Das große Interview

Kippt die Stimmung gerade, Herr Bundeskanzler?

Politik
24.05.2020 06:00

Ein Jahr nach seinem Sturz und der Wiederwahl spricht Bundeskanzler Sebastian Kurz mit Conny Bischofberger über Erfolge und Fehler, Wege aus der Corona-Krise und wie die „neue Normalität“ auch ihn als Politiker und Mensch verändert hat.

Beim Eingang zum Bundeskanzleramt misst jetzt eine Kamera automatisch Fieber. Nach dem Desinfizieren der Hände geht es über den roten Teppich der Feststiege vorbei an modernen Gemälden, die noch Brigitte Bierlein ausgesucht hat, in den ersten Stock. Vorbei an Zimmer 104, das seit dem Einzug von Werner Kogler scherzhaft „Vizekanzlerei“ genannt wird, und Zimmer 105, wo die Regierungsspitze in Zeiten von Corona ihre Video-Konferenzen abhält.

Sebastian Kurz erscheint mit Gesichtsmaske, begrüßt uns mit einer Verneigung und führt uns in sein Büro. Am frühen Abend wird er von hier dem Online-Parteitag der deutschen CSU zugeschaltet werden. „Ich hab' mir noch gar nicht überlegt, was ich da sagen werde“, lacht der Bundeskanzler und bestellt für sich ein Cola light. Es wird jedenfalls wieder ein langer Freitag.

„Krone“: Herr Bundeskanzler, am 27. Mai 2019 zerbrach die Regierung und Sie gingen in Neuwahlen. Was empfinden Sie, wenn Sie zurückdenken?
Sebastian Kurz: Ich kann es kaum glauben, dass das erst ein Jahr her ist. Es fühlt sich an, als wäre es ein sehr, sehr langes Jahr gewesen. Eigentlich fühlt es sich eher an wie drei Jahre, bei allem, was sich in der Zwischenzeit getan hat. Dabei dachte ich, ich hätte politisch - obwohl ich sehr jung bin - schon fast alles erlebt. Die Flüchtlingskrise, harte Wahlkämpfe, das Ibiza-Video und die damit verbundene Abwahl im Parlament, die Wiederwahl. Bis die Corona-Krise kam.

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Nach Ibiza hatte ich das Gefühl, ich hätte fast alles erlebt, was man in der Politik erleben kann. Bis die Corona-Krise kam.

Bundeskanzler Sebastian Kurz

Heißt das Motto jetzt „Schlimmer kann es nicht mehr werden“?
Diesbezüglich bin ich vorsichtig geworden.

Wir haben die höchste Arbeitslosigkeit der Zweiten Republik, über eine Million Menschen sind in Kurzarbeit, kleine Unternehmen gehen reihenweise bankrott. Ist es nicht zynisch zu plakatieren: „Auf dich wartet ein schöner Sommer“?
Nein, überhaupt nicht! Weil es genau das ist, was wir jetzt brauchen. Wir brauchen Optimismus, wir brauchen Menschen, die konsumieren, wir müssen die Wirtschaft wieder in Schwung versetzen. Die Corona-Krise hat uns vielleicht deshalb so hart getroffen, auch emotional, weil bei uns Friede, Sicherheit, eine hohe Lebensqualität eine Selbstverständlichkeit sind. Nun mussten wir in einer kurzen Phase erfahren, dass das alles eben nicht so selbstverständlich ist. Aber es wäre der falsche Weg, jetzt in all den Schwierigkeiten zu verharren. Wir müssen das Land mit Kraft, Optimismus und Fleiß wieder zu der Stärke zurückführen, die es immer hatte. Der Tourismus macht 15 Prozent unseres Bruttoinlandprodukts aus, Hunderttausende Arbeitsplätze hängen am Tourismus - und es wird ganz entscheidend für uns sein, dass nicht nur die Österreicherinnen und Österreicher bei uns Urlaub machen, sondern auch Deutsche und andere Gäste aus sicheren Ländern zu uns kommen.

