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KW 24 – die wichtigsten Neuerscheinungen der Woche

Musik
13.06.2020 06:00

Musik als Lebenselixier - besonders für das Wochenende, wo man hoffentlich auch Zeit dafür hat. Wir haben für euch wieder die besten Alben und Veröffentlichungen der Woche zusammengesammelt. Quer durch alle Genres ist hier garantiert für jeden was dabei. Viel Spaß dabei!

(Bild: kmm)

Ambrose Akinmusire - On The Tender Spot Of Every Calloused Moment
Mit seinem letzten Album „Origami Harvest“ hat es Ambrose Akinmusire endgültig in die Oberliga des Jazz geschafft, denn damit landete er in den Bestenlisten renommierter Magazine und Zeitungen wie der „New York Times“. Der in Oakland geborene Trompeter mit nigerianischen Vorfahren gilt nicht nur als einer der besten seiner Zunft, sondern würzt seine Musik auch stets mit gesellschaftskritischen und politischen Statements. „On The Tender Spot Of Every Calloused Moment“, sein fünftes Album für Blue Note, könnte mit seinem Ansatz, die Vor- und Nachteile des schwarzen Amerika zu beleuchten nicht besser in diese Zeit passen. Den Kampf gegen Rassismus und gesellschaftliche Spaltung führt er mit feiner Klinge, sanft und durchdacht. Mit „Roy“ gibt es auch eine wunderbare Hommage an seinen verstorbenen Mentor Roy Hargrove. Ein weiteres Top-Album des 38-jährigen Trompeters. 8/10 Kronen

Aversions Crown - Hell Will Come For Us All
Ein ungeschriebenes Gesetzt besagt seit jeher, dass man in einer Band grundsätzlich jeden ersetzen kann, außer den Sänger. Ja, auch bei den Rolling Stones oder Led Zeppelin, wenn die technischen Fertigkeiten ausreichen. Die Australier von Aversions Crown haben auf „Hell Will Come For Us All“, einem passend dystopisch benannten Werk, den mittlerweile dritten Schreihals verschlissen - und das bei insgesamt erst vier Alben. Tyler Miller macht seine Sache aber gottlob ausgezeichnet und gibt der erneut gereiften Band den richtigen Spin. Die harschen Deathcore-Songs sind geprägt von vehementen Blastbeats und einer düsteren Atmosphäre, die handelsübliche Sci-Fi-Thematik hat man wohl nicht zuletzt wegen der aktuellen Weltlage gegen Gesellschaftskritisches eingetauscht. Songs wie „Caught In The System“ oder „Hymn Of Annihilation“ werden jeden Bühnengraben zum Hort von Moshpits erklären. Innovation gibt es wenig, die Qualität ist aber durchgehend hoch angesiedelt. 7,5/10 Kronen

Michael Angelo Batio - More Machine Than Man
Der Kalifornier Michael Angelo Batio ist einer der besten Gitarristen und vor allem Shredder der Welt und weist - wenn es um die bloße Geschwindigkeit geht - sogar einen Alleskönner wie Cacophony-Legende Marty Friedman mühelos in die Schranken. Mit seiner Glam-Rock-Band Nitro revolutionierte er zudem in den späten 80er-Jahren nicht nur die örtliche Szene, sondern auch die Möglichkeiten, was Haarspray-durchsprühte Wunderfrisuren anbelangte. Seit vielen Jahren ist er solo unterwegs und hält seine Underground-Legende mit mehr oder weniger guten Alben am Leben. „More Machine Than Man“ zeugt natürlich von massig Selbstvertrauen, auf seinem ersten Studiowerk seit 2013 zeigt der mittlerweile 64-Jährige aber auch eindrucksvoll, warum er der König des Speeds und des Fingerverrenkens ist. Bei zwei Tracks ist am Schlagzeug ex-Lamb Of God Chris Adler zu hören, ansonsten rifft er sich möglichst hart und ohne Gesang durch eine knappe Stunde Selbstbeweihräucherung. Kann man haben, muss man aber nicht. 6/10 Kronen

Jehnny Beth - To Love Is To Live
Jehnny Beth heißt eigentlich Camille Berthomier und ist die Frontfrau einer der spannendsten Bands des neuen Jahrtausends: den Savages. Die All-Girl-Post-Punk-Band begeisterte leider nur zwei Alben lang und liegt seit drei Jahren auf Eis. Die Mitgliederinnen sind seither aber ausgeschwärmt, um sich anderen Projekten oder eben Solokarrieren zu widmen. Beths Prozess zum Solodebüt „To Love Is To Live“ hat schon vor mehr als vier Jahren begonnen. Sie wachte schweißgebadet nachts auf, las im Internet, das David Bowie verstorben war und hörte sich seinen Abgesang „Blackstar“ wieder und wieder an. An die mortale Genialität ihres Idols kommt sie zwar nicht heran, dieses Manifest aus Art-Pop, Darkwave und New Wave funktioniert aber famos. Mit ihrem langjährigen Songwritingpartner Johnny Hostile lässt sie sich in unangenehme Elektronik fallen, bei „How Could You“ schaut Idles-Frontmann Joe Talbot als Gast vorbei. Die sich um Sexualität, Selbstbestimmung und Gleichberechtigung drehenden Texte rutschen aber auch gerne ins Balladeske und werden von Pianos getragen. „To Love Is To Live“ will erarbeitet werden - begeistert dann aber mit unheimlicher Schönheit. 8/10 Kronen

Boney James - Solid
Manchmal sind die kontinentalen Diskrepanzen wirklich so gewaltig, dass man es eigentlich nicht glauben kann. Boney James etwa wurden in den USA bereits viermal für den Grammy nominiert und landet in den dortigen Jazz-Albumcharts mit einer selbstverständlichen Regelmäßigkeit so gut wie immer auf Platz eins - in Europa ist er hingegen nur Genre-Insidern ein Begriff und weit davon entfernt, markante Verkaufszahlen vorlegen zu können. Der Urban Jazz des leidenschaftlichen Saxofonisten ist gleichermaßen anspruchsvoll wie leichtfüßig. Wie immer webt er seine Hip-Hop- und Smooth-Jazz-Einflüsse in sein musikalisches Gebräu und ist dabei alles andere als solide. Es ist ein angenehmes, fein dahinfließendes Sommeralbum, das die Hirnsynapsen entkrampft und zur wundervollen Entspannung lädt. Die Funk-Einflüsse würzen das feine Album zusätzlich. Sehr starkes Teil. 8/10 Kronen

