Unplugged: Live From The Overlook Hotel EP
Horror-Fans kennen das „Overlook Hotel“ natürlich - dort hat Stanley Kubrick vor 40 Jahren mit einem mehr als diabolischen Jack Nicholson den Kultstreifen „Shining“ abgedreht. Die an Horrorpunk-Thematiken angelehnte US-Metalcore-Band Ice Nine Kills hat dort vor einer Handvoll ausgewählter Fans ein kleines Akustikset gespielt, dass man nun in Zeiten von Corona als kleine Zwischenmahlzeit zwischen dem letzten und dem kommenden Studioalbum auf den Markt bringt. Hits wie „Savages“ oder „A Grave Mistake“ werden in Colorado ins Akustik-Gewand gewickelt und zeigen, dass das Kollektiv aus Massachusetts auch in diesem Segment zu überzeugen weiß. Bietet sich gut zu einem sommerlichen Regenguss an. Ohne Bewertung

Irae - Lurking In The Depths
Nicht umsonst ist vor allem der Black Metal ein schöner Hort für mehr oder weniger freiwillige Komik. Irae-Frontmann Vulturius etwa thront von seinem Facebook-Titelbild vollgeschmiert mit Corpsepaint in einem alten Auto und gibt misanthropische Botschaften von sich - was für ein Spaß. Weniger zu lachen hat man mit „Lurking In The Depths“, dem mittlerweile fünften Album des portugiesischen Alleinunterhalters. Dort beschwört er sein vielgewünschtes Ende der Menschheit abwechselnd auf Englisch oder Portugiesisch herauf, lässt sich dabei von einer Plastikeimer-Snare begleiten und sägt die Gitarre so obsolet, als würde er sich im Demo-Stadium der frühen Darkthrone befinden. Das macht schon Spaß, ist aber auch zu redundant und langweilig, um wirklich viel Konzentration darauf verwenden zu müssen. Puristen greifen aber sowieso zu. 6/10 Kronen

Japandroids - Massey Fucking Hall (Livealbum)
Dass Livealben derzeit eher seltener auf den Markt kommen, verwundert wenig. In Zeiten des erzwungenen Daheimbleibens hat man wohl auch wenig Lust, sich die fehlende Melange aus Bier, Schweiß und Verspielern im Wohnzimmer reinzuziehen. Das kanadische Indie-Duo Japandroids hat sich aber seit jeher nur selten an Regeln und Normen gehalten und bietet mitten im Event-Lockdown einen Toronto-Auftritt in der Massey Hall feil. Wer die Burschen kennt weiß, dass sie gerade live einen besonders wilden Sturm entfachen. In der knapp einstündigen Vorstellung bringen es die Japandroids hier auf 16 Nummern und geben dem Hörer zumindest das nicht unwichtige Gefühl, dass die Welt wie wir sie kannten, irgendwann wieder einmal kommen wird. Und Japandroids machen per se immer Spaß! Ohne Bewertung

Khruangbin - Mordechai
Das Unfassbare zu greifen versuchen, das ist seit jeher das musikalische Ziel von Laura Lee, Donald Johnson und Mark Speer, die sich über kirchliche Hintergründe vor mehr als zehn Jahren in Houston kennenlernten und seither Musik veröffentlichen, die sich jeder Beschreibung entzieht. Das vorwiegende instrumentale Happening entführt nach Südamerika, Westafrika oder Fernost. Es fürchtet sich nicht vor der sogenannten „Exotik“ und bleibt trotzdem im Kern basisch genug, um sich als „Westler“ nicht davon überrollt zu fühlen. Auf „Mordechai“ haben sie ihre bisherigen Vorsätze aber über Bord geworfen, stellen Lees sanfte Singstimme in den Mittelpunkt und stellen in Songs wie „So We Won’t Forget“ oder „Father Bird, Mother Bird“ mehr Funk der träumerischen Grundausrichtung bei. „Mordechai“ ist reisen im Kopf und ein musikalisches Feel-Good-Werk, das zu keiner Sekunde langweilt. 8/10 Kronen