Aber für einen Arbeitslosen wird es halt trotzdem kein schöner Sommer…
Ja ... Aber die Chance, dass er seinen Job zurückerhält, ist umso größer, je besser diese Sommersaison abläuft. Es geht ja nicht nur um die Jobs im Tourismus. Sondern auch um viele kleine Handwerksbetriebe, Bäckereien, Blumengeschäfte, Bäuerinnen und Bauern, die vom Tourismus abhängig sind.

Der deutsche CSU-Chef und bayrische Ministerpräsident Markus Söder hat gemeint, wer in Österreich Urlaub machen will, kann auch in Bayern bleiben. Er will den Deutschen sogar eine Prämie zahlen, wenn sie nicht zu uns kommen. Und da hoffen Sie auf viele deutsche Urlauber?
Na ja, wir haben Herrn Söder und die deutsche Bundesregierung zumindest überzeugt, die Grenzen zu Österreich zu öffnen. Das waren harte Verhandlungen über mehrere Wochen, und ich bin froh, dass uns letzte Woche der Durchbruch gelungen ist. Am 15. Juni gehen die Grenzen auf und einige Deutsche werden ihren Urlaub in Deutschland verbringen, aber ich bin optimitisch, dass auch deutsche Gäste nach Österreich kommen werden, zumal wir international Vorreiter sind, weil wir Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Tourismus regelmäßig testen. Deutsche Gäste wissen also, sie können bei uns sicher ihren Urlaub verbringen.

Wie können Sie garantieren, dass diese Massentestungen auch funktionieren? Bis jetzt hat das mit den Tests ja nicht so gut geklappt.
Es gibt einen großen Bedarf an Tests auf dem Weltmarkt, und insofern ist es schwierig, hohe Kapazitäten zu bekommen. Trotzdem haben wir die Testkapazitäten in Österreich massiv steigern können und haben darüber hinaus früh begonnen, einzukaufen, um bis zum Sommer diese Kapazitäten zu haben. Also: Es wird funktionieren!

Am langen Besprechungstisch in seinem Büro stehen insgesamt nur noch sechs Sessel, je zwei an den Längsseiten, je einer an den Stirnseiten. Dazwischen sitzen imaginäre Babyelefanten. Der fehlende Abstand bei seinem Kleinwalsertal-Besuch hat Sebastian Kurz viel Kritik eingebracht und ist seither ein heikles Thema.

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Haben wir zu hart reagiert? Ich bin froh, dass wir in Österreich diese Debatte führen können. Mir fällt kaum ein Land ein, mit dem ich gerne tauschen würde.

Sebastian Kurz

Eine neue Market-Umfrage sagt, dass Sie - Originalzitat des Wahlforschers David Pfarrhofer - „nicht mehr so stark als Lichtgestalt wahrgenommen werden“. Nur noch 33 Prozent würden Ihnen bei der Direktwahl die Stimme geben, der Wert lag Anfang April bei 40 bis sogar 44 Prozent. Beunruhigt Sie das?
Das Letzte, worauf ich schaue, sind Umfragen. Einmal gehen sie ein bisschen hinauf und dann wieder ein bisschen hinunter. Und ganz persönlich bin ich dankbar dafür, zweimal bei einer Wahl das Vertrauen der Wählerinnen und Wähler bekommen zu haben. Wir sind verwöhnt, was das betrifft. Das Einzige, was mich im Moment interessiert, sind die Zahlen der Neuinfizierten und der Arbeitslosen beziehungsweise jener in Kurzarbeit, die ich mir jeden Tag in der Früh anschaue.

Führen Sie diese minus zehn Prozentpunkte auf die Vorfälle bei Ihrem Besuch im Kleinwalsertal zurück, wo sich leider niemand an die Abstandsregeln gehalten hat?
Ich habe die ÖVP vor rund drei Jahren übernommen bei rund 20 Prozent. Bei den Wahlen haben wir zunächst 31 und einmal 37 Prozent erzielt. Wenn man den Umfragen glaubt, dann liegen wir jetzt sogar noch höher. Und ganz ehrlich, wäre es ein bisschen weniger als 37 Prozent, wäre es genauso in Ordnung. Zumal ich in einer Zeit politisch sozialisiert worden bin, in der es undenkbar war, dass die Volkspartei stärkste Kraft in Österreich ist. Jetzt ist die Volkspartei stärker als die zweite und drittstärkste Partei zusammen.

