Nach Berg-Drama

Kaltenbrunner im Interview: “Brauche Abstand zum K2”

Österreich
23.08.2010 16:57
Der 6. August war ein rabenschwarzer Tag für die oberösterreichische Extrembergsteigerin Gerlinde Kaltenbrunner. Die Alpinistin befand sich an diesem Tag gemeinsam mit dem Schweden Fredrik Ericsson im Aufstieg zum Gipfel des berüchtigten K2 (8.611 Meter), als ihr Bergpartner in rund 8.200 Metern Höhe abrutschte und an Kaltenbrunner vorbei rund 1.000 Meter tief in den Tod stürzte.

Die 39-Jährige brach daraufhin ihre K2-Expedition, die ihr den 14. Achttausender hätte bringen sollen, umgehend ab und reiste nach Hause. Im Gespräch schilderte Kaltenbrunner am Montag, wie sehr sie der Vorfall mitgenommen hat.

Haben Sie schon ein wenig Abstand von den Geschehnissen gewinnen können?
Kaltenbrunner: Am Wochenende waren wir in den Schweizer Bergen unterwegs, da merke ich, das tut mir sehr, sehr gut, in der Natur unterwegs zu sein. Aber dann habe ich immer mal wieder Phasen, wo ich gedanklich noch am K2 bin. Das braucht jetzt halt Zeit, bis all die negativen Bilder wieder verblassen.

Kommen wir zum Gipfeltag Anfang August. Was genau ist passiert?
Kaltenbrunner: Zum Unglückszeitpunkt war der Fredrik ein bisschen vor mir. Im Flaschenhals auf gut 8.250 Metern Höhe wollten wir uns dann wieder sichern. Der Fredrik wollte gerade einen Haken schlagen, um einen Standplatz herzurichten, als er im nächsten Moment an mir vorbeigeflogen ist. Mit ihm sind einige Steine gekommen, es muss ihm am Standplatz irgendetwas ausgebrochen sein.

Was genau ist schiefgegangen?
Kaltenbrunner: Ich kann nicht hundertprozentig genau sagen was passiert ist. Er hat einfach Pech gehabt, dass da offenbar was ausgebrochen ist. Der Fredrik war ein Top-Bergsteiger, sehr umsichtig, sehr verantwortungsbewusst. Natürlich kann jedem noch so guten Bergsteiger ein Fehler passieren, aber ein Leichtsinnsfehler war das sicher nicht.

Was ging Ihnen durch den Kopf, als Fredrik Ericsson an Ihnen vorbei stürzte?
Kaltenbrunner: Ich habe es einfach nicht fassen können. Das ist auch alles so schnell gegangen. Er hat im Nu eine Irrsinnsgeschwindigkeit drauf gehabt. Da es noch neblig war, habe ich ihn auch binnen Sekunden aus den Augen verloren. Das war ein voller Schock, der begleitet dich den ganzen Tag. Das will man einfach nicht wahrhaben. Im ersten Moment habe ich gedacht, ich muss ihn finden. Ich muss schauen, ober er irgendwo liegt. Fredrik ist aber die ganze Flanke hinuntergefallen und ist erst oberhalb von Lager III zum Liegen gekommen. Ich habe im Abstieg nur einen Ski von ihm gefunden, habe mit dem Ralf gefunkt und habe gewusst, ich muss mich jetzt voll und ganz auf meinen Abstieg konzentrieren. Nur ein Fehltritt und du bist weg. Allerdings ist mir das alles sehr schwer gefallen.

War der Gipfelversuch zu gewagt?
Kaltenbrunner: Nein, nicht gewagter als sonst auch. Wir sind ja eigentlich sehr vorsichtig unterwegs, aber wenn man hundertprozentig sicher gehen will, darf man auf den Berg nicht raufsteigen. Wir waren sehr schnell unterwegs, der Schnee war gut, es ist ja zudem noch vom Wetter her ein herrlicher Tag geworden. Von dem her hätte einfach alles gepasst, aber dann eben doch überhaupt nicht.

Viele der ganz großen Bergsteiger haben ihren sogenannten Schicksalsberg. Ist Ihrer der K2?
Kaltenbrunner: Schaut fast so aus. Der will mich irgendwie nicht hinauflassen.

Ist Ihr "Verhältnis" zum K2 unwiederbringbar zerstört oder wird es ein Wiedersehen geben?
Kaltenbrunner: Das kann ich jetzt noch nicht beantworten. Jetzt ist wirklich das Gefühl im Vordergrund, dass ich einen Abstand vom K2 brauche. Ich weiß, dass die Zeit mit sich bringt, dass sich der Blick zum K2 wieder ändert. Ich werde spüren, ob es mich wieder dorthin zieht. Da verlasse ich mich auf mein Bauchgefühl.

Sehen Sie sich als gescheitert an?
Kaltenbrunner: Ich persönlich nicht, denn ich bin ja wieder gut herunter gekommen. Für mich ist Scheitern, wenn ich nicht mehr zurückkomme oder nur schwer verletzt. Es ist auf jeden Fall ein Rückschlag, das muss ich schon sagen.

Solche Negativerlebnisse - wie verändern sie Sie bzw. Ihre Beziehung zu den Bergen?
Kaltenbrunner: Die Negativerlebnisse treten irgendwann wieder in den Hintergrund. Das Positive überwiegt ja wie bei fast allem im Leben. Das alles ist halt wieder eine negative Erfahrung, aber aus der muss ich was ziehen für mich. Nämlich, dass man trotz großer Erfahrung, immer aufpassen und vorsichtig bleiben muss, alles andere wäre ein Trugschluss.

Bereuen Sie, es nicht noch einmal probiert oder länger gewartet zu haben?
Kaltenbrunner: Nein, überhaupt nicht. Ich glaube, wir haben im Basislager die bestmögliche Entscheidung für uns getroffen. Es hat ja alles gut ausgeschaut, es hätte genauso gut supergut ausgehen können.

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