Tote Katzen in Imst

„Tierquäler haben oft keinen Selbstwert“

Tirol
20.06.2020 13:00

In Imst schoss ein unbekannter Täter mit einer Luftdruckpistole auf eine Katze - sie starb. Aber warum machen Menschen so etwas? Ein Gespräch mit dem Psychiater Reinhard Haller.

Es ist in Zeiten des Internets oft nur ein kleines Gesicht, das Emotionen ausdrückt. In diesem Fall ist es rot, wütend oder hat Hörnchen – denn „was ich diesem Tierquäler wünsche, darf ich hier nicht schreiben“, wie ein User auf krone.at festhält.

In Imst wurde vergangenen Sonntag eine Katze gefunden, schwer verletzt – angeschossen mit einer Luftdruckpistole. Das Tier musste eingeschläfert werden, die Polizei sucht Zeugen, die „Krone“ berichtete.

Schon der zweite Fall in Imst
Schon einen Monat zuvor kam es in der Oberländer Stadt zu „einem sehr ähnlichen Fall“, wie ein Polizist auf Nachfrage schildert. Man gehe deshalb vom selben Täter aus. „Es kann sein, dass dieser aus einem Auto herausschießt“, sagt der Polizist. Die Katzenjagd zu Fuß wäre wohl zu auffällig, „zumal es in beiden Fällen keine Zeugen gibt“, wie der Beamte betont.

Was treibt Menschen zu solchen Taten?
„Man kann davon ausgehen, dass die Dunkelziffer bei Tierquälerei bei über 90 Prozent liegt“, sagt der bekannte Psychiater Reinhard Haller. Nur in den seltensten Fällen komme es tatsächlich zu einer Anzeige. Doch was treibt jemanden dazu, ein Tier zu quälen?

„Man weiß von den Tätern, die man erwischt“, erklärt Haller, „dass sie häufig wenig Selbstwert-, vielmehr Minderwertigkeitsgefühle, haben. Sie suchen sich Wesen, die quasi unter ihnen stehen, um darüber Stärke und Dominanz auszuleben.“ Dabei handle es sich oft um Menschen, denen es noch schlechter geht, Kinder oder eben Tiere. „Wie ein Einäugiger, der nur dann König ist, wenn er lauter Blinde um sich hat“, zieht der Psychiater einen Vergleich.

„Weil es etwas Gezieltes ist, ist es gefährlich“
Tierquälerei unterscheide sich von anderen Aggressionsäußerungen, denn sie seien oft geplant, die Waffe vorbereitet – und ziehen sich über einen längeren Zeitraum. „Weil es etwas sehr Gezieltes ist, ist es nicht ungefährlich“, betont der Psychiater.

Bei Kindern gilt es als „prognostisch problematischer Faktor“, erklärt Haller. Heißt, neben ständigem Schulschwänzen und Feuerlegen sei es ein Risikofaktor in der Kindheit, der bei Menschen, die kriminell werden, in der Vorgeschichte auffällig oft vorkommt.

Je menschenähnlicher, desto gefährlicher
Dabei sei natürlich zu unterscheiden, ob dies einmalig oder häufiger vorkomme, in der Gruppe oder allein passiere - oder ob es sich um eine Fliege oder einen Hund handelt. „Je menschenähnlicher das Tier ist, desto geringer wird die Hemmschwelle, dass die Aggressionen sich irgendwann dem Menschen gegenüber entladen“, erklärt der Psychiater. Aber woher rührt diese Emotionslosigkeit?

„Man kann das nicht auf einen Grund zurückführen“, sagt Haller. Es seien verschiedene Faktoren, die dazu führen können – klar ist aber, dass Kinder Liebe und Zuneigung brauchen, „emotionale Muttermilch“, wie Haller sagt. Bleibt diese verwehrt, kann es dazu führen, dass die eigenen Emotionen abgetötet werden. Das wiederum führe häufig dazu, dass später emotionale Kompetenz und Einfühlungsvermögen fehlen.

