Nach Kuh-Urteil

Almsperre: „Wieso soll Bauer immer schuld sein?“

Steiermark
21.05.2020 06:00

2014 wurde in Tirol eine deutsche Touristin, die einen Hund mitführte, von einer Kuh getötet. Der Oberste Gerichtshof verurteilte den Bauern als teilschuldig. Am Samstag hat der erste Landwirt seine Alm in der Steiermark für Wanderer gesperrt. Er will aufrütteln.

Dort, wo vorher zwei Warnschilder gereicht haben, hängt sie jetzt: die Tafel mit der Aufschrift „Durchgang verboten!“. Dort, beim großen Parkplatz direkt neben der Straße, inmitten des Naturparks Almenland im steirischen Bezirk Weiz, etwa eine Autostunde mit vielen Kurven von Graz entfernt, beginnt der beliebte Weitwanderweg 6, der von der Sommeralm nach Mariazell führt. Er beginnt mit einem zwei Kilometer langen Abschnitt, der Landwirt Hannes Willingshofer gehört. Am Samstag hat er den Weg gesperrt – als Reaktion auf ein Urteil des Obersten Gerichtshofs, das einen Tiroler Bauern als teilschuldig verurteilte, weil eine deutsche Touristin auf seiner Alm von einer Kuh getötet wurde.

Andere Wegbesitzer „stehen voll hinter mir“
„Ich hab‘ gesagt: Wenn der verurteilt wird, dann bin ich der Erste, der den Weitwanderweg zusperrt. Ich hab‘ das mit den anderen Wegbesitzern abgesprochen, die stehen voll hinter mir“, erzählt Willingshofer beim Gespräch im Gastgarten der Stoakogl-Hütte, die gleich neben dem Anfang des Weges direkt an der Panoramastraße liegt. Die Sommeralm ist ein Paradies für Wanderer, vor allem an Tagen wie diesem, wo der Himmel strahlend blau ist. „Unsere Aktion geht nicht gegen die Wanderer, nicht gegen den Alpenverein, nicht gegen die Gastronomie“, sagt Willingshofer.

Er will aufrütteln. Er will darauf aufmerksam machen, dass es für Landwirte in dieser Situation keine Rechtssicherheit gibt. „Das Urteil war komplett unverständlich für mich. Das kann es nicht sein, dass ein Bauer, der zulässt, dass Leute auf seinem privaten Grund gehen, und eh nichts dafür kriegt, so behandelt wird.“ Dass die Versicherung oder die Freizeitpolizze des Landes eventuelle Kosten decken würden, ist ihm zu wenig.

„Es braucht einmal irgendjemanden, der das aufzeigt“
Sein Kollege Stefan Baumegger, der die Aktion mitträgt, pflichtet ihm bei – und ist damit nicht der Einzige. „Andere Bauern, mit denen wir geredet haben, sagen: Es braucht einmal irgendjemanden, der das aufzeigt. Wieso soll der Bauer immer schuld sein?“

Hunde lösen bei Kühen Schutzinstinkt aus
Links geht es steil hoch und rechts steil hinunter, als wir mit dem Auto das Wegstück abfahren. Auf einer Lichtung liegen die Kühe mit ihren Kälbern. „,Laura‘, was schaust denn so?“, ruft Willingshofer einer Kuh zu. Daneben haben es sich „Lotte“, „Brigitte“ und „Merle“ gemütlich gemacht. Sie sind wenig beeindruckt von unserer Anwesenheit. „Das genau ist die Situation mit den Kälbern. Sie liegen ruhig da, aber wenn du einen Hund mithast, wird es gefährlich“, meint Willingshofer. „Da machst du keine zehn Meter. Die Kuh hat 950 Kilo.“

Dass die Hunde das große Problem sind, betonen beide Landwirte immer wieder. „Die Leute mit den Hunden sind um so viel mehr geworden“, sagt Willingshofer. Jungbauer Baumegger ist selbst Hundebesitzer und weiß um den natürlichen Konflikt. „Manchmal reagieren die Viecher gar nicht, manchmal reagieren sie komplett anders. Das große Problem ist nicht der Wanderer, sondern der Hund.“ Die Muttertiere folgen ihrem Instinkt und beschützen ihre Kälber.

Wanderer und Wirte haben Verständnis
Eine der Leidtragenden der Sperre ist die Wirtin der Stoakogl-Hütte, Martina Gohla. Während ihre kleine Tochter spielt und Hausübungen erledigt, huscht die leidenschaftliche Gastronomin von Tisch zu Tisch. Auch wenn der gesperrte Weg ein wirtschaftliches Risiko für sie ist, hat sie Verständnis. „Ich verstehe den Hannes, dass er das gemacht hat, und hoffe, dass es was bewirkt.“ Sie appelliert an die Eigenverantwortung der Wanderer: „Kühe sind keine Streichelviecher.“

Verständnis bringen auch die Wanderer auf. Etwa das Ehepaar Glück aus Puch bei Weiz. Rudolf Glück wollte diesen Sommer zum 30. Mal den Weitwanderweg bis nach Mariazell gehen. „Wir verstehen den Bauern sehr gut, aber es tut uns schon leid“, sagt er. Wandern wird er trotzdem, nur eben über einen Umweg.

Was passieren müsste, damit Hannes Willingshofer die Tafel wieder von seinem Gatter abmontiert? „Es geht wirklich nur um den Selbstschutz“, meint er. Anzeigen will er übrigens niemanden, wenn er durchgeht. Es geht ihm darum, auf der sicheren Seite zu sein. Und sobald es Rechtssicherheit für die Bauern gibt, ist die Tafel weg.

Hannah Michaeler, Kronen Zeitung

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