Ray LaMontagne - Monovision
Vergangenheitsliebe, ohne aber allzu vergangenheitsverliebt ausgerichtet zu sein. So könnte man die Musik des US-Folkers Ray LaMontagne wohl am besten beschreiben. Seit mittlerweile mehr als 20 Jahren beglückt er uns mit feinen Nummern zwischen Acoustic und Singer/Songwriter, auf seinem achten Werk „Monovision“ vermischt er mühelos die Stärken der letzten Jahre mit einem zeitgeistigen Zugang. Schon der Opener „Roll Me Momma, Roll Me“ ist mit seiner harschen Stimme und der überdeutlichen Liebe zu Led Zeppelin ein Ereignis. Songs wie „Strong Enough“ oder „Misty Morning Rain“ sind naturbelassene Folks-Songs für lange Highway-Fahrten oder einen entschleunigten Trip in einem Truck, jedenfalls rufen sie die Sehnsucht nach unfassbaren Weiten hervor. Nick Drake und Tim Buckley lassen einmal mehr grüßen. 7,5/10 Kronen

Mike LePond’s Silent Assassins - Whore Of Babylon
In der Metalszene ist Mike LePond durchaus ein Schwergewicht. Einerseits hat der Bassist bei Symphony X den Prog Metal nachhaltig gepflegt, andererseits ist er auch mit dem ehemaligen Manowar-Recken Ross The Boss gut im Geschäft. Nebenbei blieb auch Zeit für ein - wegen Corona mehrfach verschobenes - eigenes Album namens „Whore Of Babylon“. Hier hält er den Sechssaiter, kann auf seinen famosen Power-Metal-Sänger Alan Tecchio bauen und rührt textlich einmal komplett in der US-amerikanischen Mythologie-&-Fantasy-Klischeekiste. Während etwa das an Deep Purple mahnende Schlussepos „Avalon“ wirklich zündet, sorgen Songs wie „Champion“ oder „Tell Tale Heart“ für erhöhte Kariesgefahr. Würde LePond die Härte durchziehen, gäbe es eine Krone obendrauf. 6/10 Kronen

Long Distance Calling - How Do We Want To Love?
Berechtigte Frage, die uns das deutsche Instrumental-Kollektiv Long Distance Calling in Zeiten wie diesen stellt. Das verstärkte Zusammenspiel von Mensch und Maschine wird nicht nur ob der Zukunftstheorien des Autors und Wissenschaftlers Harari ständig gegenwärtiger, die Münsteraner haben auch ihren Sound passend adaptiert. „How Do We Want To Live?“ ist das mit Abstand elektronischste Album der Band, doch keine Angst! Die Prog-Rock-Skalen irgendwo zwischen Porcupine Tree und alten Muse riffen sie immer noch geschickt auf und ab, auch die Produktion ist organisch und nachvollziehbar. Eine Kraftwerk-isierung der Band brauchen Fans von Long Distance Calling keinesfalls fürchten, der mehr als aktuelle Ansatz, den die frischgebackenen Musikautorenpreisträger in Songs wie „Voices“, „Immunity“ oder „True Negative“ verfolgen, ist aber spannend und nachverfolgenswert. Einmal mehr musizieren sie in ihrer eigenen Liga. 8/10 Kronen

Corb Lund - Agricultural Tragic
Corb Lund posiert nicht nur verdammt gerne mit seinem Stetson, dem schönen Hemd und Cowboy-Boots vor einer malerischen Waldkulissen mit frischem Holz beim Lagerfeuer, der kanadische Country-Star lebt das Image. Er ist in der sechste Generation Cowboy, im ruralen Alberta auch abseits der Musik eine beliebte Konstante und erklomm sogar schon mal die Spitze der kanadischen Charts. Die fünf Jahre Wartezeit seit dem letzten Album waren ungewohnt viel, doch „Agricultural Tragic“ versöhnt mit wundervollen Songs, die auch gerne ins Northwestern-Rock-Territorium abdriften. Die Songs handeln von Grizzly Bären, vom Arbeiten auf einer Ranch, vom Reiten der Pferde, vom Biertrinken und vom Sitzen auf der Veranda. Ein wunderschönes Abbild unberührter Natur aus vergessen geglaubten Zeiten. 7/10 Kronen