BPMD - American Made
Herrgott, wie viele Supergroups verträgt die Welt eigentlich noch? Die nächste mäandert im Hard Rock-/Heavy Metal-Bereich, nennt sich BPMD und besteht aus den altbekannten Szenegranden Bobby „Blitz“ Elsworth (Overkill), Mike Portnoy (ex-Dream Theater), Phil Demmel (ex-Machine Head) und Mark Menghi (Metal Allegiance). Vier Amerikaner, denen es schon vor Corona langweilig wurde und die sich zehn Tracks lang an ihren eigenen großen Helden orientieren. Der Albumtitel „American Made“ macht klar, dass man sich den Heroen der eigenen Heimat widmet. Egal ob Aerosmith („Toys In The Attic“), ZZ Top („Beer Drinkers & Hell Raisers“), Lynyrd Skynyrd („Saturday Night Special“) oder Grand Funk Railroad („We’re An American Band“) - vor dem Altherren-Quartett ist nichts sicher. Das bringt natürlich jede Kellerrock-Party in Schwung, aber die Frage, wozu man all das überhaupt braucht, wenn die Originale unerreichbar gut sind, bleibt stehen. 5/10 Kronen

Sammy Brue - Crash Test Kid
Die Amerikaner lieben es, sich deutsche Wörter zu eigen zu machen. Da ist die Rede vom „Zeitgeist“ oder vom „Wunderkind“. Als solches wurde von der Fachpresse unlängst Sammy Brue bezeichnet und - naja - soweit liegt man mit der Einschätzung dann auch gar nicht daneben. Brue ist zarte 18 Jahre jung, hat aber schon drei Eps und ein vollwertiges Album zu Buche stehen und war zudem bis zur Corona-Krise im Vorprogramm von zwei der spannendsten Acts der Gegenwart gebucht: Michael Kiwanuka und der Marcus King Band. Mit „Crash Test Kid“ liefert der erst 18-Jährige aus Utah nun sein Gesellenstück ab. Ein wunderbares Album im Singer/Songwriter-Segment, das mal sanft gen Country, selten Richtung Folk, aber durchaus gerne Richtung Roots-Pop ausschlägt. Mit „True Believer“ oder der Single „Megawatt“ hat er richtige Hits vorzuweisen und das ganze Album durchzieht ein angenehmes Gefühl von Aufbruchsstimmung und Fernweh. Genau das richtige in geschlossenen Zeiten wie derzeit. Den jungen Mann sollte man sich unbedingt notieren! 8/10 Kronen

Built To Spill plays the songs of Daniel Johnston
Mit dem tragischen Leben des US-Singer/Songwriters Daniel Johnston könnte man Bücher füllen (was wohl nicht passieren wird), im September des Vorjahres starb er vermutlich an einer Herzattacke. Zurückgelassen hat er uns oft schwer zugängliche Songpreziosen, die aber absolute Perlen der Musikkunst sind. Ein großer Bewunderer von Johnstons Kunst war zeit seines Lebens Kurt Cobain, ihm verfallen sind aber auch die US-Indie-Helden Built To Spill. Die haben ihn vor drei Jahren bei einigen Gigs sogar noch als Liveband unterstützt und huldigen ihrem Helden und Freund nun mit einem gut halbstündigen Coveralbum, das unterschiedliche Songs aus den verschiedensten Schaffenszeiten vorlegt. Der große Unterschied: Built To Spill geben den introvertierten, oft schwer zugänglichen Songs einen sonnigen, sommerlichen Anstrich. Ein wundervolles Album für leichtfüßige Momente. 7,5/10 Kronen

Chloe x Halle - Ungodly Hour
R&B-Göttin Beyoncé ist mehr als nur mitentscheidend für das Bestehen und den Karriereauftrieb des Schwestern-Duos Chloe und Halle. Sie coverten als Kinder Songs ihrer großen Heldin, feierten damit große YouTube-Erfolge und wurden schließlich von der Top-Künstlerin höchstselbst bei ihrem Label Parkwood Entertainment unter Vertrag genommen. Außerdem waren sie auch auf Beyoncés Album „Lemonade“ zu sehen. Nach dem in den USA erfolgreichen Debüt „The Kids Are Alright“ vor zwei Jahren ist „Ungodly Hour“ die erwartete Transformation ins Erwachsenenalter. Das bedeutet nicht, dass man an der Erfolgsformel viel verändert hätte. Flotte R&B-Hymnen, manchmal etwas ins Balladeske gedrückt, aber stets mit den herausragenden Stimmen der beiden veredelt. Als Beyoncé das Album erstmals hörte, hatte sie nichts an den beiden Grammy-Nominierten auszusetzen. So werden große Karrieren gegründet und gepflegt. 7/10 Kronen

John Craigie - Asterisk The Universe
Es ist manchmal schon beeindruckend zu sehen, wie sich der Zufall in die Gegenwart einpasst. So geschehen etwa bei Singer/Songwriter John Craigie, dessen aktuelles Album „Asterisk The Universe“ nicht etwa während der Corona-Zeit geschrieben wurde, inhaltlich aber unheimlich viel der derzeitigen Nöte, Sorgen und Ängste auf den Tisch legt. Es geht um persönliche und gesellschaftliche Schicksalsschläge, um die verzweifelte Unschuld, der man auch in negativen Momenten ausgeliefert ist und um die Ungewissheit, ob dieses Amerika tatsächlich noch einmal die Kurve kriegt. Das alles verpackt er mit seiner charismatisch-sanften Stimme, zurückgelehnten Blues- und Bluegrass-Kompositionen und einer völlig natürlichen Produktion in ein wundervolles Werk voll großartiger Momente. Besonders stark erklingen die Songs, wenn er sich ganz melancholisch gibt („Vallecito“) oder sein Herz komplett öffnet („Son Of A Man“). Ein famoses Album. 8/10 Kronen

