Quo Vadis, Musikkultur

Corona: Wie kleinere Clubs ums Überleben kämpfen

Musik
24.05.2020 08:00

Noch Wochen der Untätigkeit tut sich auch im Corona-gequälten Kulturbereich etwas. Veranstaltungen und im Speziellen Konzerte können im kleinen Rahmen bald wieder stattfinden, doch die Verordnungen erleichtern den Clubs die praktische Ausführung dessen nicht wirklich. Wir haben uns mit führenden Köpfen des WUK Wien, fluc in Wien und des Explosiv in Graz über Gegenwart und Zukunft unterhalten.

(Bild: kmm)

Es sind harte Zeiten für die heimische Kulturbranche. Während Gastronomie, Tourismus und Sport langsam wieder in die Gänge kommen, herrscht gerade im Kulturbereich Flaute. Wochenlanger Unsicherheiten ob der Corona-Krise-bedingten Ausrichtung für Frühling und Sommer folgte der Rücktritt von Staatssekretärin Ulrike Lunacek. Nachfolgerin Andrea Mayer hat nun die undankbare Aufgabe, in einer landesweiten Branche mit immens hoher Wertschöpfungskette Wunder bewirken zu müssen. Nun wurden bereits erste Verordnungen getroffen, die besagen, dass man ab Anfang Juni kleine bestuhlte Veranstaltungen indoor durchführen darf. Die Wiederbelebung der heimischen Clubszene könnte sich aber als Chimäre erweisen, denn all das ist nicht so leicht umsetzbar. Die Venues kämpfen an allen Fronten. Mit Subventionen, Unterstützungen, Crowdfunding oder der bloßen Unterstützung langjähriger Stammgäste, Freunde und Liebhaber.

Das WUK in Wien, das ebenfalls in Wien ansässige fluc und das Jugend- und Kulturzentrum Explosiv in Graz sind drei österreichweit bekannte Locations, die vor allem die alternative Veranstaltungskultur in den Vordergrund stellen. Allen dreien ist gemein, dass die einheimische, als auch internationale Populärmusikszene mit ihren mannigfaltigen Verzweigungen einen entscheidenden Teil des Programms einnimmt. So erleben sie durch die gerade angesetzten und noch zu diskutierenden Verordnungen in Regierungskreisen hautnah, wie steinig die Wege bis zur praktischen Umsetzung derartiger Verordnungen sein werden. Nicht nur, dass es um Arbeitsplätze und die bloße Zukunft der Locations geht, kämpft man an anderer Front auch mit den Tücken der Reisebestimmungen und der Ungewissheit, wie Corona-bedingt international weiter verfahren wird. Wir baten WUK-Musikchef Hannes Cistota, fluc-Mitgebründer Peter Nachtnebel und den taufrisch designierten Explosiv-Geschäftsführer Philipp Weinberger zum virtuellen Roundtable.

