„Tickende Zeitbombe“

Tochter (6) mit Messer attackiert: Einweisung

Wien
13.05.2020 16:34

Weil sie im Dezember des Vorjahres mit einem 20 Zentimeter langen Küchenmesser auf ihre erst sechs Jahre alte Tochter losgegangen war, ist eine Frau in Wien am Mittwoch in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen worden. Die aus Syrien stammende 39-Jährige war unter dem Einfluss einer psychischen Erkrankung gestanden, die auf Erlebnissen auf ihrer Flucht nach Europa fußte. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

2016 war die Frau mit ihren fünf jüngsten Kindern von Aleppo Richtung Europa aufgebrochen, um dem Bürgerkrieg in ihrer Heimat zu entkommen. Nach längeren Zwischenstationen in Griechenland und in der Türkei traf sie 2018 in Österreich ein. Im Rahmen einer Familienzusammenführung durften ihr Ehemann und ihre weiteren Kinder nachkommen. Die zehnköpfige Familie lebt seither in einer 140 Quadratmeter großen Wohnung und wird von der Kinder- und Jugendhilfe betreut. Dies auch deshalb, weil die Mutter im Laufe der Zeit psychisch auffällig wurde. So sprach sie kaum noch, begann Stimmen und Schüsse zu hören, wirkte zudem apathisch. Mehrmals wurde sie stationär und medikamentös behandelt, man ging jedoch zunächst irrtümlich von einer depressiven Symptomatik aus.

Tochter schrie „in den hellsten, grellsten Tönen, in Panik“
An dem Abend des Vorfalls am 18. Dezember war eine Sozialarbeiterin, die sich seit mehreren Monaten um die Familie kümmerte, in der Wohnung anwesend. „Die psychische Erkrankung der Mutter hatte Auswirkungen auf das Familienleben“, schilderte die Sozialarbeiterin vor Gericht. Sie habe sich im Wohnzimmer mit dem Vater und einem älteren Sohn unterhalten, als aus einem Nebenzimmer Schreie ertönten. Die sechs Jahre alte Tochter habe „in den hellsten, grellsten Tönen, in Panik“ geschrien. Man sei sogleich hinübergelaufen und habe gesehen, wie die 39-Jährige im Begriff war, das Mädchen mit einem Messer zu attackieren. Vater und Sohn hätten die Frau entwaffnet, der Sohn erlitt dabei eine Schnittverletzung an der Hand. Die Sechsjährige blieb zumindest körperlich unverletzt.

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Die sechs Jahre alte Tochter hat in den hellsten, grellsten Tönen, in Panik geschrien.

Aussage einer Sozialarbeiterin, die Zeugin der Tat wurde

Gerichtspsychiaterin Sigrun Rossmanith hatte nach zwei eingehenden Untersuchungen keinen Zweifel, dass bei der Frau zum Zeitpunkt der Tat eine hochgradige geistige Abartigkeit vorlag und damit keine Schuldfähigkeit gegeben war. Die Anklagebehörde stellte daher einen Antrag auf Unterbringung der Frau in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher.

Frau laut Psychiaterin „eine tickende Zeitbombe“
Rossmanith machte in der Verhandlung deutlich, dass eine engmaschige therapeutische Behandlung der Betroffenen unbedingt erforderlich sei. Die Frau sei „unglaublich gefährlich“ und „eine tickende Zeitbombe“. Ausgeprägt habe sich ihre Erkrankung aufgrund äußerst belastender Erlebnisse vor und während der Flucht, vermutete Rossmanith. Bei der 39-Jährigen sei „ein traumatisch verursachtes Zustandsbild psychotischer Natur“ gegeben: „Sie kippt abrupt in eine Situation, wo sie die Realität nicht mehr trägt.“

Die Mutter hatte an den verfahrensgegenständlichen Zwischenfall keine Erinnerung. „Ich kann mich an komplett gar nichts erinnern. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich meiner Tochter etwas antun will“, sagte die 39-Jährige, die eigenen Angaben zufolge kein Wort Deutsch spricht. Recht ausführlich legte sie dagegen die Umstände ihrer Flucht dar: „Der Weg war sehr anstrengend. Es war eine sehr schreckliche Erfahrung. Wir mussten Berge erklimmen. Ich war zwei Stunden im Meer in einem ungesicherten Boot.“

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Ich habe selbst nicht das Gefühl, dass ich krank bin.

Die 39-jährige Angeklagte vor Gericht

In Griechenland sei sie mit ihren Kindern acht Monate in einem Zelt untergebracht gewesen, berichtete die achtfache Mutter: „Im Winter war es sehr kalt, im Sommer sehr heiß.“ Auf die Frage, ob sie sich gesund fühle, meinte die Frau: „Ich habe selbst nicht das Gefühl, dass ich krank bin.“ Sie sei jedoch „sehr traurig, sehr mitgenommen. Ich bin in einem fremden Land, dessen Sprache ich nicht verstehe.“

„Massive Gefahr, dass ohne Behandlung so etwas wieder passiert“
Der Senat leistete nach 20-minütiger Beratung dem Unterbringungsantrag Folge. Dem Ersuchen von Verteidiger Andreas Reichenbach, die Einweisung allenfalls bedingt nachzusehen, weil der Vater und die ältesten Söhne die Frau in der großen Wohnung in einem separaten Raum betreuen könnten, wurde nicht entsprochen. Die Anhaltung im Maßnahmenvollzug sei unumgänglich, erläuterte die vorsitzende Richterin: „Es besteht die massive Gefahr, dass ohne Behandlung so etwas wieder passiert. Oder Schlimmeres, dass jemand stirbt.“

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Der Verteidiger bat um Bedenkzeit.

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