Drab City - Good Songs For Bad People
Die Kunstbeflissenheit im ruppigen Berlin ruft immer wieder besonders interessante Soundkreationen hervor. Natürlich muss man in einem Habitat der Vielseitigkeit aber auch besonders kreativ sein, will man sich markant in die Köpfe der Menschen musizieren. Für den Mainstream taugt das auf dem Liebhaberlabel Bella Union veröffentlichte Debüt „Good Songs For Bad People“ von Drab City nicht. Der Electropop hat wenig Lust auf Eingängigkeit und konzentriert sich vielmehr darauf, in den Dub oder Dreampop zu mäandern und dabei auf gewöhnliche Strophen und Refrains zu verzichten. Dazu gibt es die dröhnend-weibliche Stimme von Asia in den harscheren und das samtigere Timbre von Chris in den weicheren Songs. Manchmal erinnert das an Portishead, manchmal an „Twin Peaks“, manchmal an Massive Attack. Nur dissonanter und unprofessioneller. Sollte man auf jeden Fall weiterverfolgen. 6,5/10 Kronen

Electric Mob - Discharge
Wenn die landläufige Presseinfo anfangs gleich einmal von einer Mischung aus Aerosmith und Guns N‘ Roses spricht, dann muss man sehr vorsichtig sein. Der Vergleich zwischen Electric Mob und den Big Playern im Hard-Rock-Business macht auch sicher, dass es da gewaltige Unterschiede gibt, aber die Brasilianer (!) machen ihre Sache nichtsdestotrotz wirklich gut. Das liegt in erster Linie an Frontmann Renan Zonta, der sich beim brasilianischen „The Voice“ in Szene setzte und das perfekte Organ für eine Rockband besitzt. Das Songwriting ist indes vor allem in der ersten Albumhälfte knackig. Songs wie „Devil You Know“ oder „Got Me Runnin‘“ gehen fein durchs Ohr, aber auf „Gypsy Touch“ beginnt er plötzlich zu rappen, auf „123 Burn“ mühsam zu seiern. Hätte man das Album auf seine Stärken runtergestrafft, wäre es ein adäquates Rockalbum geworden, so bleibt leider ein schaler Beigeschmack übrig. 5,5/10 Kronen

Foals - Collected Reworks Vol. 1
Corona verhindert zwar u.a. eine geplante Headliner-Europatour der famosen Foals, dafür hat Frontmann Yannis Philippakis unlängst angekündigt, man schreibe schon bald an einem neuen Album. Die Briten sind aber ohnehin omnipräsent und immer mit Arbeit beschäftigt. Um über den faden und konzertlosen Sommer zu kommen, kündigten sie unlängst eine dreiteilige „Reworks“-Reihe, auf der sie Songs querbeet aus ihrer langen Diskografie von unterschiedlichsten Künstlern remixen lassen. Teil eins erschien nun überraschend auf allen digitalen Plattformen und zeigt die Indie-Rocker 13 Songs lang im Dance- und Electro-Gewand. Freilich, wer sich mit den Foals befasst, weiß ohnehin, dass Philippakis und Co. dem Dance-Genre schon immer was abgewinnen konnten. Die Remixes von Hot Chip („My Number“), John Dahlbäck („Spanish Sahara“) oder Kulkid („Out Of The Woods“) können sich hören lassen. Fans dürfen auch interaktiv mitmachen. Starke Sache. Ohne Bewertung

Peter Gabriel - Rated PG
Genesis-Legende Peter Gabriel feierte vergangenen Februar seinen 70. Geburtstag und hat im Gegensatz zu vielen seiner Alterskollegen keine große Lust aufs Rampenlicht. Das letzte Studioalbum mit neuen Songs ist 18 Jahre alt, die letzte Tour ging 2014 über die Bühne und die Arbeit an Filmsoundtracks scheint ihm schon länger mehr Freude zu machen, als sich selbst wie die sprichwörtliche Sau durch die Dörfer zu treiben. Das ursprünglich am Record Store Day veröffentlichte „Rated PG“ ist eine Zusammenfassung vieler, meist unveröffentlichter, Songs, die er für unterschiedliche Filme wie „Wall-E“, „Natural Born Killers“ oder „Against All Odds“ verfasst hat. Man hat dabei nicht nur einen schönen Überblick über viele Jahre, sondern kann Gabriel in diesem Segment auch noch einmal beim Wachsen und Reifen zuhören. Ein El Dorado für Fans des Altmeisters. Ohne Bewertung

Geezer - Groovy
Es gibt Bands, die sind so knietief in der Stoner-Szene verankert, dass man das im Proberaum gerauchte Weed förmlich bis ins Home Office riechen kann. Dazu zählen auch die US-Amerikaner von Geezer, die sich mit Freude und Leidenschaft in allen Klischees räkeln und mit ihren bleischweren Riffs auf jeden Fall zu den stärkeren Gesellen der überbordenden Zunft zählen. „Groovy“ ist Albumtitel ist natürlich genial, schaffen es Geezer doch ihre Hörer mit monotonen Salven in einen paralytischen Zustand zu versetzen, ohne dabei auf die Nachvollziehbarkeit des eigenen Tuns zu verzichten. Manche Songs orientieren sich an den Urvätern Black Sabbath oder ZZ Top, in anderen spielt sich das Konglomerat fast schon in poppige Sphären („Slide Mountain“). Am Ende thront die „Black Owl“ fast zehn Minuten lang über unseren Häuptern und verstärkt die Trance mit ihrem stechenden Blick. Guter Stoff! 7/10 Kronen

GoGo Penguin - GoGo Penguin
Auch Redundanz kann etwas Schönes sein. GoGo Penguin, das aus Manchester stammende Fusion-Trio, hat sich vor acht Jahren in den Kopf gesetzt, die immer populärer werdende Neoklassik mit Trip-Hop, Fusion, experimenteller Musik und Ambient-angehauchten Jazz zu vermischen. Das bescherte ihnen vor fünf Jahren nicht nur einen Vertrag beim berühmten Jazz-Label Blue Note, sondern auch eine steigende Publikumsschicht. Das Geheimnis der ausschließlich instrumentalen Pinguine ist, dass sie nicht zu verkopft ans Werk gehen und damit auch für ein weniger anspruchsvolles Publikum wirksam sind. Das Piano sorgt für den Soundkorpus, Bässe und Schlagzeug werden genauso dazugeschichtet wie elektronische Segmente. Der Sound ist gediegen und niemals ausrastend. Ihr Seelenheil suchen die Briten in der Ordnung. Am 3. November sollten sie im Wiener WUK auftreten. 7/10 Kronen

