Prozess vertagt

Mediziner ließ sich Pornos aus Jugend-Gefängnis schicken

Niederösterreich
31.08.2010 13:33
In den Zellen der Jugendstrafanstalt Gerasdorf (Bezirk Wien-Umgebung) sind die Telefone heiß gelaufen, obwohl Häftlingen der Besitz von Mobiltelefonen an sich strengstens verboten ist. Ein 44-jähriger Arzt versorgte jedoch zahlreiche Insassen mit den begehrten Geräten, indem er - wie er am Dienstag in seinem Prozess im Wiener Straflandesgericht unumwunden zugab - einfach 30 bis 40 Handys an einer bestimmten Stelle über die Gefängnismauer warf. Die Jugendlichen mussten diese beim Spaziergang im Innenhof nur mehr aufklauben und in ihre Zellen schmuggeln. Der Prozess wurde vertagt

"Ich habe gemerkt, wie einfach das ist, ein Handy ins Gefängnis zu bringen. Es ist ihnen mehr oder weniger vor die Füße gefallen", gab der Mediziner nun vor einem Schöffensenat (Vorsitz: Martina Hahn) zu Protokoll. Aus reiner Nächstenliebe handelte er allerdings nicht, obwohl er betonte, er habe "in meiner Haft die Isolation als äußerst dramatisch erlebt": Der 44-Jährige ließ sich von zehn Burschen und jungen Erwachsenen per MMS pornografische Fotos und Videos schicken. Das Bildmaterial druckte er sich teilweise großformatig aus, mit den Postern tapezierte er sein Zimmer in der Wohnung seiner Mutter aus.

Weil zu den Häftlingen, die ihn mit Nacktfotos versorgten, drei 15 bzw. 16 Jahre alte Burschen zählten, denen der Arzt im Gegenzug Guthaben auf die ihnen übermittelten Wertkartenhandys aufbuchte, warf ihm Staatsanwalt Gerd Hermann den Besitz von kinderpornografischem Material vor. Der Gesetzgeber hat vor einigen Jahren das Horten einschlägiger Bilder von Personen unter 18 Jahren unter Strafe gestellt, nachdem bis dahin eine Altersgrenze von 14 Jahren gegolten hatte.

Vorwurf sexuellen Missbrauchs von 13-Jährigem
Vor allem aber wurde dem Arzt der sexuelle Missbrauch eines 13 Jahre alten Buben angelastet. Erst 2005 stand der Mann wegen Missbrauchs eines damals elf Jahre alten Knaben in Krems vor Gericht. Er wurde zu zwei Jahren Haft verurteilt und in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen, weil ihm ein Psychiater Pädophilie bescheinigt und befürchtet hatte, der Mann würde ohne Therapie rückfällig werden.

Am 30. Juni 2008 wurde der Arzt als geheilt entlassen. Er fand umgehend in einem Wiener Spital eine Stelle als Turnusarzt, wo seine kriminelle Vergangenheit offenbar als unproblematisch eingestuft wurde. Er hielt weiter Kontakt zu einem um 21 Jahre jüngeren Mann, den er im Maßnahmevollzug kennen und lieben gelernt hatte. Als der junge Mann nach Gerasdorf verlegt wurde, stattete er zunächst diesen mit einem Handy aus, um mit ihm nachts telefonieren zu können: "Es war mir wichtig, den Kontakt zu ihm aufrechtzuerhalten."

Telefon-Sex mit Burschen in Gefängnis
Alsbald kam er auf die Idee, sich auch Nacktbilder von anderen, ihm völlig unbekannten Insassen zu besorgen, die sein Freund "anwarb". Zumindest teilweise dürfte der Arzt, der früher ehrenamtlich als Jugendbetreuer in einer Pfarre gearbeitet hatte, mit den fremden Burschen Telefon-Sex betrieben haben.

Unabhängig davon lernte er in seiner Freizeit neue, teilweise deutlich jüngere Freunde kennen, darunter einen 13 Jahre alten Schüler, der ihm im November 2009 erzählte, er sei im Intimbereich operiert worden. Laut Anklage forderte der Arzt den Burschen daraufhin auf, sich zu entblößen. "Er hat fünf Minuten an seinem Genital manipuliert", stellte der Staatsanwalt fest.

Der 44-Jährige leugnete das nicht, bekannte sich aber "nicht schuldig". Er habe geglaubt, der Betroffene wäre über 14. Außerdem habe sich dieser mit der inkriminierten Handlung zunächst einverstanden erklärt. Als ihn der Schüler wissen ließ, es sei ihm doch unangenehm, habe er sofort aufgehört. Daher liege keine Strafbarkeit vor.

Weitere Zeugen sollen Arzt entlasten

Das Gericht will drei zusätzliche Zeugen hören, die laut Verteidiger Helmut Graupner angeblich bestätigen können, dass der Arzt überzeugt war, der Bub, an dem er sexuelle Handlungen vorgenommen haben soll, wäre bereits über 14 Jahre alt gewesen und damit der inkriminierte Tatbestand - der Missbrauch eines Unmündigen - nicht gegeben.

Darüber hinaus soll ein zweites psychiatrisches Gutachten eingeholt werden, weil Graupner das vorliegende Gerichtsgutachten, das dem Arzt Pädophilie und eine nach wie vor vorliegende Gefährlichkeit bescheinigt, als mangelhaft rügte. Der aktuelle Sachverständige habe eine Expertise abgegeben, die nicht dem Stand der Wissenschaft entspricht, sagte Graupner.

Auf Basis dieses Gutachtens hat die Staatsanwaltschaft beantragt, den Arzt nicht nur zu einer angemessenen Freiheitsstrafe zu verurteilen, sondern darüber hinaus auf unbestimmte Zeit in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher einzuweisen.

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