65 Jahre Staatsvertrag

Leopold Figls Tochter: „Zu Hause war er fast nie“

Österreich
15.05.2020 06:00

55 Jahre nach dem Tod ihres Vaters und 65 Jahre nach dem Staatsvertrag erinnert sich Anneliese Figl im Gespräch mit Conny Bischofberger an den Menschen Leopold Figl.

Wenn Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka und Außenminister Alexander Schallenberg vor dem geschichtsträchtigen Palais Epstein auf der Wiener Ringstraße stehen und Ausschau halten, dann muss ein besonderer Gast im Anmarsch sein. Es ist Diplomkauffrau Anneliese Figl, die Tochter des legendären Leopold Figl. In einem kleinen Festakt überreichte Sobotka der heute 84-jährigen ehemaligen Nationalbank-Mitarbeiterin jene Rede als Geschenk, die ihr Vater drei Tage vor Unterzeichnung des Staatsvertrags im Parlament gehalten hatte. Der Künstler Leopold Kogler, der Kurator für das Parlament ist, malte sie als Bild. Es sei gelungen, volle Übereinstimmung zu erzielen, sagte Figl in dieser Rede am 12. Mai 1955, verriet aber gar nichts über den Inhalt.

„Krone“:Frau Figl, die Unterzeichnung des Staatsvertrages war die Krönung des Lebenswerkes Ihres Vaters. Wie haben Sie den Mai 1955 in Erinnerung?
Anneliese Figl: Ich war damals erst 19, habe noch zu Hause gewohnt, in der Peter-Jordan-Straße. Dort wohne ich heute noch. Ich erinnere mich vor allem an das Bedürfnis meines Vaters nach der Streichung der Mitschuld-Klausel aus der Präambel des Vertrages. Das wollten die Verhandlungspartner lange nicht anerkennen. Das war ihm ganz wichtig, dass Österreich nicht Täter war.

Wenn Sie eine Doku über Ihren Vater sehen, wie am Mittwochabend im ORF, und hören, wie er „Österreich ist frei!“ gerufen hat, macht Sie das stolz?
Ja natürlich. Ich freue mich, dass er auch noch so vielen Jahrzehnten noch ein so hohes Ansehen hat, die Anerkennung von Rot und Schwarz und Blau und Grün. - Lacht.

Leopold Figl war für seine Leutseligkeit bekannt. War er so fröhlich, wie er auf Bildern und in Videos wirkt?
Oh ja, er war fröhlich und er kannte wirklich unglaublich viele Menschen. Ich habe ihn um sein Namensgedächtnis immer bewundert. Er ließ den Chauffeur oft mitten im Waldviertel anhalten, weil er jemanden auf der Straße gesehen hatte und mit ihm reden wollte. Er war sehr volksverbunden. Das war sein Wesen. In unserer Bauernstube hatte er immer Gäste. Ich musste dann Wurstbrote servieren und Wein. Die Rolle der Frau war damals ja noch eine andere.

Welche?
Die dienende. Ich erinnere mich, dass meine Mutter eine halbe Stunde bevor mein Vater nach Hause kam sich ins schöne Gewand geschmissen und Hausfrau gespielt hat. Wir durften dem Dienstmädchen dann die Beilagen bis zur Tür bringen. Erdäpfel, Reis, nichts, was man ausschütten könnte. Seine Lieblingsspeise war gekochtes Rindfleisch mit Semmelkren.

Was war er für ein Vater?
Ich habe meinen Vater erst kennengelernt, als ich sieben Jahre alt war. Bis dahin saß er im Konzentrationslager. Es war immer so ein Trubel um ihm, dass wir uns gar nicht getraut haben, ihn zum Beispiel private Dinge zu fragen. Zu Hause war er fast nie … Auch Ausflüge waren immer mit irgendwelchen politischen Veranstaltungen verwoben.

Fünf Jahre hat Leopold Figl im KZ Dachau verbracht, 1944 wurde er neuerlich verhaftet und kam ins KZ Mauthausen. Was wissen Sie über seine Zeit als Häftling?
Er hat nie übers KZ gesprochen. Nie. Er war einfach weg, dann kam er wieder und dann wurde er wieder verhaftet. Auch meine Mutter hat das Thema nie angeschnitten. Aber man hat ja früher viel weniger gefragt, als man heute fragen würde …

Wie war sein Verhältnis zu Julius Raab?
Da ist beim Kanzlerwechsel, als Raab Nachfolger meines Vaters wurde, viel hineininterpretiert worden. Vielleicht war er in dem Moment geschockt und enttäuscht. Aber das hat nicht lange gedauert, denn im Herbst ist er ja dann schon Außenminister geworden. Sie waren vorher Freunde und sie blieben auch nachher Freunde.

Was hätten Sie ihn gerne noch gefragt?
Ach … Rückblickend ist das schwer zu sagen. Vielleicht, wie er das alles verarbeitet hat. Denn die Politik wird sicher auch manchmal eine Last für ihn gewesen sein.

Conny Bischofberger, Kronen Zeitung

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