House Of Lords - New World-New Eyes
Besser als das britische Parlament sind die vorliegenden House Of Lords auf jeden Fall. Die Band rund um Frontmann James Christian schippert seit mehr als 30 Jahren durch die Hard-Rock-Szene, ohne jemals wirklich den Durchbruch geschafft zu haben. Dafür waren die Amerikaner schon damals zu spät dran und ein richtiges Melodic Rock/AOR-Revival hat es seither auch nicht wirklich gegeben. Dabei sorgt Christian mit ständig wechselnder Besetzung für durchgehend hochqualitative Tonkunst. Etwa im Zwei-Jahres-Rhythmus veröffentlicht er neue Alben, ohne dabei wirklich einen Einbruch zu erleiden. Freilich sind die Songs ziemlich nach Schema F aufgebaut. Ein flotter Rocker, dann eine herzzerdrückende Ballade, bevor es wieder flotter wird. Foreigner und Whitesnake fallen einem am schnellsten ein, doch für deren Genialität fehlt es dann doch am Songwriting und den nötigen Hits. „New World - New Eyes“ ist ein starkes Lebenszeichen einer nicht kaputt zu kriegenden Band, wird aber in Zeiten von Corona wohl noch mehr öffentlichen Schiffbruch erleiden als sonst. 7/10 Kronen

Jeremias - Alma EP
Hannover ist jetzt in erster Linie nicht unbedingt das Zentrum der Aufmerksamkeit. Gut, es gibt die Scorpions, die sich seit mehr als einer Dekade auf ihrer (längst fälligen) Abschiedstournee befinden und einen mäßig erfolgreichen Fußballklub, der sich offensichtlich gerne selbst Stecken in die Speichen wirft. Jetzt gibt es aber auch Jeremias, ein hippes Quartett, dem Teenageralter gerade entwachsen, das sich mit der zweiten EP „Alma“ endgültig in die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit spielen sollte. Discofunk mit leichten Indie-Anleihen sind das Markenzeichen der adretten Burschen, die ebenso Corona-geplagt sind wie alle anderen und auf ein vollwertiges Debütalbum lieber noch warten. Müssen wir uns eben mit fünf Tracks zufriedengeben, die aber voll zu überzeugen wissen. Nicht nur dass Songs wie „Schon okay“ und „Keine Liebe“ eine gewisse Lebensreife zeigen, beweisen Jeremias auch musikalisch, dass deutscher Pop nicht immer langweilig sein muss. Freuen wir uns auf mehr! Ohne Bewertung

Magnus Karlsson’s Free Fall - We Are The Night
Magnus Karlssson ist so etwas wie der Oliver Pocher der Metalszene. Irgendwie überall dabei, ob man will oder nicht. Mal bei Kiske/Sommerville, mal bei Primal Fear, mal bei Allen/Lande oder eben mit seiner eigenen Spielwiese Free Fall. „We Are The Night“ ist das dritte Studioalbum, das er einmal mehr mit allerhand unterschiedlicher Sänger ausschmückt. Da tummeln sich dann mehr (Tony Martin, Ronnie Romero) oder weniger (Renan Zonta, Noora Louhimo) bekannte Namen, die das Melodic-Heavy-Metal-Gebräu mal besser und mal weniger gut veredeln. Im Prinzip ein astreines All-Star-Projekt für Genrefans, das weder mit Überraschungen, noch mit Innovationen aufwarten kann. Mehr Durchschnitt als „We Are The Night“ geht eigentlich nicht - außer man ist dem schwedischen Workaholic allgemein verfallen. 5/10 Kronen

Jonas Kaufmann - Otello
In diversen Medien war die Diskussion um Kaufmanns Äußeres am Cover seines neuen Albums aufregender als Verdis Oper „Otello“ selbst. Da die Hauptfigur in der Originalfassung ein Schwarzer ist und Rassismus thematisiert wird, stieß sich so mancher an Kaufmanns dunklem Teint auf dem Artwork. Warum man den Münchner per Photoshop tatsächlich dunkler gemacht hat, bleibt fraglich, musikalisch ist die von Antonio Pappano geleitete Inszenierung natürlich über alle Zweifel erhaben. Als „Mound Everest für Tenöre“ gilt Verdis spätes Meisterwerk, Kaufmann erfüllte seine 2017 angenommene Rolle freilich mit Bravour. Mit Verdi hatte Kaufmann schon 2013 erste Berührungspunkte, dieses Werk wurde schließlich in nur zwei Wochen in Rom eingespielt und begeistert mit feinen Arrangements und einer starken Klangqualität. 7,5/10 Kronen

Kodaline - One Day At A Time
In ihrer Heimat Irland sind Kodaline riesige Superstars und verkaufen die allergrößten Hallen mühelos aus. Alle ihre bisherigen drei Alben landeten dort mühelos auf Platz eins der Charts und mit ihrem bekömmlichen Stadion-Pop haben sie in den letzten Jahren auch den ganzen Kontinent erobert. Dennoch war vor allem das 2018er-Drittwerk „Politics Of Living“ von einem derart hohen Kitschfaktor durchzogen, dass sich der Hörspaß deutlich minimierte. Vom Branchenprimus Sony Music sind sie mittlerweile ebenfalls abgerückt, wodurch der brandneue Rundling „One Day At A Time“ fast ohne Marketingmaßnahmen erscheint. Darauf findet man wieder unzählige „Oooho“-Chöre und das untrügliche Gespür für Mainstream-Radiohits, vermehrt aber auch wieder sanftere Singer/Songwriter-Anklänge und den Versuch, Authentizität wieder vor den Kommerz zu stellen. An die Frühwerke reicht man nicht heran, Songs wie „Sometimes“ oder „In The End“ gehen aber wieder in die richtige Richtung. 6/10 Kronen

