Architektur

„Neutralisierung war gute Entscheidung“

Vorarlberg
07.06.2020 11:00

Das Geburtshaus Adolf Hitlers in Braunau wird nach den Plänen des Vorarlberger Architekturbüros marte.marte umgebaut. Im Interview findet Stefan Marte Antworten auf die vielen kritischen Stimmen zum Projekt.

Es war nicht damit zu rechnen, dass der Umbau des geschichtsträchtigen Hauses in Braunau völlig kritiklos hingenommen würde. Trotzdem prallen die Negativ-Meldungen nicht spurlos an dem Architekten ab. Ein Gespräch über Geschichte und Baugeschichte.

Sie haben mit Ihrem Entwurf den Wettbewerb zur Umgestaltung des Geburtshauses von Hitler in Braunau gewonnen. Was hat Sie an der Ausschreibung gereizt?

Wir sind durch die sehr spezielle Thematik auf die Aufgabe aufmerksam geworden: Ein durch seine Historie sehr belastetes Haus, das wirklich jeder kennt. Es war also eine Kombination aus der Auseinandersetzung mit dieser schwierigen Geschichte und der Aufgabe, dort eine Polizeistation unterzubringen. Diese Aufgabenstellung hat uns auf den Plan gerufen.

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Das Innenministerium hat die richtige Entscheidung getroffen. Mag sein, dass es noch andere, ebenso denkbare Optionen gegeben hätte.

Stefan Marte

Wie sind Sie an diese Aufgabe herangegangen?

Ich wurde schon mehrfach gefragt, ob vor Ort die außergewöhnliche Geschichte des Hauses spürbar wäre. Das konnte ich ganz klar verneinen. Es ist ein schönes, historisches Haus, das innen allerdings sehr drückend und düster wirkt. Eine bauhistorische Analyse und die Grundrisse haben uns rasch gezeigt, dass es sich dabei aber eigentlich um zwei Häuser aus dem 17. Jahrhundert handelt. Ursprünglich waren es zwei Giebeldächer, die man später zu einem zusammengefasst hat. Die Nationalsozialisten haben das Haus dann noch einmal adaptiert. Wir dachten uns, dass es schön wäre, die lange Geschichte wieder aufleben zu lassen und das Haus in seine Ursprungsform zurückzuführen. Die Form des 17. Jahrhunderts haben wir uns zunutze gemacht, um eine zeitgenössische Adaption durchzuführen.

Was haben die Nazis damals am Haus verändert?

Im Wesentlichen haben sie die Hauptfassade verändert, indem sie die Fenster vergrößert haben. Auf diese Weise sollte das Haus herrschaftlicher wirken. Die Brauerei, die im Hinterhaus untergebracht war, wurde damals entfernt.

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Ich verstehe den Einwand gegen eine neue Nutzung der Immobilie nicht. Das Haus wurde mehrfach verändert – und zwar nicht zum Guten.

Stefan Marte

Nun haben sich bereits einige kritische Stimmen zu den Umbauplänen gemeldet. Kritisiert wird nicht der Entwurf an sich, sondern der ausdrückliche Wunsch des Innenministeriums, den Ort zu neutralisieren - was Sie auch getan haben.

Wir haben uns intensiv mit der Sache auseinandergesetzt. Die Erkenntnisse der mit dem Umbau befassten Kommission waren für unsere Entwurfsarbeit sehr wichtig. Die Frage, warum man aus dem Haus kein Museum macht, kann ich nicht ganz nachvollziehen. Das Innenministerium hat hier sicher die richtige Entscheidung getroffen. Mag sein, dass es noch andere, ebenso denkbare Optionen gegeben hätte. Hitler wurde dort geboren, ja, aber sonst ist im Haus nichts Schlimmes passiert. Ich verstehe den Einwand gegen eine neue Nutzung des historischen Gebäudes nicht. Das Haus wurde mehrfach verändert - und nicht immer zum Guten. Für Braunau, eine wirklich schöne Stadt, wäre es eine Bereicherung, wenn dieses Haus wieder so aussehen würde, wie es das ursprünglich getan hat.

Prallt die Kritik an Ihnen ab oder tut das weh?

Jede Form der Kritik geht uns zu Herzen. Immer. Aber eines ist auch klar: Sobald man eine öffentliche Aussage trifft, wird es immer solche geben, die einem zustimmen und auch andere, die nicht derselben Meinung sind. Manche Äußerungen nach der Vorstellung der Pläne waren wohl auch nicht besonders fundiert. Wir haben uns monatelang mit dem Thema auseinandergesetzt. Und auch die Kommission besteht aus vielen sehr engagierten Menschen, die sich ebensoviele Gedanken gemacht haben. Wenn also gesagt wird, dass das nun eine grundsätzlich falsche Entscheidung war, dann kann ich dem einfach nicht folgen. Aber abprallen? Nein, ganz im Gegenteil. Auf der anderen Seite haben wir im direkten Umfeld sehr viel Anerkennung erfahren. Auch hier muss man unterscheiden: Anonym gepostete Meldungen sollte man grundsätzlich nicht lesen.

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Manche Äußerungen nach der Vorstellung der Pläne waren wohl auch nicht besonders fundiert. Wir haben uns monatelang mit dem Thema beschäftigt.

Stefan Marte

Wie lange wird Sie dieses Projekt noch beschäftigen?

Gebaut wird das Haus von der Bundesimmobiliengesellschaft. Die gibt einen recht sportlichen Zeitplan vor, das Haus soll 2022/2023 fertig sein. Es ist ein recht komplexes Objekt - mit dem Zusammenwirken von Alt- und Neubau.

Sie sind vor allem für den Bau von Gedenkstätten, Museen oder auch Brücken bekannt. Haben Sie sich aus dem Bereich Wohnbau komplett zurückgezogen?

Nein, ganz im Gegenteil, wir beschäftigen uns neben den Großprojekten auch jedes Jahr mit ein bis zwei Einfamilienhäusern. Und in Kürze wird sowohl in Rankweil wie auch in Dornbirn eine Wohnanlage nach unseren Plänen gebaut. Da hat sich das Blatt etwas gewendet, früher waren unsere Konzepte scheinbar nicht vermittelbar.

Zur Person:

Die Brüder Stefan und Bernhard Marte betreiben gemeinsam das Architekturbüro marte.marte in Feldkirch. International bekannt sind sie vor allem für das Bauen mit Sichtbeton. Realisierte Großprojekte sind unter anderem die Landesgalerie Niederösterreich in Krems, die neuen Messehallen Dornbirn, das Dokumentationszentrum SFVV in Berlin und das Evangelische Diözesanmuseum in Fresach. Auch mit der Schaufelschluchtbrücke oder der Birkenwiesenbrücke in Dornbirn erregten die Architekten über die Grenzen hinaus Aufsehen.

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