Mantar - Grungetown Hooligans II EP
Corona-Lockdown my ass! So oder so ähnlich wird sich das Bremer Duo Mantar an die Sache herangewagt haben und überbrückt die Zeit bis zum heiß ersehnten nächsten Studiowerk mit der EP „Grungetown Hooligans II“. Hanno und Erinc wurden nämlich nicht von Metal, sondern von rauen Grunge-Bands geprägt. L7 huldigt man gleich zweimal, auch Sonic Youth, The Jesus Lizard und natürlich Mudhoney dürfen auf der 8-Track-EP nicht fehlen. Dass man allzu Offensichtliches von Nirvana oder Alice In Chains gar nicht erst berührt, ist zudem schwer sympathisch. Die Spaßvögel hatten auch bei den Dreharbeiten in Florida (Hanno) und Hamburg (Erinc) sehr viel Spaß. „II“ heißt das Album übrigens, weil die Originalaufnahmen unabsichtlich gelöscht wurden. Chaoten eben, aber mit viel Liebe zur Musik und einem wirklich flotten Stelldichein. Ohne Bewertung

Obnoxious Youth - Mouths Sewn Shut EP
Viel zu oft und vor allem viel zu vorschnell wird im Musikbusiness eine „anarchische Ausrichtung“ propagiert. Meistens ist wenig dahinter, nichts als Luftblasen. Doch bei der schwedisch-finnischen Freundschaft Obnoxious Youth kann man das Wort durchaus in den Mund nehmen. Tod, Sex, Magie, Verderben, das Weltall und auch ein bisschen Satan befinden sich in den Songs der Musiker, die so sympathische und nachvollziehbare Pseudonyme wie Anal, Semen oder Cadaver tragen. „Mouths Sewn Shut“ ist zwar nur ein knapp 20-minütiges Vergnügen, nach drei Jahren Wartezeit aber besser als nichts. Neben rumpeligen Passagen gibt es auch Gitarrensoli und viel Punk-Attitüde. Das ergibt eine Mischung aus den Darkthrone rund ums Millennium, alten Misfits und 80er-Speed-Metal. Macht Spaß! Ohne Bewertung

Gabríel Ólafs - Piano Works EP
Hach Island, du Hort schöner und verschrobener Tonkunst. Irgendwas machen die Insulaner ganz weit oben richtig, denn was die knapp mehr als 300.000 Einwohner an musikalischer Kunst über die Welt schwappen, ist beispiellos. Zu den (noch) weniger bekannten Gesellen zählt der talentierte Pianist Gabríel Ólafs, der mit seinem Debütalbum „Absent Minded“ im letzten Jahr für Freude in der Szene sorgte. Mit dieser 8-Track-EP schießt er nun ein weiteres Lebenszeichen voller Einfühlsamkeit nach und zeigt, dass er ähnlich eines Yann Tiersen zu betören weiß. Ein paar neue Songs, ein paar Neuaufnahmen des Debüts und fertig ist ein melodisches und melancholisches Werk voll nordischer Schönheit. Ohne Bewertung

