Schock im Fall Maddie

„Wir gehen davon aus, dass das Mädchen tot ist“

Ausland
04.06.2020 14:29

Die Staatsanwaltschaft Braunschweig geht davon aus, dass die vor rund 13 Jahren in Portugal verschwundene dreijährige Madeleine „Maddie“ McCann tot ist. Jahrelang hatte man darauf gehofft, sie lebend wiederzufinden. Die Ermittlungen gegen einen 43-jährigen Deutschen werden aber wegen Mordverdachts geführt.

„Wir gehen davon aus, dass das Mädchen tot ist“, sagte der Sprecher der Behörde, Hans Christian Wolters, am Donnerstag vor Journalisten in Braunschweig. Da es aber offenbar zu wenige Beweise gegen den in Kiel in Haft sitzenden Deutschen gibt, bat er: „Wir bitten öffentlich um Mithilfe der Bevölkerung.“

Ermittlungen gegen 43-Jährigen
Im Fall des vor 13 Jahren in Portugal verschwundenen britischen Mädchens Madeleine „Maddie“ McCann steht ein 43-jähriger Deutscher unter Mordverdacht. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt nach Angaben des Bundeskriminalamts gegen den Mann, der mehrfach wegen Sexualstraftaten auch an Kindern vorbestraft sei. Er verbüßt derzeit eine längere Haftstrafe in der Justizanstalt Kiel. Nach Informationen der Zeitung „F.A.Z.“ stammt der Mann aus dem bayerischen Würzburg. Dort sei er noch als Minderjähriger 1994 wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren verurteilt worden.

Nach Informationen der „Braunschweiger Zeitung“ soll der 43-Jährige auch die Vergewaltigung einer 72-Jährigen in Portugal begangen haben - in demselben Ort, in dem rund eineinhalb Jahre später die kleine Maddie verschwand. Im Dezember 2019 sei der Mann vor dem Braunschweiger Landgericht zu einer siebenjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden. Das Urteil sei bisher nicht rechtskräftig, der Angeklagte werfe der Justiz Rechtsfehler im Auslieferungsverfahren vor.

Aus Ferienanlage veschwunden
Das damals dreijährige Mädchen war am 3. Mai 2007 aus einer Appartementanlage im portugiesischen Praia da Luz verschwunden. Die Eltern waren zu der Zeit in einem nahe gelegenen Restaurant essen. Das ungeklärte Schicksal des Mädchens hatte weltweit für Schlagzeilen gesorgt. Die Ermittler waren von einer Entführung ausgegangen. Zeitweise standen auch die Eltern selbst unter Verdacht.

Zwischen 1995 und 2007 an der Algarve
Der Fall war am Mittwochabend wie schon früher Thema in der ZDF-Sendung „Aktenzeichen XY... ungelöst“, in der um sachdienliche Hinweise gebeten wurde. Nach Informationen der „Braunschweiger Zeitung“ handelt es sich bei dem nun Beschuldigten um einen Mann, der 2019 vom Landgericht Braunschweig wegen Vergewaltigung einer 72-jährigen Amerikanerin verurteilt worden sei. 

Laut einem Bericht der „Daily Mail“ sei der Verdächtige 1995 als 18-jähriger Rucksacktourist nach Portugal gekommen. Er sei dort laut Freunden in kriminelle Kreise geraten und habe an der Algarve mit Drogen gehandelt.

Aggressiv und wütend
Eine frühere Nachbarin aus Portugal beschrieb den Verdächtigen als aggressiv. „Er war immer ein bisschen wütend, ist die Straße schnell hoch und runter gefahren und eines Tages, so um 2006, verschwand er ohne ein Wort“, berichtete die Frau dem britischen Sender Sky News. Etwa ein halbes Jahr nach dem Verschwinden des Mannes sei sie gebeten worden, beim Aufräumen der Unterkunft zu helfen, berichtete die Frau. „Es war eklig.“ Überall hätten beschädigte Sachen wie Computer gelegen. In einem Müllbeutel seien Perücken und seltsame Kleidungsstücke - möglicherweise für Kostümierungen - gewesen.

Die frühere Nachbarin gab an, dass der Verdächtige die Unterkunft damals von einem Briten gemietet habe. Polizisten aus Großbritannien hätten sie im vergangenen Jahr zu dem Verdächtigen befragt. In diesem Jahr seien dann portugiesische Ermittler aufgetaucht. Die Polizei geht davon aus, dass sich der Mann nach dem Verlassen der Unterkunft noch weiterhin in der Umgebung aufgehalten hat.

