Missbrauchsprozess

Urologe wollte eine Art „Aufklärungscoach“ sein

Oberösterreich
27.05.2020 08:39

„Sex, im Sinne wie wir das verstehen, hat es nicht gegeben“, sagt Verteidiger Bernd Wiesinger über jenen Urologen aus Oberösterreich, der 109 Buben missbraucht haben soll. Der Mediziner selbst bekannte sich beim Prozessauftakt am Dienstag in Wels „großteils schuldig“ - und: „Ich bedaure es sehr.“

Die Dimension des Prozesses zeigt sich schon im Schwurgerichtssaal in Wels: Drei Verteidiger, zwei Staatsanwälte, dazu 13 Opfervertreter und einige Journalisten – durch die Corona-bedingten Abstände ist der große Saal damit gefüllt. Opfer und Eltern verfolgen das Geschehen per Video in einem anderen Raum des Landesgerichtes.

„Tatplan erkenntbar“
„Es ist ein Tatplan zu erkennen, seine berufliche Tätigkeit für Missbrauch zu benutzen“, fasst Staatsanwalt Manfred Holzinger die Anklage zusammen. Sie ist in zehn Deliktgruppen unterteilt. Am schwerwiegendsten ist dabei der sexuelle Missbrauch von 109 Buben. 40 der Opfer waren noch keine 14 Jahre alt, als ihnen der Urologe, bei dem ein Gutachter Pädophilie diagnostiziert, zu Leibe rückte. In fünf Fällen geht die Anklage von schwerem sexuellen Missbrauch aus: Drei Knaben haben, laut Gutachten, dadurch Störungen erlitten.

Behandlungen mit „Grenzüberschreitung“
Viele Buben hat der Urologe zur Masturbation aufgefordert. Der Verteidiger spricht dabei von einer „Grenzüberschreitung“.

Opfer waren beschämt
Den Missbrauch des Autoritätsverhältnisses gibt der Mediziner vor der Richterin auch zu. „Er wollte so eine Art Aufklärungscoach sein“, versucht sein Anwalt eine Erklärung. In den schwereren Fällen geht es um Analuntersuchungen, die – so ein Experte – nicht medizinisch indiziert waren, und um Penisvermessungen. Die Opfer waren beschämt, hätten dem Arzt aber vertraut, sagen ihre Vertreter. Nachdem die Missbrauchsaffäre aufgedeckt worden ist, empfänden sie Wut, „die kanalisiert werden muss“. Viele sind in Therapie. Der Mediziner war in einigen Fällen auch ein Bekannter der Eltern.

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Dauer- und Spätfolgen bei den Opfern sind nicht auszuschließen

Opfervertreterin Mag. Schuster

Einweisung beantragt
Zu Beginn seiner Befragung nahm der Angeklagte zu all den Anschuldigungen Stellung. Auch, um den Vorwurf der Pädophilie und dem Antrag auf Einweisung in eine Anstalt entgegenzuwirken - doch zuvor wurde die Öffentlichkeit zum Schutz der Opfer ausgeschlossen. Das Urteil ist für 10. Juni geplant.

Claudia Tröster, Kronen Zeitung

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