„Krone“: Wie hat eure Location die ersten zwei Monate nach dem Corona-Lockdown überstanden? Wie viele Mitarbeiter habt ihr und musstet ihr abbauen bzw. sie in Kurzarbeit schicken?
Philipp Weinberger/Explosiv Graz:
Der Lockdown war für uns eine enorme Erfahrung. Etwas in diesem Ausmaß hat es ja zumindest in meiner Generation noch nicht gegeben. Am Anfang standen viele Fragen, genaue Informationen gab es ja mit 13. März nicht. Wir wussten nur, wir müssen ziemlich sicher schließen. Interessanterweise hätten wir am 14. März sogar noch ein Konzert veranstalten dürfen. Der Veranstalter wäre auch bereit gewesen auf 90 Zuschauer zu reduzieren (wir hatten die Zahl so ermittelt, dass nicht mehr als 100 Personen, inklusive Produktionsmitarbeiter, gleichzeitig im Raum sind). Im Endeffekt sind dann aber schon so viele Leute freiwillig zu Hause geblieben, dass es sich finanziell nicht ausgezahlt hätte und wir haben die Veranstaltung abgesagt.
Danach war es ein Abwarten auf weitere Infos, Pressekonferenzen, teilweise stundenlanges Durchforsten aller Erlässe und Gesetzesanpassungen und Überlegungen, wie wir weitermachen werden. Klar war, wir werden niemanden kündigen, wenn es nicht unbedingt sein muss! Das war eine Feuertaufe, denn ich habe das Jugend- und Kulturzentrum Explosiv Graz genau mit Beginn des Lockdowns von meinem Vorgänger Rene Molnar übernommen.Wir sind aktuell elf Mitarbeiter, wobei eine Person über ein AMS-Projekt finanziert ist und ein Mitarbeiter in Langzeitkrankenstand. Vier Mitarbeiter sind aktuell bis Ende Juni in Kurzarbeit. Da werden wir uns in den kommenden Wochen, nach den endgültigen neuen Verordnungen mit 25. Mai, entscheiden, wie wir weitermachen. Also im Sinne von Kurzarbeit beibehalten. Interessant bei uns ist ja, dass wir je nach Fördergeber teilweise Personal nicht in Kurzarbeit schicken dürfen, da es dann eine Doppelförderung wäre. Das musste alles im Vorfeld abgeklärt werden um nicht am Ende der Abrechnungsperiode Fördergelder zurückzahlen zu müssen.
Hannes Cistota/WUK Wien: Teilweise konnten wir alternative Modalitäten finden und einige geplante Veranstaltungen und Ausstellungen in Form von Livestreams über die virtuelle Bühne bringen. Wir haben Personal in Kurzarbeit geschickt, wo es möglich war und Sinn gemacht hat. Mit dem Rückabwickeln und Verschieben von abgesagten Veranstaltungen hatten wir in den ersten Wochen alle Hände voll zu tun. Jetzt hoffen wir, dass externe Firmen, mit denen wir im Rahmen von Licht, Ton und Security-Diensten zusammenarbeiten, diese nun schon lange dauernde Ausnahmesituation des Verdienstentgangs gut überstehen.
Peter Nachtnebel/fluc Wien:Noch geht es uns gut, danke der Nachfrage. Das fluc hat die Mitarbeiteranzahl eines österreichischen Mittelbetriebes. Den Umständen entsprechend wurde ein Teil davon in Kurzarbeit geschickt.

Wie konntet ihr bislang überleben? Gab es irgendwelche Unterstützungen oder musstet ihr eure Rücklagen angreifen?
Weinberger/Explosiv: Wie schon in der vorigen Antwort angesprochen sind wir von mehreren Stellen (Jugend/Kultur Stadt Graz, Jugend/Kultur Land Steiermark) in unterschiedlichen Höhen gefördert. Relativ schnell war von Seiten der verantwortlichen Kulturpolitiker der Stadt und des Landes klar: „Wir lassen niemanden fallen“. Wir können teilweise Fördersummen ins nächste Jahr mitnehmen, es gibt geänderte Zeiträume für Ansuchen und Abrechnungen für mehrjährige Förderverträge. Kultur Land hat als „Akuthilfe“ die gesamte restliche Fördersumme, die normalerweise in mehrere Chargen aufgeteilt ist, überwiesen. Damit war uns, gerade was die akuten Fix-, Instandhaltungs- sowie Lohnkosten betrifft, sehr geholfen. Ich möchte an dieser Stelle dem Grazer Stadtrat Riegler, Kulturamtsleiter Großmann und LR Drexler erwähnen, die sich, zumindest aus meiner Sicht, sehr rasch bereit erklärt haben ein positives Zeichen zu setzen.
Als Verein dürfen wir keine Rücklagen bilden, das heißt, wir können maximal auf persönliche Rücklagen zurückgreifen. So habe etwa ich die ersten beiden Monate meine neue Funktion ehrenamtlich ausgeübt, um das Budget nicht über Gebühr zu belasten. Mitte März war ja niemandem klar, wann und wie es weitergehen kann.
Cistota/WUK: Abgesehen von der schon angesprochenen Kurzarbeit sind wir spartenweise und durch eine Basisförderung von Stadt und Bund subventioniert. Dass wir diese nicht zurückzahlen müssen, hilft uns dabei, die Krise zu überstehen. Wir sind im ständigen Austausch mit den Subventionsgebern.
Nachtnebel/fluc: Bis zum jetzigen Zeitpunkt gab es kaum eine Unterstützung. Fördergelder der Kulturabteilung der Stadt Wien (MA7) durften wir zur Schadensbegrenzung umwidmen. Gegenwärtig läuft eine erfolgreiche Crowdfunding-Kampagne auf Start Next, die hilft laufende Fixkosten zu reduzieren. Wir freuen uns natürlich weiterhin über jeden gespendeten Euro!

