Polizisten als Ziel

Sechsfacher Mordversuch: „Liebster Mann“ angeklagt

Steiermark
07.06.2020 12:46

Im vergangenen September soll ein 50-jähriger Steirer versucht haben, sechs Polizisten zu töten. Im kommenden Juli steht er vor Gericht. Jetzt spricht seine Lebensgefährtin in der „Krone“.

Die Frau, die jetzt weinend am Esstisch in ihrer hübschen Wohnung im steirischen Gnas sitzt, sagt, dass sie „gar nichts mehr versteht. Denn Rudi“, – ihr Partner, seit 29 Jahren –, sei doch „der liebste und gutmütigste Mann auf dieser Welt“. Niemals habe er sich, wird Daniela U. nicht müde zu betonen, „mir gegenüber aggressiv verhalten, im Gegenteil, ich kenne ihn nur als besonders sanft“. Als einen Menschen, „der nicht einmal einer Fliege etwas zuleide tun kann“. Die Grazer Staatsanwaltschaft sieht das anders.

Lebenslange Haftstrafe droht
Rudolf K. (50) wurde kürzlich des sechsfachen Mordversuchs angeklagt. Der Prozess gegen ihn soll im kommenden Juli stattfinden, im schlimmsten Fall droht ihm eine Verurteilung zu lebenslanger Haft.

Seine Tat: Am 19. September 2019 ist er in dem Zweifamilienhaus, „von hier aus“, schluchzt Daniela U. und zeigt auf den Balkon im ersten Stock, Amok gelaufen. Den Schilderungen der 54-Jährigen zufolge sei er, ein Sportschütze, „dort zuerst traurig auf einem Stuhl gesessen. Er kündigte mir seinen Selbstmord an, und hielt eine seiner Pistolen in den Händen.“

„Ich wollte niemanden töten“
Was weiter geschah? „Es gelang mir nicht, Rudi zu beruhigen“, letztlich kam es zu einer Alarmierung der Polizei, der Steirer soll in der Folge gezielt auf die Beamten gefeuert haben. Immer wieder, mindestens 30-mal. Bis er – nach Verhandlungsgesprächen – endlich seine Waffe niederlegte und sich festnehmen ließ. „Ich wollte niemanden töten“, behauptete er später in Verhören, und dass er durch die Abgabe der Kugeln bloß auf einen „Suicide by Cops“ gehofft hätte.

Frau U., es muss zu dem Drama eine Vorgeschichte gegeben haben. Ihr Partner kann nicht so unauffällig gewesen sein, wie Sie ihn beschreiben. „Ja und nein zugleich.“

„Wie bereits erwähnt, wir sind seit unserer frühen Jugend zusammen.“ Am Anfang der Beziehung wäre der Mann „fröhlich, unkompliziert“ gewesen; „unser Wunsch, eine Familie zu gründen, erfüllte sich leider nicht, weil ich keine Kinder bekommen kann. Und ich rechnete es Rudi hoch an, dass er darin kein Problem sah.“ „Herrliche Urlaube“ hätten die beiden – er Mechatroniker, sie Sekretärin von Beruf – unternommen, „wir gingen oft spazieren oder mit Freunden essen. Bis zuletzt.“ Fakt ist jedenfalls: Nur wenige Menschen im Umfeld des Paars „wussten von Rudis Krankheit“.

Bipolare Störung festgestellt
Vor etwa zwanzig Jahren hatte er sich „zu verändern begonnen“; langsam, schleichend, ,,er war dann oft depressiv.“ Schließlich wurde bei ihm eine bipolare Störung festgestellt, „er nahm fortan Psychopharmaka ein, wiederholt musste er sogar stationär in Kliniken behandelt werden“. Überhaupt, „es gab bei ihm halt schlechte Phasen“. Zeiten, in denen er es nicht schaffte, zur Arbeit zu gehen; mitunter Wochen hindurch antriebslos im verdunkelten Schlafzimmer lag, kaum Nahrung zu sich nahm – „und mein gutes Zureden nicht half“.

Daniela U., sie ertrug das alles: „Rudi hatte ja keine Schuld an seinem – mitunter dramatischen – seelischen Zustand. Und außerdem: Selbst, wenn er sich extrem mies fühlte, versuchte er für mich da zu sein.“ Inwiefern? „Er war mein Fels in der Brandung, immer – und er war extrem bemüht darum, mich zu entlasten. Manchmal zu kochen oder die Wohnung zu putzen. Das waren für mich positive Zeichen, und ich redete mir ein: Ja, er wird es schaffen, wieder auf die Beine zu kommen, er wird wieder – zumindest für ein paar Monate – der Mensch sein, als den ich ihn kennengelernt hatte.“

„Irgendwann akzeptierte ich die Realität“
Die längeren Aufs, die kürzeren Abs, „ich gewöhnte mich daran, mit dieser Situation umzugehen. Und ich gab den Kampf und die Zuversicht nie auf.“ Dafür, darauf – „dass es vielleicht doch eine Methode gäbe, Rudi zu heilen“. Weil Gespräche mit Psychiatern und die ihm verordneten Medikamente „keine wirkliche Besserung“ hervorgerufen hätten, schleppte Daniela U. den Mann zu Energetikern. Auch diese Behandlungen brachten keinen Erfolg: „Und irgendwann akzeptierte ich die Realität.“

Mit den enormen Schwierigkeiten, die diese mit sich brachte: „Der ständigen Angst um ihn. In meinen Mittagspausen fuhr ich heim, um dafür zu sorgen, dass er isst.“ Um zu kontrollieren, „ob er halbwegs okay ist“.

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Egal, zu welcher Strafe er verurteilt wird – ich werde an seiner Seite bleiben.

Daniela U.

Wie Daniela U. die Tragödie bewältigte, ohne zugrunde zu gehen? „Diese Frage stellte ich mir nie. Weil ich einfach funktionieren musste, für meinen Mann.“ Für ihre einzige, für ihre große Liebe. Umso erschütterter war die 54-Jährige, als Rudolf K. am Abend des 19. September 2019 auf dem Balkon der gemeinsamen Wohnung saß und ihr mitteilte, er würde nun seinem Leben ein Ende setzen. Die Geschehnisse danach, „ich begreife sie nicht“.

Das Jetzt? „Ich besuche Rudi im Gefängnis; ich spüre, dass er sehr unglücklich ist.“ Die Zukunft? „Egal, zu welcher Strafe er verurteilt wird – ich werde an seiner Seite bleiben.“

Martina Prewein, Kronen Zeitung

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