„Menschliche Abgründe“

D: Wut und Entsetzen über Pädophilen-Netzwerk

Ausland
07.06.2020 15:39

Schwerer Missbrauch kleiner Kinder, Täter in mehreren Bundesländern und große Mengen technisch verschlüsselter Videoaufnahmen: Ermittler in Nordrhein-Westfalen haben ein Pädophilen-Netz aufgedeckt und bundesweit elf Verdächtigte festgenommen. Bisher sind drei Kinder als Opfer identifiziert worden. Das dürfte nur die Spitze des Eisbergs sein, nur ein kleiner Teil der Verbrechen ist bislang bekannt. Der Missbrauchsfall Münster hat dennoch bereits eine Welle der Bestürzung über die Grenzen Deutschlands hinweg ausgelöst, die EU-Kommission kündigte eine „umfassende Strategie für einen effektiveren Kampf gegen den sexuellen Missbrauch von Kindern“ an.

„Diese furchtbaren Missbrauchsfälle von Münster erschüttern mich zutiefst“, sagte Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU). Sie zeigten ein weiteres Mal, „wie widerwärtig menschliche Abgründe sein können“. Münsters Oberbürgermeister Markus Lewe reagierte ebenfalls bestürzt. „Ich bin erschrocken, dass unsere Stadt offenbar Schauplatz solch schrecklicher Taten war“, teilte der CDU-Politiker mit.

Kinder vor Taten betäubt, Material im Darknet angeboten
Die drei Opfer sind nach Angaben von Polizei und Staatsanwaltschaft fünf, zehn und zwölf Jahre alt. Die Buben sollen teilweise stundenlang von mehreren Männern sexuell missbraucht worden sein - in einem Fall vom eigenen Vater, in einem anderem vom Lebensgefährten der Mutter. Die Kinder sollen vor den Taten betäubt worden sein. Bilder und Videos der Taten bot der Hauptverdächtige im Darknet an.

Der Hauptbeschuldigte ist ein 27-jähriger IT-Techniker aus Münster. Ermittler fanden hochprofessionelle technische Ausstattung zur Videoaufzeichnung. Sie stellten mehr als 500 Terabyte versiert verschlüsselten Materials sicher. Viele der Daten müssen noch entschlüsselt werden.

Mutter von Hauptbeschuldigtem arbeitete im Kindergarten
Am Sonntag wurde bekannt: Die Mutter des Verdächtigen soll bis zu ihrer Festnahme als Erzieherin gearbeitet haben. „Die Leitung der Kita wurde von uns informiert“, sagte Oberstaatsanwalt Martin Botzenhardt der Deutschen Presse-Agentur. Derzeit gebe es aber keine Hinweise auf Taten der 45-Jährigen im Kindergarten. Ihre Gartenlaube in Münster gilt derzeit als Haupttatort. Die Frau soll ihrem Sohn die Schlüssel überlassen und den sexuellen Missbrauch der Kinder in Kauf genommen haben.

Bekannt wurde zudem, dass das Jugendamt der Stadt Münster Kontakt zu der Familie von einem der Opfer hatte. Die Familie sei den Behörden aus den Jahren 2015 bis 2016 bekannt, „weil der soziale Kindsvater wegen des Besitzes und des Vertriebs pornografischer Daten aufgefallen war“, teilte die Stadt am Samstag mit. In dieser Zeit habe das Jugendamt Kontakt zu der Familie gehabt. 2015 habe das Familiengericht keinen Anlass gesehen, das Kind aus der elterlichen Verantwortung zu nehmen. Oberbürgermeister Lewe sagte dazu: „Eine Bewertung können wir erst vornehmen, wenn die Faktenlage dafür ausreichend geklärt ist.“

Laut Ermittlern nur die „Spitze des Eisbergs“
Für die Ermittler steht nach rund dreieinhalb Wochen fest, dass sie bislang nur die „Spitze des Eisbergs“ zu sehen bekommen haben. Der Bund Deutscher Kriminalbeamter forderte nach Bekanntwerden des Missbrauchsfalls eine deutlich verbesserte personelle und technische Ausstattung bei der Polizei.

Die EU-Kommission will indessen im Kampf gegen sexuellen Kindesmissbrauch in Kürze ein Paket von Präventions- und Strafverfolgungsmaßnahmen vorstellen, die für die gesamte Europäische Union gelten sollen. Die Pläne enthalten nach Angaben von EU-Innenkommissarin Ylva Johansson eine Reihe von Initiativen, darunter auch gesetzgeberische Maßnahmen. Außerdem sollten sie eine „engere Zusammenarbeit innerhalb der EU und auf globaler Ebene“ ermöglichen, sagte die Kommissarin. Prävention alleine reiche nicht aus. „Wir müssen unsere Gesetze auch durchsetzen“, sagte sie. Dies gelte im Internet wie im „konkreten Leben“.

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