Aber hat Kleinwalsertal geschadet?
Im Kleinwalsertal sind uns Fehler in der Vorbereitung passiert, das war alles andere als zufriedenstellend. Daher haben wir noch in derselben Nacht begonnen, daran zu arbeiten, dass so etwas nicht mehr passieren kann. Es ist einfach eine Herausforderung, auf der einen Seite schnellstmöglich wieder in Richtung Normalität zurückzukehren, und auf der anderen Seite die notwendigen Sicherheitsregeln einzuhalten.

Gehen Sie noch genauso unbekümmert auf Menschen zu oder sind Sie vorsichtiger und skeptischer geworden?
Ich lebe als Politiker sehr stark vom direkten Austausch mit Menschen, davon, dass mich täglich unzählige Menschen ansprechen und mir ihre Nöte sowie Wünsche schildern. Das hat mich als Politiker immer ausgemacht und das möchte ich auch beibehalten. Aber ich gebe zu, wenn ich heute in der Früh bei der Tür rausgehe und es kommt jemand auf mich zu, dann ist das Erste, was ich sage: „Bitte halten wir ein bisschen einen Abstand!“ Erst danach sage ich:„Hallo, Grüß Gott. Was gibt es? Kann ich irgendwo helfen?“ Das ist eine sehr unangenehme Begleiterscheinung dieses Virus, aber es ist leider notwendig.

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Ich bin kein Hellseher und habe auch nicht vor, den Beruf zu wechseln. Aber die Maßnahmen werden uns sicher länger begleiten und etwas ganz Natürliches werden.

Sebastian Kurz

Sie sind vorher mit Mund-Nasen-Schutz aus Ihrem Büro gekommen. Ist das reine Symbolik, wie bei den Pressekonferenzen? Da werden die Masken auch abgelegt und angezogen und dann wahrscheinlich wieder abgelegt.
Es ist mehr als Symbolik. Es ist sinnvoll, sich so zu verhalten, überall wo es möglich ist, einen Meter Abstand zu halten, und wenn man in geschlossenen Räumen unterwegs ist und mit vielen Menschen in Kontakt kommt, dann macht Maskentragen Sinn. Es war natürlich einfacher in der Phase des Shutdowns, da waren die Regeln noch ganz klar. Heute ist die Situation wesentlich schwieriger. Wir müssen hochfahren und gleichzeitig die Ansteckungszahlen niedrig halten. Abstand und Maske sind immer noch das Beste, um eine weitere Ausbreitung zu verhindern.

Wenn man durch die Stadt geht oder in die Wirtshäuser, dann hält sich kaum noch jemand an den Abstand. Kippt die Stimmung in Österreich gerade?
Kurze Nachdenkpause.
- Ich erlebe das anders. Als wir in der Phase des Shutdowns waren, waren die Regeln einfach. Nur unter Menschen gehen, wenn es absolut notwendig ist. Heute ist unser Ziel, unser Land möglichst schnell wirtschaftlich wieder hochzufahren und natürlich gleichzeitig Sicherheitsregeln bestmöglich einzuhalten. Aber je mehr Leben wieder stattfindet, desto öfter werden sich auch Situationen ergeben, wo Sicherheitsabstände nicht mehr eingehalten werden können oder einem Fehler passieren. Darüberhinaus werden wir in den nächsten Wochen immer mehr an Öffnung erleben und es wird immer mehr erlaubt sein: größere Gruppen, kleinere Veranstaltungen und die Öffnung des Tourismus. Die Kultur, darauf zu achten, was andere falsch machen, die gefällt mir nicht sonderlich. Bemühen wir uns doch einfach, jeder Einzelne, es selber richtig zu machen. Die Situation ist ohnehin schwer genug.

Der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser hat regionale Lockerungen gefordert. Wären Sie dafür?
Das fände ich gut. Wir haben das auch immer wieder mit den Landeshauptleuten, darunter Landeshauptmann Kaiser, besprochen. Es ist mittlerweile eine Realität, dass die Entwicklungen eben unterschiedlich sind. Daher sollte es möglich sein, dort, wo die Situation schon gut ist, Lockerungen noch schneller umzusetzen. Darüber werden wir mit den Landeshauptleuten sprechen.