Nach BKA-Angaben hatte der Verdächtige zwischen 1995 und 2007 regelmäßig an der Algarve gelebt, unter anderem für einige Jahre in einem Haus zwischen Lagos und Praia da Luz. „Nach hier vorliegenden Erkenntnissen ging er in dieser Zeit im Raum Lagos mehreren Gelegenheitsjobs, unter anderem in der Gastronomie, nach“, teilte das BKA mit. Dazu veröffentlichte die Polizei Fotos eines Hauses, in dem der Verdächtige gelebt hat. 

Wurde Kind mit VW-Bus entführt?
Wie Scotland Yard am Mittwochabend mitteilte, trug der Mann zur Tatzeit kurzes, blondes Haar und ist etwa 1,80 Meter groß. Besonderes Augenmerk lenkten die britischen Ermittler auf zwei Fahrzeuge und zwei Telefonnummern, die der Verdächtige benutzt haben soll. Es geht um einen Caravan vom Typ VW T3 Westfalia mit portugiesischem Nummernschild, in dem der Mann zeitweise gewohnt haben soll, und einen Jaguar, Model XJR 6, mit einem deutschen Kennzeichen. Am Tag nach Maddies Verschwinden sei der Jaguar auf einen neuen Halter umgemeldet worden.

An dem Abend, als Maddie verschwand, soll der Verdächtige einen Anruf erhalten haben unter der Nummer +351 912 730 680 mit portugiesischer Ländervorwahl. Der Anruf wurde in der Region um Praia de Luz entgegengenommen. „Ermittler glauben, dass die Person, die diesen Anruf getätigt hat, ein höchst wichtiger Zeuge ist, und rufen sie dazu auf, in Kontakt zu treten“, hieß es in der Scotland-Yard-Mitteilung. Die Nummer des Anrufers laute +351 916 510 683.

Jahrelange internationale Polizei-Zusammenarbeit
Die Erkenntnisse seien das Ergebnis einer jahrelangen Zusammenarbeit, der britischen, deutschen und portugiesischen Polizei, hieß es weiter. „Nach dem 10. Jahrestag erhielt die Metropolitan Police Informationen über einen deutschen Mann, der sich bekanntermaßen in und um Praia de Luz aufhielt. Wir haben mit Kollegen in Deutschland und Portugal zusammengearbeitet und dieser Mann ist ein Verdächtiger im Verschwinden von Madeleine“, sagte Detective Chief Inspector Mark Cranwell der Mitteilung zufolge. Scotland Yard betonte jedoch, dass es sich weiterhin um einen Vermisstenfall handle.

Bereits nach einer Sendung von „Aktenzeichen XY... ungelöst“ aus dem Jahr 2013 seien Hinweise auf den Deutschen eingegangen, sagte Christian Hoppe vom BKA am Mittwochabend in der ZDF-Sendung. Auch nach einem Bericht zehn Jahre nach dem Verschwinden des Mädchens habe es Hinweise gegeben. Damals reichten die Informationen aber nicht für Ermittlungen oder eine Festnahme aus, wie Hoppe berichtete. Es gab demnach viele Indizien, der entscheidende Beweis fehle aber noch. Die Ermittlungen führten zu der Annahme, dass das Mädchen einem Tötungsdelikt zum Opfer gefallen ist.

Eltern gaben nie auf
Madeleines Eltern hatten sich mit teils emotionalen Aufrufen immer wieder an die Öffentlichkeit gewandt, um Informationen über den Verbleib ihrer Tochter zu erhalten. „Alles, was wir je wollten, ist sie zu finden, die Wahrheit ans Licht zu bringen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen“, heißt es in einem Statement der Eltern in der Scotland-Yard-Mitteilung. „Wir werden niemals die Hoffnung aufgeben, Madeleine lebend zu finden, aber was auch immer herauskommen sollte, wir müssen es wissen, weil wir Frieden finden müssen.“  Kate und Gerry McCann seien "dankbar" für die neuen Ermittlungen, sagte ihr Sprecher Clarence Mitchell am Donnerstag im BBC-Fernsehen.  Die Eltern wollten endlich die Wahrheit über das Schicksal ihrer Tochter erfahren, sagte der Sprecher. Sie bräuchten Gewissheit über das, was mit ihrer Tochter geschehen sei, um den Verantwortlichen vor Gericht zu bringen und "um Frieden zu finden". 

Sie kaufe noch immer Geschenke für ihre Tochter an Weihnachten und zum Geburtstag, hatte Mutter Kate McCann in einem BBC-Interview zum 10. Jahrestag von Maddies Verschwinden 2017 gesagt.

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