"Mein Kindheitstraum war immer, Tenor zu werden", verriet Intendant Rudolf Buchbinder, als er die Änderungen im Verlauf des "Besetzungskrimis" verkündete: Erst waren Johann Botha und Kurt Rydl ausgefallen, dann musste auch Endrik Wottrich, der für Botha eingesprungen war, passen. Als Ersatz für den Ersatz wurde rechtzeitig zur Generalprobe Simon O'Neill aus Bayreuth eingeflogen. Statt Rydl kam Christof Fischesser zum Einsatz. Anja Kampe als bewegende Leonore, Falk Struckmann als dämonischer Don Pizarro, Bernarda Bobro als etwas blasse Marzelline, Alexander Kaimbacher als Jaquino und Horst Lamnek als Don Fernando komplettierten das insgesamt hervorragende Solistenensemble.
Die von Wilhelm Sinkovicz für diese Aufführung - anstelle der Dialoge - verfassten Textintermezzi entgingen in ihrer dezenten, prägnanten Knappheit allen didaktischen Versuchungen und wurden von Heribert Sasse unprätentiös und dennoch spannungsvoll vorgetragen. Das Tonkünstler-Orchester Niederösterreich sowie der von Erwin Ortner einstudierte Arnold Schoenberg Chor waren bravourös disponiert, Andres Orozco-Estrada am Pult sorgte für präzises, differenziertes und dramatisches Musizieren: Als Chefdirigent ist der Mann für das Orchester einfach Goldes wert.
Angesichts dieser triumphalen Gesamtleistung rückt die Frage in den Hintergrund, warum man eigentlich eine Oper konzertant aufführt, und man ist geneigt, Sinkovics zuzustimmen, der in seinem Einführungsvortrag meinte, die szenische Aufführung finde eben im Kopf statt, zumal jeder Regisseur bei "Fidelio" versage. Tatsächlich vermag nicht nur die Musik für sich selbst zu bestehen, auch die hinter dem schwächelnden Libretto stehende Botschaft von Freiheit, Liebe und Freude kam in Grafenegg - ganz ohne Szenerie - wohl strahlender über die Rampe als in manch düsterer Inszenierung.
von Ewald Baringer/APA
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