Frühwarnsystem

Im Abwasser ist die zweite Corona-Welle sichtbar

Tirol
07.06.2020 13:00

Was seit Jahren bei Drogen funktioniert, gelingt auch bei Coronaviren - der Nachweis im Abwasser. Innsbrucker Forscher tüfteln gerade an der Analysemethode. Sie ist bereits aussagekräftig, wie Chemiker Herbert Oberacher von der Med-Uni bestätigt. Die gefürchtete zweite Welle wäre also früh im Abwasser zu erkennen.

Als die Innsbrucker Gerichtsmedizin im Jahr 2016 erstmals einen Bericht über den Drogenkonsum in der Landeshauptstadt veröffentlichte, horchten Fachleute und Laien auf. Denn die Daten dazu bezogen die Wissenschaftler aus dem Innsbrucker Abwasser. Dort ist abzulesen, was die Tiroler so an verbotenen Substanzen zu sich nehmen.

Nun kommt die Abwasseranalyse in einem anderen Zusammenhang wieder ins Spiel. Denn auch die Coronaviren lassen sich in Kläranlagen nachweisen. „Diese Viren sind da längst nicht mehr gefährlich, es besteht keine Ansteckungsgefahr. Aber sie liefern uns wertvolle Informationen“, erklärt Chemiker Herbert Oberacher vom Institut für Gerichtsmedizin an der Med-Uni Innsbruck.

Im Trüben fischen und klare Aussagen treffen
Oberacher koordiniert am Institut ein Projekt, das helfen soll, die gefürchtete zweite Corona-Welle rechtzeitig zu erkennen. Mit im Boot sitzen Forscher der Innsbrucker Leopold-Franzens-Universität und der Technischen Uni Wien. Sie alle tüfteln an einem Verfahren, das eine neuerliche Ausbreitung des Virus rasch erkennen und lokalisieren kann. Dafür fischen sie in trüben Gewässern. „Wir trennen die Viruspartikel vom Abwasser und isolieren ihre Erbinformation. Der Nachweis wird mit den derzeit so berühmten PCR-Tests erbracht“, beschreibt Oberacher das Verfahren.

Die Labormethode sei mittlerweile so ausgereift, dass das System im Fall der 130.000-Einwohner-Stadt Innsbruck ab circa 15 so genannter Ausscheider ein zuverlässiges Signal geben würde. Oberacher sieht die Abwasseranalyse als wichtigen Baustein im Verbund mit anderen Frühwarnsystemen. Entscheidend könnte sie sein, wenn es um das Erkennen von Erkrankten ohne typische Symptome geht.

Einfache, sichere und günstige Methode
Das Land Tirol fördert das Projekt mit 25.000 €. Projektpartner ist auch die Agentur für Ernährungssicherheit (AGES). „Abwasseranalysen haben den Vorteil, dass bevölkerungsspezifische Daten erhoben werden können, ohne in die Privatsphäre einzelner Personen einzugreifen. Die Probenentnahme und auch die Logistik gestalten sich einfach, schnell und relativ kostengünstig“, fasst Gesundheits-LR Bernhard Tilg die Vorteile zusammen.

Bei 60 Kläranlagen ein umfassendes Bild
Vorerst sind Innsbruck und das Umland Pilotregion. „Auch eine landesweite Analyse ist machbar“, sagt Chemiker Oberacher. Er schätzt, dass Proben aus 50 bis 60 Tiroler Kläranlagen ein umfassendes Bild der gesamten Bevölkerung ergeben würden. Was die Forscher derzeit bremst: die aktuell geringen Fallzahlen. „Aber zum Glück sammeln wir bereits seit vielen Wochen Proben.“

Vieles sei machbar, der Wissenschaftler spricht aber auch von offenen Fragen: Noch wisse man zum Beispiel nicht, wie viele der Kranken tatsächlich Viren ausscheiden. Eine erste Studie habe gezeigt, dass es nicht alle sind. Im Sommer soll eine Zwischenbilanz des Projekts vorliegen. Kommt die gefürchtete zweite Welle, könnten die Forscher diese im Abwasser anrollen sehen.

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