Kommt es mir nur so vor oder haben sich ein paar Fältchen in sein glattes Gesicht gelegt? Die Stimme klingt jedenfalls ein wenig leiser, sein Blick ist ein wenig ernster, das Lächeln kommt ihm schwerer über die Lippen. Die Gesundheitskrise und der Lockdown des Landes haben beim jüngsten Regierungschef Europas Spuren hinterlassen.

Man hat Ihnen vorgeworfen, der Bevölkerung Angst gemacht zu haben. Und die Regel, dass man sich nur die Füße vertreten darf, hält ja vor dem Gesetz nachweislich nicht. Haben Sie mit zu viel Sorge agiert?
Wir haben verantwortungsvoll agiert. Als Regierungschef ist es meine Aufgabe, einen Informationsvorsprung mit der Bevölkerung zu teilen. Wenn ich aus Gesprächen mit anderen Regierungschefs weiß, was diese Krankheit an Leid anrichtet, wenn ich weiß, was da auf uns zukommt, was wäre ich denn für ein Mensch, wenn ich da vielleicht nur meine eigene Familie warnen würde? Natürlich habe ich die Informationen geteilt und deshalb haben wir der ersten Welle der Corona-Krise auch standgehalten. Wenn ich nach Italien, Frankreich oder Spanien schaue, dann sind dort Zehntausende Menschen gestorben, dort waren die Einschränkungen noch heftiger, dort durften die Menschen wochenlang nur das Haus verlassen, wenn sie einen Hund hatten, um Gassi zu gehen, und sonst waren sie gänzlich eingesperrt, nicht einmal die Kinder konnten sich die Füße vertreten. Die Wirtschaft konnte erst viel später anlaufen und wurde daher viel härter getroffen als unsere Wirtschaft. Haben wir zu hart reagiert? Ich bin ehrlich gesagt froh, dass wir in Österreich diese Debatte führen können.

War es richtig, vom Worst-Case-Szenario auszugehen?
Wir sind nicht vom Worst-Case-Szenario ausgegangen, sondern wir haben getan, was man tun musste, um eine exponentielle Ausbreitung der Krankheit zu verhindern. Und ja, es war damals eine schwierige Entscheidung. Rückblickend weiß man, dass Länder, die früh und entschlossen reagiert haben, die Gesundheitskrise besser bewältigt und den wirtschaftlichen Schaden geringer gehalten haben. Dass die Situation schwer ist, das ist vollkommen klar, dass wir vor enormen wirtschaftlichen Herausforderungen stehen, das ist richtig. Aber mir fällt kaum ein Land ein, mit dem ich gerne tauschen würde. Ich bin den Menschen zutiefst dankbar, wie diszipliniert und großartig sie mit dieser Herausforderung umgegangen sind. Und so schwer diese Wochen des Lockdowns waren, so stolz bin ich auch auf den unglaublichen Zusammenhalt, den es bei uns im Land gegeben hat und nach wie vor gibt.

Es gibt zwei wirtschaftliche Worst-Case-Szenarien: Das eine heißt Hyper-Inflation und das andere massive Steuererhöhungen. Wo in dieser Bandbreite befinden wir uns?
Es kann beides nicht unser Ziel sein. Unser Ziel muss sein, möglichst viele ausgebildete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schnell wieder in die volle Beschäftigung zu bringen. Das Jahr 2020 ist ein wirtschaftlich extrem schwieriges, aber mit all dem, was Österreich ausmacht, unserem Know-how, den gut ausgebildeten Menschen, den mutigen Unternehmerinnen und Unternehmern, werden wir das wirtschaftliche Comeback schaffen. Nachdem wir extrem exportorientiert und ein Tourismusland sind, werden wir noch länger daran leiden, dass die Märkte eingebrochen sind und die Reisefreudigkeit getrübt ist. Das lässt sich nicht von heute auf morgen ändern. Aber klar ist: Weder Inflation noch Steuererhöhungen wären die richtige Antwort. Unsere Antwort sind drei Maßnahmen: Erstens Steuersenkungen, gerade für kleine Einkommen, damit der Konsum angekurbelt wird und die Wirtschaft belebt wird. Zweitens: Hilfe für Unternehmen, damit die Arbeitsplätze erhalten werden können. Drittens. Investitionen in Ökologisierung, Digitalisierung, Regionalität.