Larkin Poe - Self Made Man
In trendanbiedernden Zeiten wie diesen hemdsärmeligen Blues Rock zu spielen, dafür hätten sich die beiden Schwestern Rebecca und Megan Lovell alleine schon einen Preis verdient. In Atlanta, Georgia gehen die musikalischen Uhren eben noch anders und der Roots Rock erfreut sich größter Beliebtheit. Dass man Larkin Poe mittlerweile schon quer über den Globus kennt liegt einerseits an ihren regelmäßigen und starken Veröffentlichungen, andererseits auch an Touren mit Größen wie Elvis Costello, Keith Orban oder Conor Oberst. „Self Made Man“ ist das fünfte Album in sechs Jahren und vereint alles, wofür man die beiden im besten Fall liebt: ohrwurmträchtige Slide-Gitarren, zeitloser Southern Rock, eine deftige Blues-Kante und Texte über Schönheit und Glück des ruralen Amerika. Ob man sie wirklich „kleine Schwestern der Allman Brothers“ nennen muss, sollte jeder selbst für sich entscheiden. Songs wie „Holy Ghost Fire“ oder der Titeltrack überzeugen aber mühelos. Schade nur, dass die Songqualität oft Schwankungen unterworfen ist. Am 27. Februar 2021 sollen Larkin Poe im Wiener WUK spielen. 7/10 Kronen

Chris Liebing - Burn Slow Remixes Part II EP
Frisch poliert hat der Frankfurter Kult-Schranzer Chris Liebing Songs seines letzten Studiooutputs „Burn Slow“. Die Techno-Legende fühlte sich zu diesem Schritt von Goldfrapp und Depeche Mode motiviert und sieht die Remix-Serie eher als kontinuierlich an. Meditativ, transzendental und paralyiserend sind die Songs ausgefallen, mit denen man sich auch gut und gerne für ein Wochenende im kultigen Berghain einschließen kann. Der famose Track „Polished Chrome“ etwa wurde von niemand Geringerem als Chris Carter von den Industrial-Pionieren Grobbing Thristle durch den Fleischwolf gejagt. Auch Bjarki und ANNA haben sich erfolgreich an seinem Material vergriffen, Gary Numan ist auch zu hören. Fette Beats, die den von Arbeit und Alltagsstress durchtränken Kopf einmal ordentlich ausbeuteln. Gerne bald mehr davon! Ohne Bewertung

Living Gate - Deathlust EP
Ein wahres Talent erkennt man an seiner Vielseitigkeit. Living Gate ist ein brandneues Projekt honoriger Musiker aus dem (vorwiegend) belgischen Raum, die sich bei mehr oder minder bekannten Bands wie Yob, Amenra, Oathbreaker oder Wiegedood tummeln. Keine dieser Bands lässt sich auch nur ansatzweise aus den fünf Songs von „Deathlust“ heraushören, was auf jeden Fall für beteiligten Musiker spricht. Mit dieser launigen Gemeinschaftsidee geht es den Musikern vor allem darum, ihren großen Helden der Spät 80er- und Früh 90er-Death-Metal-Szene wie etwa Death, Incantation oder Morbid Angel zu huldigen. Dass sich auch durchaus neuere Größen wie Blood Incantation oder Tomb Mold in den Sound eingeschlichen haben, verleiht dem Dargebotenen zusätzlich eine spannende Note. Knapp 20 Minuten purer Verbeugung und Ehrerbietung - well done! Ohne Bewertung

Imelda May - Slip Of The Tongue EP
Die kantige Irin Imelda May kennt man vorwiegend in zweierlei Hinsicht: Einerseits als Rockabilly-Röhre, die dieses verloren geglaubte Genre mit großer Inbrunst seit Jahren am Leben erzählt, andererseits als beliebte und perfekt vernetzte Musikerin, die nicht unwesentliche Namen wie Ronnie Wood, Elton John, Jeff Beck oder Sir Tom Jones zu ihren Partnern und Freunden zählen darf. Drei Jahre nach ihrem letzten Album legt sie nun die EP „Slip Of The Tongue“ vor, die allerdings keine Musik, sondern elf verschiedene Spoken-Word-Kapitel aufzuweisen hat. Mit ihrer sensiblen und sinnlichen Stimme wird aber auch dieses Experiment zum Erlebnis. Verletzlichkeit, Selbstbestärkung und Selbstsicherheit sind die Kernthemen der Mantra-artig vorgetragenen Stücke. Auch die Liebe und Erotik werden gestreift. Schöne Poesie für Fans. Am 7. Juli 2021 spielt sie im Vorprogramm von Sting vor dem Schloss Esterházy in Eisenstadt. Ohne Bewertung

Orlando Weeks - A Quickening
England war immer gut zu seinen eigenen Indie-Rock-Zöglingen. Davon können auch die Maccabees ein Lied singen, die 2015 sogar ein Nummer-eins-Album hatten, sich aber ein gutes Jahr später endgültig auflösten und in alle Winde verstreuten. Frontmann Orlando Weeks hatte scheinbar ohnehin genug von den knackigen Rhythmen und zeigt sich auf seinem Solodebüt „A Quickening“ von einer ganz anderen, viel zarteren Seite. Vom Piano getragene Schlaflieder statt wilde Gitarrenausritte, berührende Texte über das Vaterwerden und -sein, anstatt Klischeeabhandlungen im Rock’n’Roll-Mantel. Bewusst reduziert sinniert Weeks in den Songs über das Glück, die Unsicherheiten, Sorgen und die temporäre Überforderung mit seiner Rolle als werdender Vater. Die Grenze zum Kitsch ist oft verschwindend gering, aber dafür sind Songs wie „Blood Sugar“ oder „Moon’s Opera“ dann doch zu gelungen. Wird spannend zu sehen, wie der Brite seine Karriere auf diesem Album weiter aufbaut. 7,5/10 Kronen