Es gibt ein neues Kulturpaket der Bundesregierung, nachdem es bereits ab Juni die ersten Events für bis zu 100 Personen abgehalten werden können. Könnt ihr solche Events in irgendeiner Weise durchführen?
Weinberger/Explosiv: Das was wir bisher wissen, also 100 Personen (bestuhlt) wäre bei uns absolut durchführbar. Wir warten noch die angekündigte Fassung des Kulturpakets mit 25. Mai ab und werden dann sehen, was wir gegebenenfalls adaptieren müssen. Die Bestuhlung haben wir aber und wir können auch einen eventuellen Sicherheitsabstand gewährleisten. Spannend bei diesen Personenregelungen wird sein, bezieht sich dies auf die reine Besucheranzahl, oder werden da auch die Künstler und die Produktionsmitarbeiter miteinberechnet, wie es aktuell bei Workshops (zehn Personen inklusive Workshopleiterin) der Fall ist. Dann ist es fraglich, ob sich Veranstaltungen rechnen. Was wir aber auf jeden Fall machen können ist unser traditionelles Sommerprogramm also DJ-Themenabende, Kino, Spieleabende. Dafür haben wir die Ressourcen.
Cistota/WUK: Das ist ein erster Fahrplan nach einer langen Durststrecke. Für die große Halle im WUK bedeutet dies, dass 40 Personen sitzend zugelassen sind. Das ist weit von einem ausverkauften Popkonzert entfernt. Wir sind aber dabei, Performances und kleine Produktionen möglich zu machen.
Nachtnebel/fluc: Das 100-Personen-Kulturpaket der Regierung war ein begrüßenswerter erster Schritt, der beim zweiten Hinschauen nur in Outdoor-Locations, (mittel-)großen Hallen, Kirchen oder Kathedralen umsetzbar ist.

Ihr lebt davon, Populärmusik zu veranstalten. Sind die Regierungsanforderungen in diesem Umfeld überhaupt umzusetzen?
Weinberger/Explosiv: Wie gesagt, da warten wir noch auf die endgültige Ausgestaltung der Verordnung. Die erste Öffnung mit 100 Personen, sehe ich noch recht unproblematisch. Spannend wird es bei den nächsten angekündigten Schritten. Dann würden wir nämlich, Bestuhlung vorausgesetzt, mit der Brandschutzverordnung kollidieren, da wir bei 250 Sitzplätzen mit einen Meter Abstand die Fluchtwege nicht mehr gewährleisten können. Für den übernächsten Schritt, also 500 Personen, ist unsere Location nicht mal zugelassen, also müssen wir uns darüber keine Gedanken machen. Ich sehe da aber schon gröbere Probleme bei Kollegen aus anderen Clubs in Graz und österreichweit.
Cistota/WUK: Nein, leider gehen die momentan möglichen Konzepte für Kulturveranstalter total an der Realität eines Konzertes vorbei. Menschen, die in einem Abstand von einem Meter voneinander entfernt sitzen und sich unbeweglich eine Band anschauen? Kann ich mir nicht vorstellen.
Nachtnebel/fluc: Leider kaum. Und ich glaube ich spreche da für die meisten Konzertlocations und Clubs in Österreich. Um Produktionskosten und Künstlergagen abdecken zu können, braucht es ein Minimum an zahlenden Gästen, nur damit einmal der Break Even erreicht wird. Von Gewinn ist da noch keine Rede. Die meisten Musikclubs sind raumgestalterisch auf eine hohe Publikumsdynamik ausgelegt: Leute stehen dicht gedrängt vor der Bühne oder tanzen, andere schmusen, wiederum andere probieren die Destillate an der Bar aus. Der DJ nimmt Wünsche entgegen. Dazwischen wuselt der Glasler rum und jede halbe Stunde schaut der Rosenverkäufer vorbei. Ein Abend ohne diese Dynamik kann niemals ein gelungener sein. Gemäß der aktuellen Verordnung sollen wir noch dazu um 23 Uhr nachhause gehen. Da wird es nicht nur unlustig, da überlege ich mir, ob ich überhaupt ausgehen möchte.

