Streit im U-Ausschuss

Ibiza: ÖVP/Grüne lehnen Original-Video vorerst ab

Politik
15.06.2020 09:55

Der Ibiza-U-Ausschuss hat sich vorerst gegen die Annahme des Original-Ibiza-Videos entschieden. Schon vor der Sitzung am Montag hatte es allerdings deutliche Differenzen zwischen den Fraktionen gegeben. Während NEOS und FPÖ klar für die Annahme des Videos sind, zeigte sich die SPÖ etwas zurückhaltender. Ablehnend äußerten sich die Fraktionen der Regierungsparteien ÖVP und Grüne. Ausschuss-Vorsitzender Wolfgang Sobotka (ÖVP) begründete seine Entscheidung, das Video nicht anzunehmen, schließlich damit, dass der Oberste Gerichtshof festgestellt habe, die Herstellung des folgenschweren Ibiza-Videos sei „rechtswidrig“ passiert. Stattdessen solle der U-Ausschuss nun das als Beweismittel sichergestellte Material des Bundeskriminalamts, das derzeit bei der Staatsanwaltschaft liegt, sichten.

Das Video war dem U-Ausschuss vom Anwalt des mutmaßlichen Ibiza-Drahtziehers Julian H. angeboten worden. H.‘s Anwalt Johannes Eisenberg hatte in einem Schreiben an Sobotka offeriert, dem Ausschuss das Video direkt zu übermitteln. Sobotka hatte daraufhin ein Rechtsgutachten beim Rechts- und Legislativdienst des Parlaments in Auftrag gegeben, um den Umgang mit diesem Angebot zu prüfen. Auf Basis dieses Gutachtens habe er das Angebot nicht annehmen können, sagte er am Montag.

„Das Video als solches wurde ja bereits vom Bundeskriminalamt an die Staatsanwaltschaft übermittelt. Wir harren nun darauf, dass wir dieses Material als Beweismittel sichten können“, so Sobotka. Beweismittel im U-Ausschuss müssten „rechtlich sauber“ sein und der OGH haben entschieden, dass die Herstellung des Ibiza-Videos rechtswidrig passiert sei: „Die Weitergabe dieses Materials verstößt daher gegen geltendes österreichisches Recht.“

ÖVP: „Brauchen keine sonderbaren Angebote aus dem Ausland“
Wichtig sei außerdem, dass das Material, das dem U-Ausschuss vorgelegt werden soll, nur Themen beinhalte, die auch tatsächlich im Ausschuss Thema sind, und dass keine Persönlichkeitsrechte Dritter verletzt würden. Sobotkas Parteikollege, ÖVP-Fraktionsführer Wolfgang Gerstl, verwies auf die Rechtsstaatlichkeit. Die Lieferung könne „rechtlich einwandfrei“ durch die österreichische Justiz erfolgen, so Gerstl: „Wir brauchen keine sonderbaren Angebote aus dem Ausland.“

NEOS: „Entscheidung rechtlich nicht zu argumentieren“
Bei den meisten anderen Fraktionen bzw. deren Vorsitzenden war der Unmut durchaus merkbar. NEOS-Abgeordnete Stephanie Krisper bezeichnete die Entscheidung als „rechtlich nicht zu argumentieren“. Es stimme auch nicht, dass der U-Ausschuss von Dritten nichts annehmen könne: „Die Verfahrensordnung schließt das nicht aus.“ Derselben Meinung war SPÖ-Fraktionsführer Jan Krainer. So sei es auch in der Vergangenheit passiert, dass Beweismaterial über Dritte in den U-Ausschuss gekommen sei.

Gibt es verschiedene Versionen des Videos?
Krainer mutmaßte, dass möglicherweise unterschiedliche Varianten des Videos existieren: „Wenn dem so ist, dann sollten wir versuchen, rechtlich sauber an beide Varianten zu kommen.“

Auch Krisper will nun versuchen, über ihre Funktion als Abgeordnete das Video des Anwalts für den U-Ausschuss zu bekommen: „Der Anwalt wurde nie gefragt, ob er das Video den Ermittlern der Soko Tape übergeben würde. Das zeigt einmal mehr, wie unfassbar ineffizient hier gearbeitet wurde“, meint Krisper und spricht sogar von „Behinderung der Justiz“.

Auch von der FPÖ kamen scharfe Töne. Die Grünen sollen laut FPÖ-Abgeordnetem Martin Graf keinen Vertreter zu „der informellen Sitzung“ geschickt haben. „Offensichtlich wussten sie das Ergebnis schon vorher“, feixte Graf. Graf plädiert für eine offizielle und beschlussfähige Sitzung des Untersuchungsausschusses am Rande der kommenden Plenartage, damit sich die Fraktionen mittels Abstimmung deklarieren können.

Grüne Fraktionschefin „offiziell entschuldigt“
Grünen-Fraktionsführerin Nina Tomaselli betonte gegenüber der APA, dass sie bei dem Treffen am Montag „offiziell entschuldigt“ gewesen sei und Sobotka dies auch kundgetan habe. In der Sache merkte Tomaselli an, dass es sich „nur noch um Tage“ handeln könne, bis das Video auf einem „sauberen und legalen Weg“ über die Staatsanwaltschaft in den U-Ausschuss komme. Sie könne die Ungeduld verstehen, es sei aber wichtig, einen „geradlinigen“ und rechtlich sauberen Weg zu gehen.

Auch die Verfahrensrichterin Ilse Huber und der Verfahrensanwalt Andreas Joklik, die gemeinsam mit Sobotka vor die Journalisten getreten waren, verteidigten die Entscheidung, die man sich „sehr genau angeschaut“ habe. Joklik zufolge galt es, zwei Stränge zu trennen, nämlich das Strafrecht und die Verfahrensordnung. Und bei beidem habe es Bedenken gegeben. Er glaube aber in Anlehnung an Bundespräsident Alexander Van der Bellen „an die Schönheit der Verfahrensordnung“, so Joklik: „Wir werden das Problem lösen.“ Auch Huber merkte an, dass sich über Gesetzesauslegungen „immer streiten“ lasse, hier sei die Sache aber relativ eindeutig. Als Vertreter der Justiz nahm Sektionschef Christian Pilnacek am Treffen teil.

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