Ordo Sanguinis Noctis - Chtonic Blood Mysteries
Nirgendwo sonst als im Black Metal ist es gemeinhin erlaubt, sich einer derartigen Rohheit hinzugeben, dass sich grobkörniges Schmirgelpapier dagegen wie eine sanfte Satin-Bettwäsche anfühlt. Manchmal gelingt das sehr gut, manchmal weniger. In die zweitere Klasse gehört das polnische Zwei-Mann-Gespann Ordo Sanguinis Noctis, das ihr hier vorliegendes Zweitwerk schon im Vorjahr veröffentlich hat, jetzt aber noch einmal mit einem Sack voll Musikkassetten (jawohl!) zum Angriff startet. „Chtonic Blood Mysteries“ besteht aus einer unterirdischen Kellerproduktion, langweilig-monotonen Schrammelriffs der Marke „Heustadel 1988“ und das krächzend-leidende Organ von Frontmann und Drummer Wened Wilk Slawibor wäre gerne so mysteriös wie die Genre-Urväter aus Norwegen, klingt aber nur bemitleidenswert. Mit „Nokturn Wilczego Opetania“ und „Revenger Of The Netherworld Eternity“ hat man zwei semiinteressante Kostproben, der Rest ist eher primitives Geschrote um des Primitivismus Willen. 3/10 Kronen

The Other - Haunted
Mit Horropunk sind wir hierzulande mehr als gut bedient, schließlich gelten die Bloodsucking Zombies From Outer Space seit vielen Jahren auch außerhalb der Landesgrenzen so einiges. Aber auch beim großen Nachbarn tummeln sich starke Talente. The Other sind mit ihrem achten Album schon eine Institution im Genre und wissen natürlich, worauf es in diesem Genre ankommt. „Haunted“ ist dementsprechend ein mehr als vitales Lebenszeichen der Rheinländer und beweist, dass man den Urvätern Misfits nicht unbedingt nachspielen muss, um aufzufallen. Schon vom starken Opener „Mark Of The Devil“ an begeistert Frontmann Rod Usher mit „Oooh“-Chören und wird dabei punkig-flott von den Kollegen begleitet. Rhythmus, Melodien und lyrischer Horror halten sich in den Highlights „Vampire Girl“, „Absolution“ und „The Silence After The First Snow“ die Waage. Hier stirbt es sich wahrlich wunderbar - und Abnützungserscheinungen sind nicht zu erkennen. 7/10 Kronen

Paralydium - Worlds Beyond
Mit allerlei Vorschusslorbeeren sind Paralyium mit ihrer EP „The Paralydium Project“ vor fünf Jahren in die Metal-Welt gestartet, dann wurde es aber relativ schnell wieder ruhig um die Schweden. Mastermind und Gitarrist John Berg war aber nicht faul, sondern hat sich schlichtweg nicht stressen lassen bei dem Vorhaben, ein möglichst starkes Debütalbum vorzulegen. „Worlds Beyond“ bietet 45 Minuten feinste Kost für Progressive-Metal-Fans und kann die hochgesteckten Erwartungen der Szene-Insider mit Sicherheit erfüllen. Melodische Rhythmen, verschachtelte Parts und die Power-Metal-Stimme von Mikael Sehlin erschaffen ein rundes Klangkonstrukt, das vor allem in Songs wie „Crystal Of Infinity“ oder „Seeker Of The Light“ positiv heraussticht. Die Parallelen zu Symphony X oder Pagan’s Mind sind nicht zu leugnen, auch wenn man an deren Genialität nicht heranreicht. 6,5/10 Kronen

Lian Ross - 3L
Lian Ross heißt eigentlich Josephine Hiebel und ist eine Ikone in der deutschen Discoschlagerszene. In den 80er-Jahren begeisterte sie mit den beiden Single-Hits „It’s Up To You“ und „Fantasy“, unter verschiedenen Pseudonymen sang sie dann bei Tears `n Joy, Exotiva und 2 Eivissa. Als Lian Ross veröffentlicht sie dieser Tage mit „3L“ ihr drittes Soloalbum. Dass sie darauf wie eine weibliche Version von Modern Talking durchgeht, kann die Anglizismen liebende Hamburgerin nicht abstreiten. Die billigen Disco-Beats in Songs wie „Angel Of Love“ oder „If You Love Me“ schreien mit weit geöffnetem Wund nach Tanzstadl und Dorfdisco. Als ob die späten 80er nie vorbeigegangen werden, langweilt man sich eine knappe Stunde mit Songs nach Schema F und weiß irgendwann gar nicht mehr, was in der letzten knappen Stunde alles so passiert ist. „3L“ vereint all das, was man eigentlich seit weit mehr als 20 Jahren nicht mehr hören sollte. Nein danke. 2/10 Kronen

Smackbound - 20/20
Netta Laurenne ist ausgebildete Pop/Jazz- und Folk-Sängerin und in ihrer finnischen Heimat zusätzlich auch als Schauspielerin bekannt. Neben all dem hat das smarte Multitalent aber auch eine Passion für Hard Rock und Heavy Metal, was schlussendlich zum relativ neuen Projekt Smackbound geführt hat. So hat sie honorige Musiker von etablierten Bands wie Wintersun, Tracedawn und Stratovarious um sich geschart und sich an die Arbeit an das Debüt „20/20“ gemacht. Das Ziel war, die Liebe zum Metal mit Blues und Ludovico Einaudi zu verbinden. Die bekannten Singles gingen eher in eine andere Richtung. „Wall Of Silence“ ist ein catchy Ohrwurm, „Run“ steht mit beiden Beinen fest im Pop und „The Game“ ist eine pathetische, fast schon käsige Ballade. Wenn die Band - wie bei „Those Who Burn“ - einmal richtig durchprügelt, steht ihr das immer noch am besten zu Gesicht. Alles in allem ein netter Einstand. Nicht mehr und nicht weniger. 5,5/10 Kronen

Tuk Smith & The Restless Hearts - Covers From The Quarantine EP
Da ergibt sich tatsächlich die große Chance einmal als Opener von Mötley Crüe durch die größten Staiden zu touren und dann kommt dieses kleine Virus und ruiniert alle Pläne. Für Tuk Smith und seine Restless Hearts natürlich keine einfache Situation, aber wie so viele andere hat sich auch der Amerikaner dazu entschieden, seinen Frust einfach wegzuschieben und dafür lieber Musik zu kreieren. “Covers From The Quarantine“ ist unzweideutig betitelt und bot Smith auch endlich Zeit, um sich mit Akustikgitarre bewaffnet an den persönlichen Lieblingssongs zu vergreifen. Das Ergebnis ist bunt. “Life On Mars" von David Bowie, “Summertime Sadness" von Lana Del Rey und „Don‘t Change" von INXS geben sich die Klinke in die Hand. Natürlich mit rauer Rock‘n‘Roll-Stimme und viel Liebe vorgetragen. Soll uns nichts Schlimmeres passieren. Ohne Bewertung

