Schlagfertig

Panik, Wut und Verzweiflung

Salzburg
10.05.2020 06:00

Ein wirklich schöner Aspekt dieser Kolumne ist, im direkten Gespräch oder auch via Email und Briefen ganz persönliche Geschichten von Leserinnen und Lesern erzählt zu bekommen. Manche Zusendungen deuten auf eine große Verzweiflung hin, andere überspielen ihre Ängste und Sorgen mit einer Prise Humor. Fast alle aber geben mir einen beunruhigenden Vorgeschmack darauf, was da an wirtschaftlichen und sozialen Nöten auf uns zurollt.

Die „Krone“ ist, aufgrund ihrer breit gefächerten Leserschaft, ein guter Indikator für die Zukunft. Und was sich da am wirtschaftlichen Horizont offenbart, ist wohl unvergleichlich in der jetzt 75-jährigen Geschichte dieser Republik. Darum ist es mir ein Anliegen, in dieser Kolumne über jene zu schreiben, die in der öffentlichen Wahrnehmung gerne vergessen werden.

Vor einigen Tagen bekam ich eine Nachricht einer Mitarbeiterin des AMS, die mich nachdenklich stimmte: „Auch wir sind Menschen die Familien haben, auch wir brauchen Pausen, auch wir sind am Limit. Wir geben alles, zwölf bis 14 Stunden am Tag, sechs bis sieben Tage die Woche. Die 48 Stunden sind schlichtweg nicht möglich. Der Unmut der UnternehmerInnen ist berechtigt, aber am falschen Platz. Die Vorgaben der Regierung sind unmenschlich und unmöglich zu erfüllen.“

Das AMS steht mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Auge dieses wirtschaftlichen Tornados. Innerhalb weniger Stunden wurde mit den Sozialpartnern ein beispielloser Kraftakt, die neue Kurzarbeiter-Regelung, auf die Beine gestellt. Doch umsetzen müssen es die vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den AMS-Standorten in ganz Österreich. 20.000 bis 30.000 Mails sind zusammenzuführen, elektronisch zu erfassen, zu prüfen und zu genehmigen.

Nur um das einzuordnen: Alleine in Oberösterreich sind bis zu 16.000 Kurzarbeitsanträge zu bearbeiten. In normalen Zeiten sind das im Gesamtjahr oftmals nicht einmal zehn Anträge.

Jetzt wurde, nach kurzer Einschulung im Bereich Kurzarbeit, ein großer Teil der Belegschaft auf diese Herausforderung angesetzt und man kann sich vorstellen, wie hart und auch mental belastend diese Aufgabe ist. Dazu kommen tausende Papierbegehren, Anträge, falsche und fehlerhafte Eingaben, Neuerungen der Sozialpartner etc.

Wenn man sich in diesen Tagen in den Leserforen der Zeitungen oder auch in den sozialen Netzwerken umsieht, ist oft sehr viel Wut und Aggression gegen das AMS zu beobachten. Ich kann das gut verstehen und ganz sicher haben auch die leidenschaftlich kämpfenden AMS-Angestellten dafür Verständnis. Aber bitte denken sie auch in diesen Momenten daran, dass das AMS vor einigen Wochen von dieser neuen Situation komplett überrumpelt wurde, von der Regierung mit einer Herkulesaufgabe betraut wurde, diese schon personaltechnisch ein Himmelfahrtskommando darstellte und es nun auch mental die blanke Panik, Wut und Verzweiflung der um die Existenz ihrer Betriebe kämpfenden Unternehmer mental abzufedern gilt.

Während also die Regierung die nächste Pressekonferenz, die nächste prestigeträchtige Schlagzeile, den nächsten glamourösen Auftritt in Szene setzt, arbeiten viele Beamtinnen und Beamte, Angestellte und freie Mitarbeiter im Maschinenraum dieser Republik und versuchen Österreichs Unternehmen und deren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer über Wasser zu halten. Das ist die österreichische Realität.

Würden sie nicht mit großer Fürsorge darauf achten, dass beispielsweise das Arbeitslosengeld zeitgerecht und pünktlich ausbezahlt wird, der sprichwörtliche soziale Frieden wäre bereits in größter Gefahr.

Vielleicht ist es für die Politik an der Zeit, ein schlichtes „Danke“ auszusprechen. Das sollte, zwischen all der perfekt kalkulierten Selbstinszenierung, noch zu schaffen sein.

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