Bures legt sich quer

SPÖ-Blockade zum ersten Ministerrat nach Sommerpause

Österreich
24.08.2010 13:16
Der Ministerrat hat am Dienstag seine Sommerpause mit einer Reihe an Beschlüssen und einer Blockade-Aktion der SPÖ bzw. von Ministerin Doris Bures beendet. Von den geplanten "großen Brocken" wurde nur die Zivildienstnovelle verabschiedet, die Kapitalerhöhung für den Energiekonzern Verbund hat Bures mit einer Geldspritze für die chronisch defizitären ÖBB junktimiert, der die ÖVP nicht zustimmen will. Als Promi-Randprogramm gab es für Oscar-Preisträger Christoph Waltz die Staatsbürgerschaft und für Industrie-Magnat Frank Stronach einen Orden.

Bei der Verbund-Kapitalerhöhung, für die die Republik 510 Millionen Euro einschießen müsste und die hauptsächlich in Wasserkraftwerke fließen soll, konnte sich die Koalition nicht einigen, weil die SPÖ für ihre Zustimmung mehr Geld für die ÖBB verlangt, wo u.a. ebenfalls in Kraftwerke investiert werden soll. Vor der Regierungssitzung verteidigte Infrastrukturministerin Bures das Junktim und forderte ein "Gesamtkonzept für alle Unternehmen, an denen die Republik Anteile hält".

Bures als Blockiererin
Bures betonte, sie wolle keine punktuelle Lösung, sondern eine gemeinsame Kraftanstrengung für die Unternehmen mit Staatsbeteiligung. Es habe wenig Sinn, dem Verbund eine Kapitalspritze zukommen zu lassen, wenn man andererseits "solche wichtigen Unternehmen wie die ÖBB permanent schlecht macht und in Misskredit bringt". Kritik übte sie dabei an früheren Bundesregierungen: "Man hat bei den ÖBB ein bisschen den Eindruck, dass jene die für die Fehler der Vergangenheit verantwortlich sind, jetzt am lautesten schreien", so die Ministerin.

ÖVP-Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner zeigte für diese Forderung wenig Verständnis. Er sehe "keinen sachlichen Zusammenhang" zwischen der Verbund-Kapitalerhöhung und den Forderungen zu den ÖBB. Er räumte ein, dass sich damit an den verfahrenen Positionen der Koalitionspartner seit Sommerbeginn nichts geändert habe, gab sich aber gesprächsbereit und verbreitete Optimismus. "Die eine Woche ist nicht matchentscheidend. Wir sollten aber in den nächsten Tagen eine Lösung herbeiführen."

Pröll und auch Faymann tadeln Bures
Bundeskanzler Werner Faymann und Finanzminister Josef Pröll wollen indes die Unstimmigkeiten offenbar auf Ministerebene behalten. Beide zeigten sich nach dem Ministerrat zuversichtlich, demnächst eine Einigung zu erzielen. Schlecht stieg dabei nur Bures aus. Pröll pochte vehement auf die vereinbarten Steuerabgaben der ÖBB, die Bures gerne als indirekte Geldspritze gestrichen hätte.

Auch der Bundeskanzler zeigte überraschenderweise für Bures' Vorgangsweise nur begrenztes Verständnis. Es sei legitim, dass die Infrastrukturministerin bestimmte Vorstellungen für die Bahn habe. Man solle aber nicht Dinge, die inhaltlich nicht im Zusammenhang stünden, durch ein Junktim verknüpfen, sagte Faymann. Die Kapitalerhöhung beim Verbund bezeichnete er als richtigen Schritt.

