"Super-Bakterium"

Zwei Infektionsfälle mit resistenten Keimen in Graz

Steiermark
27.08.2010 13:36
Jenes Antibiotika-resistente "Super-Bakterium" aus Indien und Pakistan, vor dem kürzlich britische Forscher gewarnt haben, hat es nun auch nach Österreich geschafft. In Graz hat man zwei Fälle von Infektionen mit Darmbakterien, die durch das Gen NDM-1 gegen das Spitalsantibiotikum Carbapenem resistent geworden sind, festgestellt. Die Experten zeigen sich aber gelassen: Erstens sei das "nichts Neues", zweitens seien die heimischen Kliniken und Labore bestens vorbereitet. Einer der beiden Betroffenen wurde bereits wieder gesund entlassen.

Österreich ist keine "Insel" - was auch für das Auftreten von antibiotikaresistenten Bakterien gilt: "Weltweit treten immer wieder multiresistente Keime auf. So auch an unserem Universitätsklinikum. Das ist nichts Neues", sagte der ärztliche Leiter der Grazer Universitätsklinik bzw. des Landeskrankenhauses, Gernot Brunner, am Freitag. Seine Mitarbeiter entdeckten bei gezielten Laboruntersuchungen an Patientenproben die in Medienberichten als "Super-Bakterien" bezeichneten Keime.

Im Medizinsprech klingt das so: "An der Medizinischen Universität Graz wurde bei einer aktuell durchgeführten Untersuchung von multiresistenten (Carbapenem-resistenten) Patienten-Isolaten mittels molekularer Untersuchungstechniken nun erstmals dieses neue Resistenzgen (NDM1) bei zwei Patienten nachgewiesen. [...] Beide Patienten haben nach den bisherigen Untersuchungen die Bakterienstämme in Krankenhäusern im Ausland erworben. Die beiden Patienten sind bzw. waren im Uniklinikum Graz in Behandlung. Bei einem der beiden Fälle handelt es sich um eine Person, die im vergangenen Jahr im Uniklinikum Graz behandelt wurde und gesund entlassen wurde. Bei dem zweiten Fall handelt es sich um eine Person aus dem Kosovo, die derzeit noch medizinisch betreut wird."

"Weder für Patienten noch Beschäftigte bestand Gefahr"
Auch von Brunner direkt erzählt, klingen die beiden Fälle relativ unspektakulär: "Wir hatten bisher zwei Patienten. Sie kamen allerdings nicht wegen der Infektionen zu uns. Der erste war ein 30-jähriger Österreicher, der in Pakistan einen Motorradunfall hatte und dort operiert wurde. Er wurde vor einigen Monaten bei uns behandelt. Bei dem zweiten handelt es sich um ein 14-jähriges Kind, das im Kosovo primär operiert wurde und dann von uns übernommen wurde." Auch dieser Patient hätte die NDM-1-Keime sozusagen "mitgebracht". Der ärztliche Leiter der Klinik in Graz: "Die Behandlung erfolgt nach den Richtlinien. Durch die bei uns getroffenen Maßnahmen besteht weder für andere Patienten noch für Beschäftigte eine Gefahr."

Die NDM-1-Problematik wurde in der jüngsten Vergangenheit zunächst in Großbritannien zum Thema. Wissenschafter haben in einer Publikation in "The Lancet Infectious Diseases" vom Auftauchen solcher Bakterien in Indien, Pakistan und Großbritannien berichtet. Insgesamt waren in 36 Kulturen von Patienten solche multiresistenten E. coli und Klebsiella-Stämme gefunden worden.

Labors beobachten Entwicklungen routinemäßig
Allerdings ist das zwar bemerkenswert, für Experten aber keine besondere Überraschung. Der niederösterreichische Bakteriologe Michael Sturm: "Ich würde das nicht überbewerten." Eine Problematik könnte sich allerdings ergeben, wenn das Resistenzgen auf andere Bakterien, zum Beispiel Streptokokken, überwechsle.

Dazu auch Petra Apfalter von der Nationalen Referenzzentrale für Antibiotikaresistenz in Linz: "Unangenehm ist, dass man dann nur wenige andere Antibiotika zur Behandlung zur Verfügung hat." Die aber gibt es mit dem neueren Spitalsantibiotikum Tigecyclin und dem Antibiotikum Colistin, das nur im Darm wirkt und nicht in den Körper aufgenommen wird, durchaus. Apfalter: "Die österreichischen Labors schauen schon seit Jahren routinemäßig auf solche Entwicklungen." Und wenn man nachforsche, finde man solche Bakterien eben früher oder später. Wichtig sei es, sie unter Kontrolle zu halten.

Ministerium empfiehlt besondere Vorsicht
Das Neu Delhi Metallo-Beta-Laktamase-Gen-1 (kurz: NDM-1) ist für die Produktion eines speziellen Beta-Laktamase-Gens in den Bakterien verantwortlich, welches Antibiotika "knackt" bzw. abbaut. Um zu vermeiden, dass sich resistente Stämme in Österreich etablieren hat das Gesundheitsministerium empfohlen, bei Patienten nach Reisen in Indien und Pakistan und allen anderen Patienten, die zu Verdacht Anlass geben, angemessene krankenhaushygienische Maßnahmen einzuleiten und ein Screening bei diesen Personen und deren engen Kontaktpersonen vorzunehmen.

Die resistenten Bakterien können für Mediziner dann zum Alptraum werden, wenn die Bekämpfung durch Mutationen besonders schwierig wird bzw. nicht die geeigneten Medikamente zur Verfügung stehen. Für besonders geschwächte Patienten kann eine Infektion u.U. tödlich enden. Zum anderen macht das Enzym NDM-1 die Bakterien gerade gegen die Carbapeneme genannte Sorte von Antibiotika resistent, die bei solchen multiresistenten Keimen bislang noch gut wirken. Und zum Dritten liegt das Gen auf einem mobilen genetischen Element. Dadurch kann es - auch speziesübergreifend - von Bakterium zu Bakterium weitergegeben werden und sich so auch auf andere Erreger verbreiten.

Gute Nachricht bis dato: Die Bakterien, in denen man bisher NDM-1 gefunden habe, machten normalerweise nicht krank. Sie kommen typischerweise in der Darmflora vor, ohne krank zu machen.

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