Habt ihr ein Durchführungs- und Sicherheitskonzept für die Events, die ihr ab Juni theoretisch veranstalten dürft?
Weinberger/Explosiv: Da wir erst ab einer Personenanzahl von mehr als 500 ein solches brauchen, wenn ich die Pressekonferenz von 15. Mai richtig verstanden habe, haben wir kein spezifisches für die aktuelle Situation. Wir werden aber unser bisheriges adaptieren und mit den Auflagen die wir schon jetzt für unseren „offenen Betrieb“, als das Jugendzentrum haben, abgleichen.
Cistota/WUK: Wir sind momentan dabei, neuralgische Punkte zu definieren - beispielsweise Einlass, Garderobe - und versuchen, ein realistisches Konzept zu entwerfen.
Nachtnebel/fluc: Wir überlegen und planen. Konkretes trauen wir uns allerdings noch nicht zu sagen.

Die Events sollen bestuhlt sein und der nötige Abstand muss gegeben sein. Lässt sich das in der Realität umsetzen oder wartet ihr lieber gleich länger ab mit dem Veranstalten? Was wären umsetzbare Lösungen von eurer Seite?
Weinberger/Explosiv: Dazu fällt mir aber auch noch ein, wie lustig sind denn Rock-Punk-Metalkonzerte, wenn die Leute sitzen müssen? Das wird auch noch einmal eine sehr interessante Erfahrung werden!
Cistota/WUK: Um halbwegs kostendeckend arbeiten zu können, sind in unserer Halle momentan zu wenig Sitzplätze erlaubt. Wir werden wohl bis September warten müssen, ob sich die Lage weiter beruhigt und es weitere Lockerungen gibt. Ich kann mir zum Beispiel vorstellen, dass die Besucher beim Ticketkauf Slots zugewiesen bekommen, damit sich die Menschen beim Einlass nicht zu nahekommen. Ich hoffe, dass so wieder Stehkonzerte mit zumindest 250 Personen möglich werden.
Nachtnebel/fluc: Ein erster Rundgang mit dem Maßband hat uns rasch auf den Boden der Tatsachen heruntergeholt. Sofern man die Vorgaben der Regierung korrekt umsetzen möchte, bleibt netto wenig Raum für das sitzende Publikum. Wir überlegen daher „5-Uhr-Tee“-Konzerte für eine überschaubare Anzahl an Gästen zu machen, möglicherweise in zwei Tranchen. Für wenig bekannte, lokale Musikerinnen und Musiker ist das eine gute Gelegenheit, sich zu präsentieren und als Location setzt man zumindest ein kulturelles Lebenszeichen, wenn man schon nichts verdient.

Welche internen Veränderungen müsst ihr nun kurz- und mittelfristig direkt bei eurer Location umsetzen?
Weinberger/Explosiv: Auch hier gilt, wir warten ab, was in der Verordnung vom 25. Mai gefordert werden wird. Was wir bisher schon haben sind Hinweisschilder/Piktogramme mit Verhaltensregeln. Die hatten wir bereits vor dem Lockdown, beziehungsweise bei den Adaptierungen für den „offenen Betrieb“ angebracht. Wir werden noch Markierungen am Boden (Mindestabstand) anbringen und überlegen uns ein Einbahn-System im Bereich der Ausschank und auch in der Konzerthalle. Da sind wir im Vergleich zu anderen Locations sicher privilegiert, so etwas überhaupt machen zu können. Sollten bauliche Veränderungen gefordert werden, müssen wir schauen, was sinnvoll ist. Die Stadt Graz hat die Bereitschaft bekundet, zumindest kleine Anschaffungen über die Fördersumme abrechenbar zu machen. Da fallen aus unserer Sicht Dinge wie MNS-Masken, Face-Shields und Desinfektionsmittel darunter. Einen kompletten Verbau der Bar mit Plexiglas, als Beispiel, kann ich mir nicht vorstellen, dass den jemand finanziert. Zusammengefasst, sollten sich die Auflagen als nicht umsetzbar, im Sinne einer Kosten-/Nutzenrechnung erweisen, starten wir lieber später.
Cistota/WUK: Wir haben für Konzerte und Performances Streamings durchgeführt. Der reguläre Spielplan ist bis September ausgesetzt, natürlich auch das traditionelle Public Viewing der Fußball-EM mit FM4 im WUK. Die Situation ist, wie für andere Akteure des Kulturbereichs auch, eine riesige Herausforderung. Wir sind daher auf die Unterstützung unserer Community angewiesen und bitten unsere „WUK Freund_innen“, mit uns im Rahmen einer Fördermitgliedschaft diese schwierige Zeit zu überbrücken. Außerdem experimentieren wir mit kleinen Maßnahmen wie dem Barbetrieb im Innenhof und warten auf die Vorgaben der Politik, um im Saal kleinere Veranstaltungen machen zu können.
Nachtnebel/fluc: Das ist derzeit nicht absehbar. Sollte uns Covid-19 die nächsten Jahre begleiten, wird es in der Eventszene noch nie dagewesene, grundlegende Umbrüche geben: Limitierte Tickets zu hohen Preisen per Voranmeldung, Bands mit Plexiglasvisier, Tanzflächen mit Bodenmarkierungen, um den Sicherheitsabstand zu wahren... mir fällt gerade kein dystopischer Roman ein, der das zum Inhalt haben könnte.