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Im Kleinwalsertal sind uns Fehler passiert. Wenn heute Menschen auf mich zukommen, ist das Erste, was ich sage: „Bitte halten wir Abstand!"

Sebastian Kurz

Kommt eine zweite Infektionswelle und könnten wir uns einen zweiten Lockdown überhaupt noch leisten?
Wir müssen alles tun, um eine zweite Welle zu verhindern, wir müssen alles tun, um einen zweiten Lockdown zu verhindern. Deshalb, auch wenn ich mich wiederholen sollte: Erstens die Bitte an die Bevölkerung, weiterhin Abstand zu halten, Mund-Nasen-Schutz zu tragen, wenn es große Menschenansammlungen gibt, sich zuzunicken, anzulächeln, aber sich weiterhin nicht die Hand zu geben oder abzubusseln. Die zweite Bitte geht an die Behörden in den Bundesländern: Sie müssen professionelles Containment betreiben. Sobald jemand positiv getestet wurde, muss er isoliert werden, damit er andere Menschen nicht anstecken kann. Wenn das gelingt, dann wird es gelingen, dass es nicht noch einmal zu einem exponentiellen Wachstum der Erkrankung kommt. Wenn das nicht gelingt, dann stehen wir vor einer neuerlichen Herausforderung.

Apropos Bundesländer: Zwischen Bund und Wien fliegen momentan die Fetzen. Innenminister Karl Nehammer beklagt, dass Wien die Corona-Epidemie nicht unter Kontrolle habe und Wiens Gesundheitsstadtrat Peter Hacker sagt, das stimmt alles überhaupt nicht. Wie sehen Sie diesen Schlagabtausch?
Ich glaube, alle haben dasselbe Ziel, nämlich eine zweite Welle und einen zweiten Lockdown zu verhindern. Wenn in Wien Personen, die positiv getestet wurden, weiter zur Arbeit gehen und dort potenziell andere Menschen anstecken, dann ist das natürlich nicht gut.

Aber warum mischt sich der Innenminister da ein?
Weil Karl Nehammer, gemeinsam mit dem Gesundheitsminister, in der Regierung hauptverantwortlich ist, die Corona-Krise zu bewältigen.

Der Gesundheitsminister sagt, die Zusammenarbeit mit Wien sei super, Nehammer behauptet das Gegenteil. Was wirft das für ein Bild auf die Regierung?
Der Innenminister hat angeboten, dass so wie in acht anderen Bundesländern auch in Wien die Polizei mithelfen könnte, dass Personen, die positiv getestet werden, isoliert und überwacht werden müssen, was ja unser gemeinsames Ziel sein muss.

Der Wiener Gesundheitsstadtrat Hacker sagt, er macht das eh.
Wenn dem wirklich so ist, dann ist das gut.

Laudamotion hat diese Woche den Standort Wien aufgegeben, mit der AUA gibt es immer noch Verhandlungen über Millionenzuschüsse. Glauben Sie, dass es nach Corona noch Direktflüge nach L.A. oder Tokio geben wird? Oder müssen die Österreicher künftig über Frankfurt oder Zürich fliegen?
Es wird weiterhin Langstreckenflüge aus Wien geben.

Zu hundert Prozent?
Zu hundert Prozent. Wichtig ist, dass es möglichst viele sind, denn das ist wichtig für den Wirtschaftsstandort Österreich. Was die Verhandlungen mit der AUA beziehungsweise der Lufthansa betrifft, laufen diese auf Hochtouren. Wir haben als Republik Österreich zwei Interessen: Zum ersten die Arbeitsplätze zu sichern, zum zweiten das Drehkreuz Wien zu erhalten.

Tut es Ihnen leid, dass Laudamotion abzieht?
Es ist sehr schade, dass die Verhandlungen zwischen Gewerkschaft und Arbeitgeber und dem Unternehmen gescheitert sind und der Standort jetzt in ein anderes Land abgezogen wird. Aber ich war bei den Verhandlungen nicht dabei, weshalb ich sie auch nicht bewerten möchte.