Im Folgenden die Beschlüsse kurz zusammengefasst:

Ex-Zivildiener unter 28 Jahren dürfen künftig nicht nur zur Polizei, sondern auch zur Justizwache, zum Zoll oder sogar zum Bundesheer. Bisher war dies wegen des 15-jährigen Waffenverbots faktisch ausgeschlossen. Nicht mehr automatisch vorgesehen ist die ursprünglich geplante viermonatige Heeres-Basisausbildung, was Verteidigungsminister Norbert Darabos - der hier Verfassungsbedenken wegen einer möglichen Gleichheitswidrigkeit hat - als Erfolg wertet. Allerdings können die zuständigen Ministerien (Inneres, Finanz, Justiz) die Ausbildung verlangen. Am ehesten droht dies Ex-Zivis mit Polizeiambitionen. Für Jäger, Sport- und Traditionsschützen bietet das neue Zivildienstgesetz eine Ausnahmeregelung vom 15-jährigen Waffenverbot.  

Im Nationalrat beschlossen werden soll die Zivildienstnovelle nach Vorstellung von Innenministerin Maria Fekter bereits im September. Inkrafttreten könnte das Gesetz somit schon 2011. Wie viele ehemalige Zivildiener einen Dienst der Polizei, Justizwache oder Zoll antreten werden, wollten weder Darabos noch Fekter einschätzen. Ebenfalls in der Zivildienstnovelle enthalten ist übrigens eine Erweiterung der Aufgabengebiete. So werden Zivildiener künftig auch in Kindergärten sowie in Integrationseinrichtungen tätig sein können. Zusätzlich soll es mehr Urlaubstage für die Jobsuche geben.

Das Promi-Programm am Rande umfasste neben dem Beschluss über die Verleihung des Großen Goldenen Ehrenzeichens mit dem Stern für Verdienste um die Republik an Stronach auch die österreichische Staatsbürgerschaft für den gebürtigen Wiener Schauspieler Waltz. Der 53-Jährige wurde nach seinem Oscar-Gewinn mit seiner Rolle als SS-Oberst Hans Landa in Quentin Tarantinos "Inglourious Basterds" über Nacht zum "Stolz der Nation" - obwohl er am Papier eigentlich Deutscher ist, worauf aber erst in den letzten Wochen aufmerksam gemacht wurde.

Bereits beim Oscar-Empfang im Bundeskanzleramt im April soll der Schauspieler, der durch seinen deutschen Vater Staatsbürger des Nachbarlandes wurde, während er in Wien aufwuchs, bei Kanzler Faymann persönlich die Staatsbürgerschaft beantragt haben. Per Ministerratsbeschluss kann die Regierung beliebig Staatsbürgerschaften verleihen, was sie bei der ersten Regierungssitzung nach der Sommerpause nun tat. Waltz wird in den nächsten Wochen von den Behörden in Wien zum deutsch-österreichischen Doppelstaatsbürger gemacht werden.

Der Schauspieler sagte am vergangenen Wochenende, er fühle sich "definitiv als Österreicher" und sei von den Spekulationen über seine Staatsangehörigkeit genervt gewesen. Dass er einen deutschen Pass habe, sei "eine juristische, staatsbürgerrechtliche Banalität", so Waltz am Freitag am Rande von Dreharbeiten in München.

Ein weiterer Punkt auf der Tagesordnung des Ministerrats war ein Zwischenbericht zur Verwaltungsreform. Dabei ging es allerdings nur um kleinere Punkte wie eine Verkürzung der Amtswege für die Bürger oder eine Senkung der Verwaltungskosten für Unternehmen. Die großen Themen der Verwaltungsreform sollten in einer eigenen Sitzung der von der Regierung eingesetzten Arbeitsgruppe behandelt werden, die am Dienstag unmittelbar nach dem Ministerrat begann.

Für die Opfer der Flutkatastrophe in Pakistan wurde ein Hilfspaket von fünf Millionen Euro beschlossen. Insgesamt standen nicht weniger als 80 Punkte auf der Tagesordnung der Regierungssitzung am Dienstag. Die Mehrzahl davon betraf aber routinemäßige Zustimmungen zu Landesgesetzen oder internationalen Verträgen.

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