SoKo - Feel Feelings
Stéphanie Sokolinski hat sich in den letzten Jahren in mehrfacher Hinsicht zu einem Superstar der alternativen Szene entwickelt. Einerseits mit ihrem betörend-sanften Indie-Pop, der in zwei starken Alben gipfelte. Dann als Model für Gucci, als ernstzunehmende Schauspielerin mit einer „César“-Nominierung und nicht zuletzt füllte sie mit ihrer Kurzzeitbeziehung mit Kristen Stewart auch die Klatschspalten. In den letzten Jahren wurde es aber sehr ruhig und das hatte einen gewichtigen Grund - 2018 kam ihr Sohn Indigo Blue Honey auf die Welt und entschleunigte ihr Dasein kräftig. „Feel Feelings“ ist das erste Album nach fünf Jahren und steckt voller Erlebnisse und Lebenserfahrungen. Eingespielt hat sie es mit Musikern von MGMT oder den Babyshambles, mit viel Zeit und ohne Eile. Inhaltlich ist das gefühlvolle Werk eine Mischung aus dem Hervorkehren der eigenen Verletzlichkeit und dem frischen Mutterglück. Mit „Blasphémie“ singt sie gar erstmals auf Französisch. Soko ist bei sich angekommen - und das steht ihr sehr gut. 8/10 Kronen

Spacey Jane - Sunlight
Wie Hippies schauen sie aus, die vier jungen Menschen, die auf dem Albumcover von „Sunlight“ herunterschauen. Ein bisschen Woodstock, ein bisschen Greta Van Fleet. Musikalisch ist das dann aber doch etwas ganz anderes. Spacey Jane huldigen auf ihrem Debütalbum eher der Legende von Kings Of Leon und produzieren bekömmliche Indie-Rock-Songs, die sich nicht vor dem Pop fürchten und eingängig genug für den Mainstream klingen. Es ist schon eine Gnackwatschen des Schicksals, dass man das heiß ersehnte Erstwerk ausgerechnet in einer Zeit des Live-Vakuums veröffentlichen muss. Caleb Harper und Co. ist das zumindest nach außen hin egal, sie sind voller Feuereifer - wohl auch im Wissen, dass man mit Songs wie „Head Cold“, „Skin“ oder „Hanging“ das Lebensgefühl einer ganzen Generation desillusionierter Jungerwachsener erwischt. „Sunlight“ wird seinen Weg finden, ein bisschen mehr Ecken und Kanten hätte ein Debüt aber schon vertragen. 7/10 Kronen

Stevan - Just Kids
Und schon wieder Australien - in der Ferne liegt sehr oft gute Qualität. Der fünfte Kontinent ist derzeit sowieso mit einer aufstrebenden Hip-Hop- & R&B-Szene bedacht, worin der erst 19-jährige Stevan zu den spannendsten Künstlern zählt. Das Songwriting, erzählt er gerne in Interviews, fühlt sich für ihn seltsam an, weil er sich nicht gerne einengen lässt. Deshalb bezeichnet er „Just Kids“ auch nicht als sein Debütalbum, sondern als sein Debüt-Mixtape. Das mag für den Hörer vielleicht nur ein Detail sein, für Steven ist mitunter ein Teil seiner klanglichen Identität. Stevan integriert seine markante Stimme in die unterschiedlichsten Kompositionen. Das klingt mal mehr nach R&B („Warm“), mal mehr nach Soul („LNT“) und findet sogar seine Anleihen im Dream-Pop („SUPA“). Gerade diese bewusste Stilverweigerung gestaltet das Album immens spannend und abwechslungsreich. Man kann sich (hoffentlich) ausrechnen, zu was der junge Mann in Zukunft noch imstande ist… 7,5/10 Kronen

Stinky - Of Lost Things
Nun ja, im deutschsprachigen Raum kann man über die Wahl des Bandnamens wahrscheinlich diskutieren. Stinky ruft nicht nur bei pubertären Gemütern ein gewisses Amüsement hervor, dabei gibt es gar nicht so viel zu lachen, wenn man sich auf die Musik der Franzosen konzentriert. „Of Lost Things“ ist nämlich meinungsstarker Hardcore mit sozialkritischer Note, der aber dennoch so viel Melodien aufweist, dass er näher an Comeback Kid oder Lagwagon denn an Terror oder Full Blown Chaos dran ist. Nantes ist halt nicht die Bronx. Für den Moshpit in der After-Corona-Phase hat man jedenfalls allerlei Pfeile im Köcher, die man gewinnbringend aus ebenjenem zu ziehen weiß. Auf „Revival Fire“, „Strangers With Familiar Faces“ oder „Struggle“ wird drauflosgeprügelt, als gäbe es kein Morgen mehr. „Nosedive“ zeigt Stinky auch von ihrer sanfteren Seite - naja. Ein feines Genrestück, das es so oder ähnlich aber schon x-fach gegeben hat. 6,5/10 Kronen

Thou - Blessings Of The Highest Order
Mehr als 25 Jahre nach Kurt Cobains Tod erfahren die Grunge-Schwergewichte Nirvana derzeit im und auch abseits des Mainstreams gerade ein Revival. Rundum wird fleißig gecovert und an eine der letzten wirklich innovativen Bands im Gitarrengenre gedacht - zumal man im Direktvergleich mit den Foo Fighters richtig deutlich sieht, um wie viel besser und spannender Nirvana stets waren. Die sludgigen Viel-Veröffentlicher von Thou haben sich auf „Blessings Of The Highest Order“ nun den eher unbekannteren Stücken zugewandt, was per se schon mal Sinn macht. Also kein „Smells Like Teen Spirit“, „Heart-Shaped Box“ oder „Come As You Are“, sondern „Aneurysm“, „Sifting“ oder „Even In His Youth“. Neben der Songauswahl passt auch die Umsetzung. Hart, riff-lastig und vor allem doch klar vom Original entfernt, verehren hier wirkliche Fans ihre Helden. Macht Spaß - auch mit mehr als einer Stunde Spielzeit. Ohne Bewertung