Orfvs - Ceremony Of Darkness EP
Kann sich unter den mitlesenden Black-Metal-Fans eigentlich noch jemand an Symphonic-Black-Metal der 90er-Jahre erinnern? Als Bands wie Dimmu Borgir, Covenant, Old Man’s Child und Co. von Norwegen aus die Welt überschwemmten und teilweise erkleckliche Erfolge feierten? Eine Art Revival wollen wohl die Finnen von Orfvs heraufbeschwören. Die vier Songs auf „Ceremony Of Darkness“, ihrem ersten Lebenszeichen nach neun langen Jahren, atmen diese Phase förmlich. Doch Obacht! Damit ist nicht die Kitsch- und Kleisterperiode genannter Bands gemeint, sondern deren Frühphasen, als eine schlechte Produktion, Keif-Vocals und kühle Atmosphäre wichtiger waren als Keyboard-Schmonz. Wer damit etwas anfangen kann, wird hier glücklich. Ohne Bewertung

Maceo Parker - Soul Food: Cooking With Maceo
Welch Wohltat in Zeiten der Unsicherheit. Auf Saxofon-Legende Maceo Parker ist eben Verlass, denn der 77-jährige Funk-Kultstar nimmt uns mit auf einen Kochkurs und liefert „Soul Food“ im allerbesten Sinn. Der Mann, der schon die Band von James Brown veredelte, setzt auf Klassiker von Aretha Franklin und Prince, greift tief in die Funk-Trickkiste und veredelt das Ganze mit eingestreuten und niemals überbordenden Saxofon-Soli. „Soul Food“ bedeutet in diesem Fall nichts anderes, als dass er bereits bekannte Klassiker mit neuer Rezeptur und ordentlicher Würze präsentiert. Absolutes Highlight: „The Other Side Of The Pillow“ von Prince, das dank Parker einen wohligen R&B-Anstrich bekommt. „Soul Food“ ist eben wie Wiener Schnitzel - das geht immer. Ohne Bewertung

Paysage D’Hiver - Im Wald
Natürlich, die Schweiz hat als Metal-Aushängeschild Tom G. Warrior und seine Kultbands Hellhammer und Celtic Frost. Samael und Coroner haben die Szene aufgerüttelt, im Rockbereich haben es Krokus und Gotthard zu grenzenüberschreitenden Ruhm gebracht, aber das wahre Genie heißt Tobias Möckl. Der ist ein Drittel der gottgleichen Atmospheric-Black-Metaller Darkspace und außerdem Alleinherrscher bei seinem weniger bekannten, musikalisch aber nicht weniger genialen Projekt Paysage D’Hiver. Auf dem ersten offiziellen Studioalbum des musikalischen Genies gibt es geschlagene zwei Stunden nordische Atmosphäre, Schneeverwehungen, Kälte, Angst, Dunkelheit, „Eulengesang“, „Schneeglitzern“ oder „Stimmen im Wald“. Mal mit Gesang, mal instrumental, aber stets mit eine unheimlich bedrohlichen Grundstimmung. Ein absolutes Meisterwerk! 9/10 Kronen

PC Nackt - Plunderphonia
„Plunderphonia“ nennt sich ein interessantes Konzept des Spartenlabels 7K! Es erschafft neue Interpretationen von bestehenden klassischen Meisterwerken, indem sie historische Auszüge von Klaiver- und Kammerorchesterkompositionen neu arrangieren und komponieren. Klassische Musik erscheint so völlig neuem Kontext. Den Beginn macht der deutsche PC Nackt, den man als Kreativkopf von The String Theory und Arbeitspartner von Apparat oder José González kennt. Er verwendet klassische Klavierkompositionen von Bach, Schubert, Mozart oder Schumann und überspielt die bereits daraus geformten MIDI-Dateien durch zwei Yamaha-Disklaviere, wodurch er den Klassikern eine völlig neue Farbe gibt. Vorwiegend was für Musiklehrer und ihre emsigen Schüler. Ohne Bewertung