Es hat einen stabilen Faktor in der Corona-Phase gegeben, das war Ihre Frisur. Viele Leser haben uns geschrieben, dass sie bestimmt auch während der Quarantäne beim Friseur waren. War es so?
Alle, die in meinem Umfeld sind und mich täglich aus der Nähe gesehen haben, die haben es belustigt mitverfolgt, dass am Ende des Lockdowns meine Haare schon ziemlich lang waren. - Streicht sich über seine Haare im Nacken.

Noch mehr Gel gebraucht als sonst?
Nein. - Lacht. - Aber es war gut, dass am 1. Mai die Friseure wieder aufgesperrt haben, und ich habe das wie viele andere auch gleich genutzt.

Waren Sie auch schon im Wirtshaus?
Nein, noch nicht. Wir werden das vielleicht am Wochenende machen.

Haben Sie eigentlich das Buch von meinem Kollegen Klaus Knittelfelder - „Inside Türkis“ - gelesen?
Nein, noch nicht. Wenn ich irgendwann Zeit habe, werde ich es nachholen. In den letzten Wochen habe ich ausschließlich Informationen zum Coronavirus, zu Forschungsergebnissen und zu wirtschaftlichen Auswirkungen gelesen.

Wie lange werden Sie das noch machen?
Ich gehe davon aus, dass uns das Thema noch so lange intensiv beschäftigen wird, bis es einen Impfstoff oder ein Medikament gibt. Die gute Nachricht ist aber, dass wir Menschen irrsinnig anpassungsfähig sind, und deshalb bin ich mir sicher, dass wir immer besser mit dieser Situation umgehen und uns mehr und mehr an diese Situation gewöhnen werden.

An die „neue Normalität“?
Wir werden jeden Tag einen Schritt weiter zu unserem normalen Leben zurückfinden. Es werden, wenn sich die Ansteckungszahlen weiter gut entwickeln, immer mehr Lockerungen möglich werden, und gewisse Verhaltensregeln, gewisse Sicherheitsmaßnahmen werden, solange es das Virus in unserer Gesellschaft gibt, etwas ganz Natürliches werden. Es wird ganz normal sein, sich im Falle einer Infektion selbst zu isolieren, damit man niemanden ansteckt. Das wird uns begleiten.

Wann können wir die Masken ablegen?
Ich bin kein Hellseher und habe auch nicht vor, den Beruf zu wechseln. Das wird sehr auf die Entwicklung der Ansteckungszahlen ankommen und wird je nach Standort unterschiedlich sein. Wir haben jetzt einige Bundesländer, die in den letzten Wochen null Neuinfizierte gehabt haben. Insofern lässt sich das schwer sagen.

Was wird man in zehn Jahren über dieses seltsame Jahr 2020 sagen?
Österreich hat diese Krise besser bewältigt als viele andere Staaten. Es sind nicht nur gemeinsam Leben gerettet worden, sondern unser Land mit seinem beeindruckenden sozialen Zusammenhalt hat sich auch wirtschaftlich schneller erholt.

Aber es wird auch viele Opfer gegeben haben ...
Das ist richtig. Es gibt Menschen, die ihr Leben verloren haben, es gibt Menschen, die mit dieser schweren Krankheit zu kämpfen hatten und sie überstanden haben und es gibt massive wirtschaftliche Auswirkungen. Aber wenn ein Land die Kraft hat, da wieder gut rauszukommen, dann ist es Österreich.

Sebastian Kurz: Zwei Koalitionen in drei Jahren
Geboren am 27.8.1986 in Wien-Meidling. Mutter Lehrerin, Vater Techniker, keine Geschwister. Nach Matura mit Auszeichnung studiert er ab 2005 Jus, das Studium ist ruhend gestellt. 2008 wird er Landesobmann der Jungen ÖVP Wien, 2009 Bundesobmann, 2011 Staatssekretär für Integration, 2013 Außenminister, im Mai 2017 Parteiobmann der Bundes-ÖVP. Vor einem Jahr, am 27. Mai 2019, stürzt seine Regierung, bei den Neuwahlen geht er als Sieger hervor und bildet seit 7. Jänner 2020 eine türkis-grüne Koalition. Privat lebt Kurz mit Susanne Thier zusammen.

Conny Bischofberger, Kronen Zeitung

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