Ab August soll man für bis zu 1000 Zuseher veranstalten können. Sind größere Mengen an Fans für Veranstaltungslocations überhaupt möglich, nachdem man Events ja lange im Vorfeld planen muss?
Weinberger/Explosiv: Diese Frage stellt sich für uns auf Grund unserer Zulassung zum Glück nicht. Ich kann mir aber nur sehr schwer vorstellen, dass das möglich sein wird. Ich meine, da muss ja immer noch von einer Bestuhlung ausgegangen werden. Wer schafft denn das? Die Grazer und Wiener Stadthalle vielleicht. Aber eine Arena Wien oder meinetwegen auch das Grazer Orpheum? Open Airs tun sich da sicher leichter. Aber Bestuhlung zum Beispiel am Kaltenbach Festival in Spital am Semmering? Die eigenen Sicherheitskonzepte, die die Veranstalter ausarbeiten sollen, sehe ich auch als zweischneidiges Schwert. Einerseits soll damit gewährleistet werden, die Bestimmungen an die jeweilige Location/das jeweilige Event anpassen zu können. Andererseits erspart sich der Gesetzgeber auch eine Menge Arbeit, wenn er das auslagert!
Cistota/WUK: Das ist sehr von den tourenden Bands abhängig, will man hier internationale Bands auf die Bühnen bringen. Es ist nicht zu unterschätzen, wie viel Vorlaufzeit für eine Show nötig ist, um die Bewerbung und die Produktion auf sichere Beine zu stellen. Die ganze Branche ist in einem Dornröschenschlaf und muss zuerst einmal aufgeweckt werden.
Nachtnebel/fluc: Vor Sommer 2021 wird es vermutlich nur sporadisch Großveranstaltungen geben. Die Vorlaufzeit für größere internationale Acts beträgt mindestens ein halbes Jahr.

Wie sieht die Lage im Sinne aus, dass ihr zwar offiziell ab Juni in verschiedenen Besuchergrößenordnungen veranstalten dürft, aber die Reisebeschränkungen für Künstler ja immer noch aufrecht sind und sich wohl auch noch länger nicht ändern?
Weinberger/Explosiv: Diese Frage stellen wir uns schon länger. Wir sind zwar für den Herbst bereits gut gebucht, ich kann mir aber nur schwer vorstellen, dass Bands aus den USA, Kanada oder auch „nur“ Frankreich oder Großbritannien groß auf Tour werden gehen dürfen. Bands aus Deutschland, Tschechien oder Slowenien sind vorstellbar. Auch das sehe ich mit gemischten Gefühlen. Im besten Fall führt es zu einer Stärkung der heimischen alternativen Szenen. Ich kann mir zum Beispiel gut vorstellen, dass Band-Pakete aus lokalen Bands geschnürt werden, die dann auf Österreich-Tour geschickt werden. Da würde ich es spannend finden mit anderen Locations und Bands aus anderen Bundesländern zu kooperieren. Ich denke, das würde einen Push für die verschiedenen Szenen bedeuten. Persönlich sähe ich es natürlich gerne, wenn wir wieder zum Status Quo zurückkehren könnten. Ich denke aber nicht, dass dies 2020 noch möglich sein wird.
Cistota/WUK: Das Tourgeschäft braucht die Reisefreiheit und ich denke, es macht nur Sinn, wenn Europa geschlossen aufsperrt. Eine Band hat ja auch nichts davon, nur in wenigen europäischen Ländern spielen zu dürfen. Ich wünsche mir hier weniger nationale Alleingänge.
Nachtnebel/fluc: Egal welches Genre du hernimmst - Theater, Kabarett, Jazz, Pop - wir haben in Österreich viele Künstlerinnen und Künstler, die es verdient haben, gesehen und gehört zu werden. Da mache ich mir wenig Sorgen. An Auswahl mangelt es sicher nicht.