Pottery - Welcome To Bobby’s Motel
Das Schönen an jungen Bands ist, dass sie noch so ungestüm, zügellos, wild und vor allem perfekt miteinander vereint sind. Die Spielfreude von einem Haufen Freunde, die in Garagen oder Zimmern proben und noch Millionen Kilometer weit entfernt von Geld und Erfolgen sind, ist unbezahlbar. Genau dieses Gefühl transportiert das kanadische Quintett Pottery auf seinem Debütalbum „Welcome To Bobby’s Motel“. War die Einstands-EP vor zwei Jahren noch ein wildes Punk-Gerammel in bester Devo und B52’s-Tradition, ist der Mut zur Experimentierfreude am Debüt schon ordentlich angewachsen. Das lose zusammenhängende „Konzeptalbum“ orientiert sich an den Talking Heads („Under The Wires“) und fürchtet sich nicht, seine Liebe für Funk zu präsentieren („Bobby’s Forecast“). Was für ein Geheimtipp - sollte man nicht verpassen! 8/10 Kronen

Pyrrhon - Abscess Time
Technical Death Metal ist so etwas wie die Königsdisziplin für die Verschrobensten unter den Verschrobenen. Irrwitzige Instrumentalleistungen, dissonante Songstrukturen, hochphilosophische Texte, die sich wahlweise hinter Grunzen oder Kreischen verbergen und meist eine linkspolitische Haltung machen das Gros des Genres aus. Pyrrhon aus Brooklyn zelebrieren das vermeintlich Ungreifbare schon mehr als ein Jahrzehnt und gelten mit ihren Fähigkeiten und der leidenschaftlichen Darbietung an das Genre als Paradebeispiele für Genre-Anführer. „Abscess Time“ ist ein fast einstündiger, ungemein fordernder Brocken, der knarzt, quietscht und bewusst wehtut, um dem Hörer jedwedes Gefühl von Eingängigkeit oder Nachvollziehbarkeit zu nehmen. Nur was für die wirklich Hartgesottenen! 6,5/10 Kronen

Remo Drive - A Portrait Of An Ugly Man
Ist es überbordendes Selbstvertrauen oder pure Arroganz, wenn man sein Debütalbum schlichtweg „Greatest Hits“ nennt? Die Amerikaner von Remo Drive haben es jedenfalls so gemacht und damit in der Indie-Szene für Aufsehen gesorgt. Vom ehemaligen Bandkorsett blieben als Fixmitglieder aber nur mehr die beiden Brüder Erik und Stephen Paulson übrig. Ob es an der fehlenden Kontrollfunktion Außenstehender liegt, dass das mittlerweile dritte Werk etwas hüftlahm klingt? Möglich wäre es, aber das Versprechen, das die Band vor drei Jahren gegeben hat, kann sie auf „A Portrait Of An Ugly Man“ nicht mehr wirklich einlösen. Die Emo-Anteile hat man zugunsten von Classic- und Indie-Rock zurückgeschraubt, aber Tracks wie „Dead Man“ oder „True Romance Lives“ scheitern im Prinzip an ihrer kompositorischen Sperrigkeit. 2020 heißt es mehr Queens Of The Stone Age als American Football, aber die Highlights wie „Ode To Joy 2“ sind rar gestrickt. Leider. 5,5/10 Kronen

Mei River - Tall Trees That Never Fell EP
In seiner Heimat Schweden kennt man Fredrik Eriksson als talentierten und zukunftsträchtigen Produzenten unterschiedlicher Künstler, nebenbei hat er aber auch immer wieder an eigenen Songs gebastelt. Mei River ist nun nicht mehr nur ein Fluss in China, sondern auch Erikssons Pseudonym, unter dem er mit der EP „Tall Trees That Never Fell“ eine autobiografische und schonungslose Eigendefinition an die Öffentlichkeit bringt. Mit seiner mystischen Debütsingle „Her“ hat er schon für Aufregung gesorgt, doch auch die anderen Songs brauchen sich nicht verstecken. Ähnlich wie US-Senkrechtstarter Lauv führt auch Mei Rivers Weg ins Herz der Hörer über ehrliche Offenheit und melancholische Bedroom-Pop-Hymnen. Auf Weiteres darf man gespannt sein! Ohne Bewertung

