Aufschrei der Empörung

Bundesheer-Pläne treiben Opposition auf Barrikaden

Politik
24.06.2020 13:37

Für einen Aufschrei der Empörung haben die am Mittwoch publik gewordenen Umstrukturierungspläne von Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) in den Reihen der Opposition gesorgt. SPÖ, FPÖ und NEOS sahen in der Verkündung zudem einen Versuch - Stichwort Nebelgranate -, von der Aussage des Kanzlers Sebastian Kurz (ÖVP) im Ibiza-U-Ausschuss abzulenken - und zeigten sich unisono empört, dass dafür sogar die Sicherheit aufs Spiel gesetzt werde. Der frühere SPÖ-Ressortchef und jetzige burgenländische Landeshauptmann Hans-Peter Doskozil will „keine vorschnellen Schlüsse ziehen“, ortet er aber ein „Abdriften in Richtung eines Schweizer Modells der Miliz“. Tanner musste sich indes bereist zum Rapport beim Bundespräsidenten melden.

Doskozil (SPÖ) gibt sich in Hinblick auf die angekündigte Umstrukturierung beim Bundesheer abwartend. Er warte auf ein detailliertes Konzept von Verteidigungsministerin Tanner. Seiner Einschätzung zufolge werde es wohl eine Reduktion im Bereich der Brigaden geben. „Das alles kann man aber erst beurteilen, wenn alle Fakten am Tisch liegen“, betonte der ehemalige Verteidigungsminister am Mittwoch.

SPÖ-General Deutsch über „Kahlschlag“ entsetzt
SPÖ-Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch war hingegen laut Aussendung „entsetzt“ über die Absicht Tanners, beim Bundesheer „einen Kahlschlag vorzunehmen“. Und stellte fest: Es sei „sicher kein Zufall, dass diese Absichten gerade heute bekannt geworden sind“. Der ÖVP sei „offenbar jedes Mittel recht, um von Skandalen in den eigenen Reihen abzulenken“. Dass sie dafür sogar die Sicherheit der Österreicher und die Neutralität aufs Spiel setze, „schlägt dem Fass den Boden aus und ist an Unverantwortlichkeit nicht zu übertreffen“, so Deutsch.

Mit dem geplanten „massiven Kahlschlag“ bei Personal und militärischem Gerät sowie beim Heeresbudget sei die Sicherheit und die Neutralität Österreichs gefährdet. Die in der Verfassung vorgegebenen Aufgaben des Heeres könnten nicht mehr erfüllt werden, kritisierte SPÖ-Wehrsprecher Robert Laimer - und hielt Tanner auch einen Verstoß gegen die vom Parlament beschlossenen Sicherheitsstrategie vor.

Hofer sieht „glatten Bruch des Verfassungsgesetzes“
Einen „glatten Bruch des Verfassungsgesetzes“ sieht FPÖ-Chef Norbert Hofer in der Absicht, die schweren Waffensystem weiter zu reduzieren. Mit Tanners Plänen würde das Heer zu einem „Technischen Hilfswerk Plus Cyber-Abwehr und ABC-Schwerpunkt“ degradiert. Er hielte eine Stellungnahme des Oberbefehlshabers Bundespräsident Alexander Van der Bellen für geboten - der Bundespräsident bat die Ministerin bereits zur Unterredung, um sich umfassend in einem vertraulichen Gespräch berichten zu lassen. Für die Zukunft wurde am Mittwoch mit Van der Bellen vereinbart, „einen intensiveren Informationsaustausch zu pflegen“.

Viel schärfer fiel die Reaktion von FPÖ-Generalsekretär Michael Schnedlitz aus: „Hier zerstört man allen Ernstes unser Bundesheer und unsere Sicherheit aus politischem Kalkül zum Schutz der Machenschaften des Kanzlers Kurz. Tanner ist sofort zu feuern und für diese Aufgabe einer Verteidigungsministerin des österreichischen Bundesheeres nicht nur untragbar, sondern absolut unwürdig“, forderte er in einer Aussendung die Absetzung der Ministerin.

Empörte NEOS orten „verzweifelten Versuch einer Nebelgranate“
„Empört“ war NEOS-Verteidigungssprecher Douglas Hoyos: „Die ÖVP schreckt offenbar vor nichts zurück, um von der Kanzler-Befragung im Untersuchungsausschuss abzulenken. Die Verteidigungsministerin soll das Land verteidigen und nicht den ÖVP-Chef und seine Netzwerke“, sprach er in einer Aussendung vom „verzweifelten Versuch einer Nebelgranate“. Der Verteidigungsministerin sei offensichtlich „das Wohl ihres Parteichefs und Bundeskanzlers wichtiger als die Sicherheit Österreichs“.

Verteidigungsministerin kontert Kritikern
Tanner trat der Kritik an ihren Plänen umgehend entgegen - und relativierte die Aussage der Ressortführung im Hintergrundgespräch, die militärische Landesverteidigung sei kein Schwerpunkt mehr. Die militärische Verteidigung bleibe „im völligen Einklang mit der Bundesverfassung“ Kernaufgabe. Aber man werde andere Aufgaben daneben in den Mittelpunkt stellen.

Und: „Das Bundesheer wird stärker als je zuvor“, verwies Tanner auf eine zehnprozentige Budgetsteigerung. Es werde keine einzige Garnison geschlossen, die Truppe werde gestärkt und „wie auch im Regierungsprogramm ersichtlich ist“ sei die Struktur der Militärkommanden und Brigaden als Träger der Landesverteidigung sicherzustellen.

Aber: „Zukünftig werden wir uns aber neben der klassischen Landesverteidigung auch der zukünftigen Landesverteidigung widmen“, so die Ministerin. Denn wer die falschen Schwerpunkte setze und das Heer nicht ins 21. Jahrhundert führt, „schwächt das Heer und gefährdet die Bevölkerung“. Deshalb werde modernes Gerät angeschafft, um „neben unseren Grenzen auch die Server der Republik“ zu schützen und der Bevölkerung bei Katastrophen beizustehen.

 krone.at
krone.at
Loading...
00:00 / 00:00
play_arrow
close
expand_more
Loading...
replay_10
skip_previous
play_arrow
skip_next
forward_10
00:00
00:00
1.0x Geschwindigkeit
explore
Neue "Stories" entdecken
Beta
Loading
Kommentare

Da dieser Artikel älter als 18 Monate ist, ist zum jetzigen Zeitpunkt kein Kommentieren mehr möglich.

Wir laden Sie ein, bei einer aktuelleren themenrelevanten Story mitzudiskutieren: Themenübersicht.

Bei Fragen können Sie sich gern an das Community-Team per Mail an forum@krone.at wenden.



Kostenlose Spiele