SPÖ will Antworten

Digitalisierung: Den Schulen läuft die Zeit davon

Politik
27.06.2020 06:00

Österreichs Schulen am Scheideweg: Ohne Digitalisierung werden wir bei der Bildung international weiter an Boden verlieren und die Schüler nicht mehr auf die Anforderungen der modernen Welt vorbereiten können, sind Experten längst einig. Mittlerweile hat die türkis-grüne Regierung zwar „endlich“, wie Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) selbst zugeben musste, einen 8-Punkte-Plan präsentiert. Dieser werfe aber nach „jahrelangem Digitalisierungs-Winterschlaf“ mehr Fragen auf als er beantworte, ist SPÖ-Bildungssprecherin Sonja Hammerschmid überzeugt, die jetzt parlamentarische Anfragen einbringt. Die Sozialdemokraten befürchten zudem, dass sich die Regierung von der Gratis-Schulbuchaktion verabschieden wird.

Wie dringend erforderlich die Digitalisierung in der Schule nötig ist, ist angesichts der Corona-Krise mehr als deutlich geworden: Nach Ansicht von Bildungsminister Faßmann ist Österreich im europaweiten Vergleich beim Distance Learning „sehr gut unterwegs“. Die Alpenrepublik gehöre demnach mit dem soeben präsentierten „8-Punkte-Plan für den digitalen Unterricht“ zu jenen EU-Ländern, die die Anstrengungen im Bereich der Digitalisierung „massiv verstärken“.

Kanzler Kurz beschwört Geist von Bruno Kreisky
Für Bundeskanzler Sebastian Kurz stellt die versprochene Digitalisierungsreform der Schulen jedenfalls einen „großen und wichtigen Schritt“ dar. Um dies zu unterstreichen, beschworen Kanzler und Bildungsminister bei der Präsentation ihres Plans gar den Geist des verstorbenen SPÖ-Kanzlers Bruno Kreisky: Sie zogen eine direkte Linie von der von Kreisky ins Leben gerufenen Schulbuchaktion zu ihren aktuellen Reformplänen mit Tablet und Laptops für die Schüler als Herzstück. 200 Millionen Euro versprach Türkis-Grün, in das „große Paket“ zu investieren.

SPÖ, NEOS und auch FPÖ zeigten sich davon allerdings unbeeindruckt, das Ganze komme „sehr spät“ - und hinter den Überschriften würden laut Opposition viele Fragen bislang unbeantwortet bleiben. Darunter etwa auch die durchaus brisante Frage, welchen Platz die soeben erst von Kurz gelobte Schulbuchaktion künftig im Rahmen der „Digitalisierung in der Schule“ überhaupt noch hat.

Denn der Aktion fehlt es an Geld, die Rede war zuletzt, wie berichtet, von einer Lücke in der Höhe von rund 50 Millionen Euro pro Jahr. Und das, obwohl die Bestellungen von E-Books schon vor der Corona-Krise explosionsartig in die Höhe geschnellt waren - eine Entwicklung die durch das Home-Schooling der letzten Monate noch weiter beschleunigt wurde, wie die Zahl der Bestellungen für das kommende Schuljahr beweisen, wo jetzt erstmal die Millionen-Marke überschritten wurde.

Schulbuchverleger fühlen sich im Stich gelassen
Aus Verleger-Kreisen war zu erfahren, dass sich viele Schulbuchverleger von der Regierung - und auch der Vertretung in der Wirtschaftskammer - im Stich gelassen fühlen. Selbst der angekündigte 8-Punkte-Plan habe hier nicht zur Verbesserung der Situation beigetragen, wie es gegenüber krone.at heißt. Ein Betroffener formulierte es so: „Die Endgeräte sind ‚nur‘ das Werkzeug, auf denen gearbeitet wird. Aber nicht die PC-Hardware hat letztlich den Siegeszug des Computerzeitalters ermöglicht, sondern die Software.“

Die Schulbuchverleger warnten bereits zuvor vor einem „digitalen Fiasko“, das Bildungsministerium verwies hier gegenüber krone.at mit Blick auf den 8-Punkte-Plan darauf, dass die fortschreitende Digitalisierung „auch im Bereich der Unterrichtsmaterialien umfangreiche Veränderungsprozesse“ bewirke und der Einsatz von Technik kein Selbstzweck sei. In Zukunft werde es um die Frage gehen, welche Medien Pädagogen „bei einem wirkungsvollen Unterricht, der auf den individuellen Lernfortschritt der Schüler fokussiert“ unterstützen. Diese Medien gelte es entsprechend zu unterstützen, wie Iris Rauskala, Bildungsministerin in der Übergangsregierung, betont. In einem weiteren Schritt müssen dann laut Ministerium auch die geänderten Anforderungen an die Schulbücher definiert und umgesetzt werden, so Rauskala.

SPÖ bringt parlamentarische Anfragen ein
Konkrete Antworten will jetzt auch die SPÖ von der Regierung haben: Bildungssprecherin Sonja Hammerschmid, selbst früher Bildungsministerin, wird dazu parlamentarische Anfragen an ihr einstiges Ressort - und an das für die Finanzierung der Schulbuchaktion zuständige Familienministerium von Ressortchefin Christine Aschbacher - einbringen, die krone.at vorliegen.

Hammerschmid spricht darin von einem „jahrelangen Digitalisierungs-Winterschlaf“ und will etwa wissen, wofür die angekündigten 200 Millionen Euro bis 2022 im Detail eingesetzt werden - und wie die Regierung überhaupt auf diese Summe gekommen ist. Um die Summe in Relation zu setzen: Zuletzt zahlte die Schulbuchaktion pro Jahr rund 109 Millionen Euro für (Papier-)Bücher. Sowie über ein jährlich neu zu verhandelndes Sonderbudget 1,6 Millionen Euro für digitalen Content, was jedoch lediglich ein Prozent des Schulbuchbudgets ausmacht. Was die Verantwortung für die wirtschaftlichen Aspekte und die Finanzierung der Schulbuchaktion betrifft, verwies das Bildungsministerium gegenüber krone.at auf das zuständige Fachressort von Ministerin Aschbacher.

SPÖ sieht „Anfang vom Ende von Kreiskys Gratis-Schulbüchern“
Was das Herzstück der Regierungspläne betrifft, will Hammerschmid indes wissen, warum die angekündigten Tablets und Laptops nicht gratis zur Verfügung gestellt werden - eine durchaus berechtige Frage mit Blick auf den Kanzler-Vergleich mit Kreiskys Gratis-Schulbuchaktion. Die Einführung von Selbstbehalten für Tablets sei „der Anfang vom Ende von Kreiskys Gratis-Schulbüchern“, der sich im Grabe umdrehen würde, so Hammerschmid, die auch anmerkt, dass die ÖVP damals im Parlament gegen die Schulbuchaktion gestimmt hatte.

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