Andreas Schleicher - Herz Hirn Hose
Bei der deutschen Erfolgsreihe „The Masked Singer“ ist Andreas Schleicher als Vocal-Coach tätig, auch sonst ist der Sänger und Gitarrist mehr als umtriebig und tanzt gerne auf mehreren Hochzeiten. Schleicher ist auch selbst musikalisch aktiv und legt mit „Herz Hirn Hose“ nun ein Album voller Gefühlsachterbahnfahrten, Emotionen und persönlicher Erlebnisse vor. Es geht um den Wunsch des Menschen, sich mal zu „Verkriechen“, wie es sich anfühlt der zweite Mann auf dem Mond zu sein („Buzz Aldrin“) oder in „Die Liste“, wie schwierig es manchmal ist die persönliche Bucket List des Lebens ausfüllen zu können. Das wird mit allerlei Schmalzballaden und sanften Pop-Songs durchzogen und hat wenig Langzeitwirkung. Fans des Genres werden aber glücklich sein. 5/10 Kronen

Nadine Shah - Kitchen Sink
Ihre von Ace Of Base falsch verstandene Kindheit verarbeitet die britische Polit-Agitatorin Nadine Shah im Song „Ladies For Babies (Goats For Love)“. Das feministische Statement dreht sich um Typen, die von ihren Frauen Perfektion und Familie erwarten, aber nicht wirklich bereit dazu sind, eine Gegenleistung zu erbringen. „Kitchen Sink“ ist tatsächlich die Spülkastenversion eines musikalischen Statements für eine bessere und vor allem modernere Welt. Auf dem Vorgänger behandelte Shah, die pakistanische Wurzeln hat, den Krieg im Nahen Osten, in der Gegenwart findet sie die Gender-Schieflage berichtenswerter. Das tut sie gewohnt progressiv und auch destruktiv mit einer Mischung aus Pop, Post-Punk und orientalischen Sound-Versatzstücken. Popmusik zum Nachdenken, davon gibt es leider ohnehin viel zu wenig. 7,5/10 Kronen

Shed The Skin - The Forbidden Arts
Mein lieber Schwan, das walzt! Auf dem Geburtsdatum der US-Death-Metaller Shed The Skin ist zwar das Jahr 2011 vermerkt, die Gesichter hinter dem Namen sehen aber wesentlich zerknautschter aus. Kein Wunder, denn die Mitglieder spielten schon in diversen Bands wie Incantation, Soulless, Beyond Fear oder Sinister. „The Forbidden Arts“ ist das dritte Studioalbum und könnte genausogut aus Holland stammen. Die Parallelen zu den Genre-Urvätern Asphyx sind aufgrund der stumpfen und bewusst rumpeligen Vorgangsweise nicht von der Hand zu weisen, nur das Songwriting ist weniger knackig. Etwas mehr Up-Tempo und vor allem Abwechslungsreichtum hätten die elf Songs schon vertragen, aber mit Songs wie „Master Of Thralls“ oder „Black Bile Of Ceres“ macht man eine ganz passable Figur. 6,5/10 Kronen

The Soundflowers - The Soundflowers EP
Na das kommt jetzt aber überraschend. Hinter dem malerischen Projektnamen The Soundflowers befindet sich niemand Geringere als Paris Jackson, Tochter des „King Of Pop“. Ziemlich genau elf Jahre nach dessen tragischen Tod veröffentlicht sie mit ihrem Lebenspartner Gabriel Glenn ihre Debüt-EP, die aber wenig bis nichts mit dem Sound ihres übermächtigen Vaters zu tun hat. Die Soundflowers stehen für reduzierten Indie-Folk, für Strandfeeling und für eine zwanglose Hippie-Atmosphäre im gemächlichen Rahmen. Die emotionalen Songs handeln von Schmerz und Unsicherheiten, zeigen aber, dass der Apfel in punkto Talent nicht weit vom Stamm gefallen ist. Well done! Ohne Bewertung

