Mehr als ein Update

Honda Africa Twin Adventure Sports: Genau so!

Motor
31.05.2020 22:51

Honda hat ein ungewöhnliches Verhältnis zu den traditionsreichen Motorradbaureihen des Hauses. Bei der Fireblade war lange Stillstand, bevor ein völlig neues Bike auf den Markt kam und fast umgehend durch eine Nachfolgerin ersetzt wurde. Die Africa Twin gab es 13 Jahre lang gar nicht, dann kam 2016 die neue - und nun schon wieder die Nachfolgerin. Fragende Blicke beantworten die Japaner gerne mit einer Probefahrt, denn danach ist klar, warum sie so gar nicht am Auslaufmodell hängen. Wir waren mit der Adventure-Sports-Version unterwegs.

(Bild: kmm)

Dass bei der Honda CRF1100L Africa Twin offiziell von einem Update die Rede ist, muss daran liegen, dass es dem Hersteller unangenehm ist, dass die 2016er-Auflage schon zum Altmetall rollt. Tatsächlich handelt es sich bei der Neuen aber um ein völlig neues Motorrad. Was soll das sonst sein, mit um 86 ccm (nicht aufgebohrt, sondern resultierend aus 6,4 mm mehr Hub) gewachsenem Motor samt neuem Zylinderkopf und Klappenauspuff, neuem Rahmen, neuem Fahrwerk und neuer Elektronik samt Sechs-Achsen-Sensorik?

Der Zweizylinder hat zwar keine unfassbare Kraftspritze bekommen, ist aber gerade so viel erstarkt, dass er das Schwachbrüstige der Vorgängerversion abgelegt hat. 102 PS leistet der 1084 ccm große 270-Grad-Zweizylinder, stemmt 105 Nm ab 6250 Touren. Die Manieren sind gut, solider Schub kommt schon unten herum, so lässt es sich gut leben. Um ihn abzuwürgen, braucht es schon Mutwilligkeit. Außerdem ist er Hondas erstes Euro-5-Motorrad-Triebwerk.

Weiterhin gibt es zwei Versionen der Africa Twin, die teurere von beiden heißt Adventure Sports, allerdings ist die Ausrichtung eine andere. Im Gegensatz zu früher ist nun das Standardmodell eher fürs Gelände gedacht, mit kleinerem Windschild, obligatorischem Standardfahrwerk, einem Gewichtsvorteil von 12 Kilogramm und einem Basispreisvorteil von 2000 Euro.

Adventure Sports heißt jetzt Reisedampfer
Das Topmodell übernimmt nun das Reiseressort, mit von Haus aus größerem (verwirbelungsfreiem) Windschild, der mit zwei Händen manuell höhenverstellbar ist, einem auf 24,8 Liter vergrößerten Tank, Schlauchlosreifen, Kurvenlicht und serienmäßigem Gepäckträger. Hier ist auch das neue semiaktive Fahrwerk erhältlich, das auch am Testmotorrad verbaut ist. Wichtige Änderung zur Vorgängerin: Die Federwege wurden gekappt und entsprechen mit 230/220 mm (vorn/hinten) nun den Standardmodell. Der gestelzte Auftritt samt gewöhnungsbedürftigem Handling ist damit passé.

So gibt es in Sachen Sitzposition (Bank um 2 cm verstellbar) und Handling nichts zu bemängeln. Man thront noch immer hoch, aber nicht mehr schwindelerregend, und sitzt so bequem, dass man die hohe Reichweite (Testverbrauch 5,3 l/100 km bei gelassener Fahrweise) genießen kann. Auch für das Fahren im Stehen ist die Ergonomie perfekt.