Unlängst trat Ulrike Lunacek als Kunst- und Kulturstaatssekretärin zurück, Andrea Mayer übernahm unlängst. Ändert das kurz- und langfristig etwas für euch?
Weinberger/Explosiv: Ich möchte über Ulrike Lunacek nichts Schlechtes sagen, halte sie für eine Politikerin mit ausgezeichneter Expertise… leider nicht im Kulturbereich. Ich denke, sie hätte sich gut einarbeiten können, wäre ihr die aktuelle Situation nicht in die Quere gekommen. Aber seien wir ehrlich, welchen Stellenwert hat Kulturpolitik in Österreich, wenn sie in ein Staatssekretariat ausgegliedert wird und kein eigenes Ministerium hat? Der letzte innovative Kulturpolitiker auf Staatsebene, an den ich mich erinnere, war Rudolf Scholten. Lunaceks Nachfolgerin Andrea Mayer hat ihre politische Karriere just unter Minister Scholten begonnen… eventuell ist das ja ein gutes Zeichen. Auf Landesebene haben wir mit Christian Drexler jemanden, der bei seiner Antrittsrede gesagt hat, er möchte explizit die kleine und alternative Szene fördern „…seid innovativ…seid mutig!“. Das ist für mich eine Ansage, die ich mir auch von der neuen Staatssekretärin erwarten würde. Was wir uns aber mehr als Personenbeschränkungen wünschen würden, wäre endlich auch ein Hilfspaket für NGOs, Kulturvereine und ähnliche, damit wir ein wenig mehr Sicherheit bei den Fixkosten haben.
Cistota/WUK: Die Kunst und Kultur ist in ganz Europa ein riesiger Wirtschaftsfaktor, so wurden die Kunstangelegenheiten in Frankreich zur Chefsache und von Emmanuel Macron direkt übernommen. Das ist ein wichtiges Zeichen. Die Unverzichtbarkeit von künstlerischer Beschäftigung mit der Welt, gerade in Krisenzeiten, darf sich nicht nur in Lippenbekenntnissen niederschlagen. Ein eigenes Ministerium würde der Kulturnation Österreich gut zu Gesichte stehen. Solange die Kulturstaatssekretärin als Bittstellerin ohne wirkliche Entscheidungsgewalt auftritt und der Finanzminister den Sektor mit Peanuts abspeist, wird sich nicht viel ändern.
Nachtebel/fluc:
Nein.

Wie seht ihr die Zukunft für eure Location, wenn ihr euch die aktuellen Verordnungen der Regierung ansieht? Wie wird es eurer Ansicht nach mit eurer Location Anfang September aussehen?
Weinberger/Explosiv: Ich denke Konzerte mit bis zu 200 Besuchern werden möglich sein. Danach haben wir, wie bereits erwähnt, ein Problem mit den Fluchtwegen. Da werden wir ganz eng mit unseren externen Veranstaltern zusammenarbeiten müssen um zu schauen, was rechnet sich, brauchen wir eventuell mehr Ordner etc. Was wir immer anbieten können sind Videodrehs und die Nutzung unseres Knowhows für Live-Streams. Da haben wir erst vergangenes Wochenende unseren Piloten abgefahren und sind mit dem Ergebnis zufrieden. Aber auch wenn Streaming situationsbedingt in ist, wird es niemals den Effekt eines Konzertes ersetzen könne. Das Auratische des Kunstwerks, um Walter Benjamin zu zitieren, gibt es nur in der Live-Erfahrung. Das wollen die Leute, deswegen kommen sie und zahlen Eintritt. Und im Endeffekt, sind wir im Jugend- und Kulturzentrum Explosiv immer auch Fans!
Cistota/WUK: Ich hoffe, der Impfstoff kommt rasch und wir können wieder Konzerte erleben, denn Konzerte wird es geben. Auch nach dem Virus oder mit dem Virus. Die Menschen wollen seit 45.000 Jahren Musik machen. Konzerte sind mehr als nur ein Musikerlebnis. Der Wunsch nach einer gemeinsamen Zeit wird bleiben.
Nachtnebel/fluc: Wir hoffen, dass wir im September den Betrieb regulär öffnen können und unsere Gäste möglichst oft vorbeikommen. Seitens der Kulturszene herrscht ein enormer Aufholbedarf. Theoretisch könnten wir ab September jeden Tag eine Album-Releaseparty machen.

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