Terrorgruppe - Jenseits von Gut und Böse
In Zeiten, wo die Toten Hosen schon in den Schlagercharts platziert werden können, die Ärzte nur mehr alle heiligen Zeiten auftauchen und auch Slime schon viel von seiner ursprünglichen Deftigkeit verloren hat, braucht es ein Korrektiv wie die Terrorgruppe mehr denn je. Das achte und „letzte“ Studioalbum „Jenseits von Gut und Böse“ lädt mit einfallslosem Cover-Artwork zwar nicht zum Spontankauf ein, aber die Wut auf Kapitalisten, Polizei und Establishment hat sich Frontmann Archi „MC“ Motherfucker mühelos erhalten. Songtitel wie „Der Trottel (Oi, Oi Oi)“, „Fettes betrunkenes dummes Schwein“ oder das kongenial betitelte „Nestle (weiß jemand, wie man dieses Scheiß-Häkchen übers e macht?)“ beweisen, dass nichts von der anarchischen Grundhaltung eingebüßt wurde. Wir werden sehen, ob dann wirklich Schluss ist, für einen Abgang wäre das Werk jedenfalls würdig. 7,5/10 Kronen

Tortured Souls - Alastor
Black Metal anno 2020. Die Band gründet sich mitten in den Corona-Wirren, März 2020, in den weststeirischen Alpen, probt aus ebenjenem Grund genau einmal miteinander und schreibt sein Debütalbum flott und unversehens via Skype und Whatsapp zusammen. Die Sense kann man nun eben auch virtuell schwingen. Tortured Souls besteht aus einigen bekannten Szeneoldies und wirkt gerade deshalb wohlüberlegt. „Alastor“ erfindet das Rad bei Gott nicht neu, doch die alten Darkthrone-, Satyricon- oder Taake-Querverweise in Songs wie „Folter“ oder „Bulldozer“ sind schon nicht so falsch. Zu den längst verblichenen Steirern Hellsaw fehlt es kompositorisch aber noch am zwingenden Songwriting und epischer Melancholie, für einen virtuell „hingepfuschten“ Einstand ist „Alastor“ aber durchaus feines Material. Weiter so! 6/10 Kronen

Trixsi - Frau Gott
Diese Selbstbeschreibung ist durchaus gelungen: „Bisschen Keller, bisschen dreckig, bisschen Rock, ganz viel Hamburg“. Die wohl schönste Metropole Deutschlands ist bekanntermaßen Hort spannender und innovativer Musikprojekte, was auch bei den gewöhnungsbedürftig benannten Trixsi nicht anders ist. Bandname und Kindergartenmalbuch-Artwork sollen jedenfalls nicht in die Irre führen lassen, auf „Frau Gott“ (feiner Albumtitel übrigens!) passt ansonsten alles ganz gut. Wer genauer sieht, findet bekannte Gesichter von Bands wie Jupiter Jones, Love A oder Herrenmagazin im Line-Up. Für eine Punkrock-Supergroup ist das Liedmaterial dann aber doch etwas zu poppig geraten, was bei Songs wie „Trauma“ oder „Autobahn“ zwar nicht stört, aber eben auch nicht in die Irre führen soll. Ist das hip? Ja. Muss man das hören? Man sollte. Revolutioniert die Scheibe die deutsche Punkrock-Welt? Das wohl eher nicht. 6,5/10 Kronen

Twinnie - Hollywood Gypsy
In ihrer Heimat Großbritannien ist Twinnie Lee-Moore schon ein richtiger Topstar - und zwar auf verschiedenen Ebenen. Im Drama „The Wife“ spielte sie an der Seite von Glenn Close und Christian Slater, in der BBC-Erfolgsserie „Doctors“ spielte sie Nikki Allcott und seit ihrer ersten Single „Cool“ im Jahr 2015 reüssiert sie auch auf dem musikalischen Parkett. Mit „Hollywood Gypsy“ legt sie nun endlich ihr Debütalbum vor und erfüllt die hoch gesteckten Erwartungen sehr bravourös. Wobei - obwohl sie in ihrer Heimat die Country-Charts dominiert, ist der Pop-Anteil in Songs wie „Daddy Issues“ oder „I Love You Now Change“ wesentlich höher ausgefallen. Durch die traditionelle Instrumentierung im Hintergrund bekommt Twinnies Sound aber eine besonders basische Note, der ihn für alle Generationen interessant macht. Textlich öffnet sich die 33-Jährige intensiver als gedacht, auch wenn sie immer wieder Humor einfließen lässt. „Hollywood Gypsy“ ist aber vor allem eine Hit-Palette, die wie für die Charts gemacht wurde. 7,5/10 Kronen