„Manchmal auch sexuell bedingt“
„Manchmal ist es therapierbar“, sagt Haller. Etwa, wenn es sich um eine neurotische Entwicklung handelt. „In anderen Fällen kann es eine sadistische Persönlichkeitsstörung sein, hier kann der Betroffene nur lernen, so damit umzugehen, dass niemand zu Schaden kommt.“ Tierquälerei könne aber auch sexuell begründbar sein - also Lustgewinn dadurch, dass anderen Schmerzen zugefügt werden - auch Tieren, wie Haller erklärt.

Umso wichtiger sei, dass Tierschützer ihre Forderungen immer wieder klarstellen – und es gute Gesetze gibt. So könne man politisch gegen dieses Störverhalten vorgehen, sagt Haller.

Maximal zwei Jahre Haft
Das Gesetz sieht für Tierquäler einen Strafrahmen von maximal zwei Jahren Freiheitsentzug vor. Unbedingte Haftstrafen gibt es aber lediglich bei extremen Tätern. Die Maximalstrafe von zwei Jahren wurde erst vor einiger Zeit eingeführt, informiert Thomas Willam von der Staatsanwaltschaft Innsbruck. Zuvor betrug das Höchstmaß gar nur ein Jahr.

Ob statt Haft alternativ eine Geldbuße ausgesprochen wird, hänge davon ab, wie sich die Tat dargestellt habe. In den überwiegenden Fällen sei dies jedoch die Praxis. Hinter Gitter müssten lediglich ganz extreme Tierquäler.

Große Bandbreite bei Taten
Die gesellschaftliche Bandbreite von verurteilten Tierquälern ist groß. „Da gibt es Jugendliche, die sich oder anderen mit ihrer Tat etwas beweisen wollen“, sagt Willam. „Dann ist es der Hausmeister, der die Nachbarn von der angeblichen Taubenplage in der Umgebung befreien möchte und die Tiere deshalb tötet. Oder ein überforderter Landwirt lässt seine Kühe verhungern - dies stellt allerdings eine atypische Form der Tierquälerei dar.“

Immer wieder Tiervergiftungen
Immer wieder kommt es vor, dass Tiere mit Ködern vergiftet werden - vor allem Hunde und Katzen. Davon zeugen zahlreiche Warnungen in den diversen sozialen Medien. „Wer beispielsweise Gift in der Erwartung streut, dass ein Hund dadurch stirbt, macht sich der Tierquälerei schuldig“, betont Willam. Denn das mutwillige Töten eines Wirbeltiers fällt unter den Paragraf der Tierquälerei. Allerdings kann man auch schon belangt werden, wenn man einen Hund etwa mit dem Fuß in den Bauch tritt oder ihn schlägt.

Zwischen 70 und 80 Fälle von Tierquälerei registriert die Tiroler Polizei durchschnittlich im Jahr. „Rund zwei Drittel werden geklärt“, informiert Polizeisprecher Stefan Eder. Bei der Rückfallquote gibt es keine signifikanten Unterschiede zu anderen Delikten.

Zivilcourage statt wegsehen
Sie gingen kerngesund aus dem Haus, aber kamen nicht mehr zurück. Intensive Suchen nach den verschwundenen Katzen blieben erfolglos. Es müssen mindestens fünf putzmuntere Fellnasen gewesen sein, die im Zeitraum einiger Jahre verschwanden. Die Besitzerin hegte einen Verdacht gegen einen Katzenfeind in der Umgebung, konnte aber nie etwas beweisen. Wäre einmal ein Tier tot gefunden worden, hätte sie es auf Giftspuren im Körper untersuchen lassen. So waren ihr freilich die Hände gebunden, eine Anzeige hätte vermutlich wenig genützt. Als der Katzenhasser später in einen anderen Ort zog, herrschte fortan Ruhe. Keine Mieze verschwand mehr spurlos - über Jahre. Dafür erzählte der Mann einem Bekannten, dass er oft schon Katzen Rattengift verabreicht habe. Der Fall, der sich in Tirol ereignete, unterstreicht die Vermutung von Psychiater Haller, dass die Dunkelziffer bei Tierquälerei bei über 90 Prozent liegt. Hier soll keinesfalls Vernaderern das Wort geredet werden, aber um diesen Prozentsatz zu senken, braucht es Menschen, die bei Verdacht nicht wegschauen. Zum Wohl der Tiere. P. Freiberger, Kronen Zeitung

Anna Haselwanter
Anna Haselwanter
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