Der mächtige, breite Lenker zwingt einen (im Sitzen) geradezu in eine aufrechte Haltung mit gehobenen Ellbogen und ist ein guter Hebel, mit dem sich die 240 kg schwere Afrikanerin ums Eck schwingen lässt. Wunderbar ist das EERA genannte semiaktive Showa-Fahrwerk, das auch in seiner härtesten Einstellung (namens Tour) guten Komfort bietet, aber auch absolut genügend Präzision für eine forsche Gangart. Noch komfortabler geht es im Urban Mode zu, schwammig wird sie nicht einmal in den Offroad-Modi. Sehr angenehm ist, dass EERA die Gabel beim Bremsen am Abtauchen hindert.

EERA reguliert die Dämpferrate in Gabel und Federbein alle 15 Millisekunden und verarbeitet dazu in der IMU Infos über Fahr- und Beladungszustand. Im Stand kann man auch die Federvorspannung auf Knopfdruck variieren.

Der optionale Schaltassistent mit Blipper funktioniert meist gut, kappt aber oft recht harsch den Kraftschluss.

Informatikstudium ratsam
Honda hat gewaltig aufgerüstet, was die Elektronik betrifft. Der 6,5-Zoll-TFT-Touchscreen ist serienmäßig (die Touchfunktion allerdings während der Fahrt deaktiviert), wirkt modern und irgendwie auch übersichtlich. Doch die schwarzen Boxen am Lenker, an denen die Vielzahl an Schaltern angebracht ist, wirken, als wären sie mit Relais und Transistoren vollgestopft. Das ist weder schön anzusehen noch gut bedienbar. Intensives Beschäftigen mit den Möglichkeiten ist ebenso von Vorteil wie ein langer Daumen. Griffheizung und Tempomat sind serienmäßig. Dass bei Honda grundsätzlich die Hupe nicht da ist, wo sie bei anderen Marken zu finden ist, macht es dem Tester zusätzlich schwer.

Es hilft, sich nach dem Kauf in Ruhe die zwei Benutzer-Fahrmodi zu konfigurieren. Fahrwerkseinstellung, dreistufige Wheeliekontrolle, Motorbremse, Motorleistung und siebenstufige dynamische Traktionskontrolle, alles einstellbar. Das Schräglagen-ABS lässt sich zum Offroaden hinten deaktivieren.

Sehr praktisch: Wer ein iPhone besitzt, kann es via Apple CarPlay verbinden. Deshalb befindet sich unter dem Hauptdisplay noch eine kleine LCD-Anzeige, damit man zumindest die allerwichtigsten Infos - wie die aktuell gefahrene Geschwindigkeit - im Blick hat. Die schöne, neue Smartphone-Welt, die wir aus dem Auto gewohnt sind, funktioniert allerdings nur per Kabel. Außerdem muss man ein Bluetooth-Headset (Helm-Intercom) verbinden, sonst weigert sich die Honda, eine Verbindung einzugehen.

Die Preise
Der Basispreis der Honda Africa Twin ist um 2000 Euro auf 15.990 Euro gestiegen, die Adventure Sports ist ab 17.990 zu haben. Das DCT kostet in beiden Fällen 1300 Euro Aufpreis, fürs EERA verrechnet Honda 1800 Euro.

Unterm Strich
Warum nicht gleich so, möchte man sagen, denn die neue Africa Twin ist nun wirklich gelungen, außerdem vier Kilogramm leichter als früher. Angeblich wurde auch das optionale Doppelkupplungsgetriebe weiter verbessert (das haben wir aber nicht ausprobiert). Schleierhaft ist mir nur, warum mir aus dem rechten Spiegel noch immer ein Wasserschwall auf den Handschuh rinnt, wenn ich die Honda einige Tage nach einem Regenguss zum Losfahren vom Seitenständer aufrichte.

Nachdem ich mit der Adventure-Sports-Vorgängerin nicht warm geworden bin, würde ich mit der aktuellen Version sofort auf große Reise gehen. Dafür würde es sich dann auch auszahlen, das Bediensystem zu studieren.

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(Bild: kmm)



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