Voidceremony - Entropic Reflections Continuum: Dimension Unravel
Das Undergroundlabel 20 Buck Spin ist ein unendlich scheinender Fundus für Death-Metal-Bands im hochqualitativen Bereich. Praktisch im Monatstakt liefert man der geifernden Klientel verlässlich Perlen, die sich manchmal auch zu richtigen Underground-Topsellern mausern. Voidceremony versuchen es nach drei EPs nun endlich mit einer Full-Length und knüppeln sich so vertrackt und behände durch ihr kosmisch-okkult-philosophischen Songkapitel, wie vor mehr als 30 Jahren die Genre-Urväter Death rund um den unvergessenen Chuck Schuldiner. Die Kalifornier holzen sich durch, als hätte es die letzten 25 Jahre und ihre Entwicklungen gar nicht gegeben. Wer sich nicht an Überlänge und technisch anspruchsvollen Fills stößt, der wird das Werk gerne rotieren lassen. Der Death-Metal-Underground ist verdammt lebendig! 7/10 Kronen

Jessie Ware - What’s Your Pleasure
Achtung Zeitreise! Wenn man sich tief in das vierte Album von Jessie Ware fallen lässt, dann muss man auf jeden Fall 80er-affin sein. Nach dem famosen 2012er-Debüt „Devotion“ ging es kreativ leider eher nach unten, doch geläutert von diversen Misserfolgen und horriblen Liveshows besinnst sich die Food-Podcasterin endlich wieder auf ihre Stärken: Dancefloor-Tracks mit zeitlosem Disco-Glamour und einem guten Gespür für gute R&B-Tracks. Mit 35 scheint sich Ware ihrer ursprünglichen Stärken wieder deutlicher bewusst zu sein und wählt einen ähnlichen Ansatz wie Lady Gaga unlängst auf „Chromatica“: die Party muss einfach weitergehen, auch wenn nicht immer alles dafürspricht. Die Kylie-Minogue-Referenzen sind in Songs wie „Soul Control“ manchmal gar etwas zu gewaltig im Vordergrund, aber wer sich mit Sinnlichkeit wieder einmal so richtig dem Rhythmus hingeben will, der wird hier bestens bedient. 7/10 Kronen

Wino - Forever Gone
Scott „Wino“ Weinrich hat sich im Laufe seiner Karriere wahrscheinlich mehrere LKW-Ladungen Koks in die Nase gezogen und war auch sonst kein (Drogen)Kind von Traurigkeit. Bis zum Einreiseverbot nach Europa gingen die Besitz- und Deal-Straftaten. Andererseits ist er aber auch einer der großen „Doom-Father“ und hat mit The Obsessed, Saint Vitus und Co. Musikgeschichte geschrieben. „Forever Gone“ ist nun seine Version der „American Recordings“ von Johnny Cash. Eine Abhandlung des bunten und keinesfalls friktionsfreien Lebens mit Akustikgitarre, Whisky-getränkter Stimme und einer kräftigen Dosis Nostalgie und Einsicht. Das klingt fast schon wie ein letzter Abgesang, wofür es natürlich noch um einige Dekaden zu früh ist. Reduziert aufs Wesentliche erklingt „Forever Gone“ aber tatsächlich erhaben und ehrlich. Schönes Werk! 7,5/10 Kronen

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