Trickfinger - She Smiles Because She Presses The Button EP
Mehr als zehn Jahre war er weg, nun ist der verlorene Sohn Ende 2019 wieder in seinen Stall zurückgekehrt: John Frusciante würgt seine Gitarre wieder bei den Red Hot Chili Peppers. Angesichts dieser gewaltigen Neuigkeiten geht es ein wenig unter, dass er unter seinem experimentellen Alter Ego Trickfinger wieder - ähm - zahlreiches experimentelles Material veröffentlicht. „She Smiles Because She Presses The Button“ soll das zweite von drei Werken (oder EPs) sein, das heuer das Licht der Welt erblickt, dann muss er Kraft und Energie wohl für das kommende Studioalbum der Rock-Superstars einsetzen. Davor gibt’s aber noch etwas Zeit für Ambient, IDM, Acid House und Electro-Klänge, wie man sie sich außerhalb einer Subgenre-Affinität ohne dieses Name-Dropping wohl nicht anhören würde. Für Frusciante geht’s hier ums Drauflosmusizieren frei von kommerziellen Gedanken und Zwängen. Für die Fans um Sammlungskomplettierung. Eine Win/Win-Situation. Ohne Bewertung

Ulthar - Providence
Mein Gott, was war das Debütalbum „Cosmovore“ für ein verqueres Stück Death Metal. Mathematisches Gefrickel konnte man vor zwei Jahren fast dazu sagen, hakten die Riffs schließlich in einer derart dissonanten Form ineinander, dass es einem schwindlig werden konnte. Zwei Jahre später legen die Kalifornier nun mit „Providence“ den in Szenekreisen ersehnten Nachfolger vor und zeigen darauf, dass es auch etwas einfacher geht. Das bedeutet keineswegs, dass nun Stumpf Trumpf ist, aber Song wie „Undying Spear“ oder „Through Downward Dynasties“ konzentrieren sich mehr auf Geschwindigkeit und das hoch angesetzte Gekeife von Frontmann Shelby Lermo als auf allzu vertracktes Gehacke. Damit ist man Bands wie Tomb Mold oder Vastum immer noch Nahe, formt sich aber auch ein Stück weit eine eigene Identität. Wer auf kauzigen Death Metal steht, macht hier wenig falsch. 6,5/10 Kronen

Valdrin - Effigy Of Nightmares
Allzu selten wird man in Tagen wie diesen mit wirklich gutem Black/Death-Metal versorgt, der nicht nur pubertär rumpelt, sondern auch eine qualitätsvolle, melodische Note aufzuweisen hat. An der Spitze dieses Genres stehen schon seit mehreren Jahren die hierzulande unbekannten US-Amerikaner Valdrin, die mit „Effigy Of Nightmares“ ihr bisheriges Opus Magnum vorlegen. Die wuchtigen Hymnen, die Songs wie „Exsanguination Tunnels“ oder das fast schon hitverdächtige „Red Burning Candles Of Hatred“ durchziehen, erinnern tatsächlich an die vielleicht beste Zeit für Extreme Metal überhaupt - die Mitte der 90er, als Dissection und Emperor die Welt revolutionierten. Die käsigen Keyboards hat man im Vergleich zurückgeschraubt, etwas Old Man’s Child-Feeling bleibt aber trotzdem erhalten und stört auch gar nicht sonderlich. Einziger Wermutstropfen: das Prachtstück ist nach 30 Minuten schon wieder beendet. Bitte mehr davon! 8,5/10 Kronen

Vega - Grit Your Teeth
Die Fackel des Hard Rock in Zeiten wie diesen weiterzutragen ist gar nicht so einfach. Gitarrenmusik im Allgemeinen erfreut sich nicht gerade bester Gesundheit, melodischer Hard Rock im Speziellen wirkt oftmals wie ein Relikt aus längst vergangenen Tagen. Mit Bands wie Vega macht das Ganze aber immer noch Spaß, weil man diese Spiel- und Lebensfreude einfach aus jeder Pore heraushört. „Grit Your Teeth“ ist bereits das sechste Album der Briten, die den ganz großen Durchbruch wohl nie schaffen werden, aber im Fahrwasser von Skid Row, älteren Bon Jovi oder Skid Row seit jeher eine mehr als akzeptable Figur machen. Die Zwillinge James und Tom Martin stricken die Melodien, die Frontmann Nick Workman mit Inbrunst durchs Mikro schreit. Klischees werden dabei keine ausgelassen, außerdem zitiert man nur allzu gerne 80er-Helden, aber mit Freude und gänzlich ohne Peinlichkeit. Für die Weltkarriere kommt man 35 Jahre zu spät, im Hard-Rock-Segment machen Vega aber unheimlich viel Spaß. 7/10 Kronen

Wargirl - Dancing Gold
Als Matt Wignall, den man eigentlich eher als Produzent der Cold War Kids oder Mandio Diao kennt, selbst eine Band gründen wollte, wollte er gängige Schemata aufbrechen. Weltoffen, kreativ und völlig grenzenlos sollte seine Band sein. Eben auch so, wie er selbst tickt. Das Debüt sorgte für zwei Jahren für ordentliches Rascheln im Blätterwald, „Dancing Gold“ ist jetzt ein wundervolles Gesellenstück, das sich hoffentlich nicht von Corona unterkriegen lässt. Die Stilvielfalt der drei Frauen und drei Männer sucht seinesgleichen. 70s-Funk, Donna-Summer-Disco-Anklänge, karibisches Flair, Old-School-Pop und eine sich durch alle Songs ziehende Indie-Atmosphäre. Im Prinzip leben Wargirl so hippie-esk wie die Crystal Fighters, nur dass sie sich wesentlich mehr Freiheiten geben und in erster Linie tanzen und erst dann Botschaften aussenden wollen. „Hang On“, „Drive“, „2069“, ach, alles ist hier ein Anspieltipp. Die Gute-Laune-Platte der Woche. 8,5/10 Kronen

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