Datenschutz

Corona-Apps: Amnesty warnt vor Risiken und Zwang

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12.05.2020 05:59

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat am Montag auf Gefahren für Persönlichkeitsrechte und Datenschutz durch elektronische Überwachung zur Bekämpfung der Corona-Pandemie aufmerksam gemacht. Im Mittelpunkt dabei stehen Handy-Tracing-Apps. Jede solche Methode müsse verantwortungsvoll sein und dürfe nur eingesetzt werden, wenn dies auch nötig sei, betonte Rasha Abdul Rahim.

Laut der stellevertretenden Leiterin des AmnestyTech-Programmes, das sich mit den Auswirkungen des technologischen Fortschritts auf die Grundrechte befasst, ziehen mittlerweile 30 Länder weltweit mit digitalen Mitteln gegen die Ausbreitung des Coronavirus zu Felde. 41 Handy-Tracing-Apps sind demnach im Einsatz, darunter auch in Österreich. Wie groß die Risiken für fundamentale Bürger- und Menschenrechte sind, hängt von der Art der App und der Art der Benutzung ab.

Nutzung muss laut Amnesty „strengstens freiwillig“ sein
Eine derartige Überwachung müsse in jedem Fall „gesetzeskonform und notwendig“ und „zeitlich begrenzt“ sein, sagte Abdul Rahim in einem Online-Pressegespräch. Ferner müsse der Schutz der Privatsphäre gewahrt sein, die Apps dürften auch nicht zu einer Ungleichbehandlung führen und bei Verstößen müsse es eine Rechenschaftspflicht geben. Vor allem aber: „Der Gebrauch von Coronavirus-Tracing-Apps muss strengstens freiwillig sein und darf nicht mit Anreizen verbunden oder mit Strafen einhergehen.“ Länder, wo es eine Pflicht zumindest für Teile der Bevölkerung gibt, sind laut Amnesty Kasachstan, Indien, die Türkei sowie Argentinien.

Apps, welche die Bewegungen von Menschen, deren Kontakte mit anderen Personen, medizinische Werte und mögliche Symptome erfassen, der Einsatz von Drohnen sowie Partnerschaften von privaten Unternehmen und staatlichen Stellen im Gesundheitsbereich - all dies habe in der Corona-Krise zugenommen und dürfe jedenfalls „nicht als Vorwand hergenommen werden, um eine großflächigere und noch zudringlichere digitale Überwachung einzuführen“, so Abdul Rahim. Daten, die von Corona-Apps gesammelt wurden, dürften auch nicht außerhalb davon genutzt werden, warnte sie. Ohnedies seien Apps nur eine ergänzende Maßnahme, um der Pandemie Herr zu werden.

Eine Frage der Umsetzung
„Alles hängt von der Umsetzung ab“, erklärte der ebenfalls für AmnestyTech tätige Claudio Guarnieri in dem Online-Pressegespräch. Am gefährlichsten für die Privatsphäre seien Apps, die mit GPS-Ortung arbeiten. Die Standortdaten gehen hier live an einen zentralen Server. Diese Form gebe es beispielsweise in Island oder Norwegen.

Ansonsten seien in Europa Apps auf Bluetooth-Basis im Gespräch, im Test oder in Anwendung. Die Apps erfassen hier mittels Bluetooth-Signalen (Identifikatoren), welche Smartphones einander nahegekommen sind. Nutzer können so gewarnt werden, wenn sich später herausstellt, dass sie sich neben infizierten Personen befunden haben. Doch auch hier gibt es Unterschiede.

So seien Identifikatoren typischerweise Codes aus Buchstaben, Nummern und anderen Zeichen, die sich bestenfalls alle paar Minuten pro Handy ändern. Am bedenklichsten Ende der Skala könnte freilich ein fixer Identifikator klar darauf schließen lassen, wer die App benutzt, führte Guarnieri aus.

Zentrale versus dezentrale Datenspeicherung
Unterschiede gibt es auch bei Datenspeicherung. Die meisten europäischen Länder haben die Kooperation mit den IT-Riesen Google und Apple gesucht, die bei den Handy-Betriebssystemen den Markt dominieren. Sie bieten eine Lösung mit dezentraler Speicherung. Wenn ein User positiv getestet wurde, lädt er die Identifikatoren der anderen User, die in seiner Nähe waren, hoch. Der Datenabgleich findet so nur auf den Smartphones mit der App statt. Für dieses Modell sind auch Datenschützer.

In Europa wollen mehrere Länder aber auch andere Wege mit Bluetooth gehen. Beim Konzept Frankreichs etwa werden die Daten auf einem zentralen Server abgeglichen. Hier teilt der User nicht die eigenen Daten seines Aufenthalts, sondern er gibt via Identifikatoren die Daten anderer, in deren Nähe er war, an den Server weiter. Ohne Hilfe der Konzerne, die Frankreich offensichtlich vermeiden will, geht es aber auch hier nicht: Paris musste von Apple und Google fordern, die aus Datenschutzgründen eingeführten Einschränkungen für den Bluetooth-Einsatz im Hintergrund aufzuheben. Experten warnen auch, dass ohne Hilfe der Konzerne das Bluetooth-Signal ausgehen oder schneller die Batterie leeren könnte.

Ruf nach „gemeinsamen Ansatz“
Guarieri mahnte ein: Tracing-Apps müssten vor allem die Privatsphäre achten, korrekt und verlässlich arbeiten - was derzeit aber schwer zu evaluieren sei, und es müsse sichergestellt sein, dass durch sie keine Sicherheitslücken auf den Handys entstehen. Lena Rohrbach von Amnesty International Deutschland richtete schließlich bei dem Online-Pressgespräch die Forderung an den künftigen deutschen EU-Ratsvorsitz im zweiten Halbjahr 2020, sich der menschenrechtlichen Dimension bei der Anwendung von Technologie im Anti-Corona-Kampf anzunehmen.

Die EU-Kommission hat den Einsatz von Handy-Apps und persönlichen Daten im Kampf gegen das Coronavirus befürwortet. Dabei sei aber ein „gemeinsamer Ansatz“ der Mitgliedstaaten notwendig, betonte die Kommission. Dieser zeichnet sich bisher nicht ab.

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